Allgemeine Kunst-Chronik.
581
merzienrath Herbig, letzterer als Orientale Mitrovics, wesent-
lich zur allgemeinen Heiterkeit beitrugen.
„Lachende Erben", Operette in drei Akten von
Karl Weinberger (Text von Julius Horst und Leo
Stein), die letzte Neuheit im Carltheater, bei der
ersten Aufführung, am 24. v. M., mit Jubel aufgenommen,
dürfte sich wol lange auf dem Spielplane halten. Die lieb-
liche Musik, wie die Walzermelodie „Das ist der Liebe
Zaubermacht", das komische „Erbe, Erbin" - Lied des
Bürgermeisters, das hübsche Quintett am Schlüsse des
zweiten Aktes, das Duett „Meine Tante" u. a., athmet und
verbreitet Heiterkeit; der Text ist unterhaltend, Aus-
stattung und Darstellung befriedigend. Die Herren Knaack,
Blasel, Wittels (mit einem sehr komischen Couplet),
Schuler, und Schmidl (Bürgermeister), die Damen
Meiser-Pohl, Andree und Augustin fanden viel
Beifall. Bei der Wiederaufführung der Operette am 2. d. M.
sang Fräulein Elizza die Rolle der Margit anstatt des
Fräulein Andree und Fräulein Schütz die der Elly an-
statt des Fräulein Augustin. Die beiden Damen entledigten
sich der Aufgabe unter grossem Beifall des Publikums.
Kurzen, allzu kurzen Aufenthalt hat Frau E. Duse
wieder in Wien genommen und im Carltheater gespielt,
von wo ihr Weltruf ausgegangen. Die Bewunderung, die
sie bei ihren früheren Gastspielen erweckt^ konnte nicht
gesteigert werden, denn sie hatte schon damals die höchste
Höhe erreicht, und welche Meisterin in ihrer Kunst sie
ist, war uns inzwischen besonders klar geworden durch
das Gastspiel der Sarah Bernhardt, der einzigen fremden
Künstlerin, die neben der Duse genannt werden darf. Die
berühmte Italienerin zeigte sich uns diesmal in zwei Rollen,
in denen wir sie noch nicht kannten, als Santuzza in der
„Cavalleria rusticana" und als Scrollina in dem gleich-
namigen dreiaktigen Lustspiele Torelli's.
Mit einer fast zu weit gehenden Selbstverleugnung
gab die Duse die arme, um ihre Ehre betrogene, in ihrer
Liebe getäuschte sizilische Bauerndirne, wie sie, ganz nur
von ihrem alles beherrschenden Gefühle erfüllt, ihr Äußeres
so vernachlässigt, dass sich das Mitleid des Geliebten fast
in Überdruss verwandeln muss, wie sie immer noch nicht
ganz an ihrem Glücke verzweifeln will, sich tief erniedrigt,
um das entschwindende doch noch festzuhalten; wie sie
in furchtbarer Eifersucht gegen die glücklichere Neben-
buhlerin aufflammt; wie sie sich in sinnloser Wuth gegen
den leichtfertigen Geliebten aufbäumt und, sobald sie das
von ihr angerichtete Unheil erkennt und neben ihrem zer-
störten Leben auch des Geliebten Untergang voraussieht,
halt- und rettungslos zusammenbricht.
Fast noch bedeutender ist ihre Leistung als Scrollina.
Der leichtlebige „Strudelkopf", die Bettlerin von ehedem,
das alte Modell für Susanna im Bade, Margarethe von
Valois und Anna Boleyn tritt mit der natürlichsten Harm-
losigkeit, kindlich froh über all den Schmuck, den ihr
verliebter gräflicher Gatte an sie gehängt, und fast schön
durch den Ausdruck der Glückempfindung darüber, dass
jetzt auf die mageren Jahre fette gefolgt sind, in einen
hochadeligen Kreis ein. Sie tröstet sich leicht darüber,
dass man sie hier nicht als „chic", nicht als Dame an-
erkennen will, und ist selig, als sie bei einer Familien-
katastrophe die Achtung der Wenigen erringt, von denen
sie trotz ihres Vorlebens geachtet sein möchte, und ihnen
selbst Rettung in der Noth bringen kann. Bald übermüthig
in Atelierscherzen schwelgend, bald sich heldenhaft auf-
opfernd, bald dem eigenen Herzen entsagungsvoll Schweigen
gebietend, ist sie eine Grisette, unendlich leibhaftiger und
wahrer, als sie dem Auge des Dichters selbst vorgeschwebt.
L.
Theaternachrichten.
Prag. An die Freunde der deutschen Kunst richtet
für den Ausschuss des deutschen Theatervereines
der Vorsitzende Graf Oswald Thun-Hohenstein und der
zweite Vorsitzende Dr. Franz Schmeykal anlässlich des
neuen Jahresabonnements auf die Vorstellungen der deut-
schen Landesbühne einen Aufruf, in dem es u. A. heißt:
„Nicht allein in gelegentlichen Wallungen des National-
gefühls und lauten Kundgebungen der Gesinnung, sondern
vor allem in der stillen, gleichmäßigen, hilfreichen Opfer-
willigkeit, welche die nationalen Güter erhält und nährt,
liegt die wertvolle Arbeit für das Ganze und die Bürg-
schaft des Erfolges. — Unsere mehr als hundertjährige
deutsche Bühne verdankt solcher opferwilligen Vorsorge
eine rühmliche Geschichte und hat sich bis zum heutigen
Tage so großer Überlieferungen würdig erwiesen. Sie steht
nach wie vor in der ersten Reihe der großen deutschen Stadt-
theater, ihr Spielplan umfasst die besten Werke der Welt-
literatur, sie wetteifert in der Oper, welche die höchsten Kraft-
anstrengungen erfordert, mit reichbedachten Kunstanstalten
der Metropolen, sie tauscht ihre Schauspielkräfte mit den
allerersten Bühnen aus und pflegt lebendigen, wirksamen
Verkehr mit den zeitgenössischen Dichtern unseres Volkes.
Dieser ehrenvolle und wolthuende Zustand aber kann nur
durch die thatkräftige, opferwillige Begeisterung unserer
deutschen Kunstfreunde erhalten werden." Wenn man
erwägt, was die Czechen für ihr nationales Theater ge-
leistet haben und noch leisten, so steht zu erwarten, dass
die Deutschen diesen Aufruf sehr beherzigen werden.
Laibach. Da in der krainischen Landeshauptstadt
1887 das bis dahin bestandene (1765 gegründete) land-
schaftliche Theater auf dem Kongressplatze durch einen
Brand zerstört worden, beschloss die Landschaft an anderer
Stelle ein neues Landestheater aufzuführen. Der Neu-
bau, von 1890 bis 1892 nach dem von Fellner und
He1mer in Wien gutgeheißenen Plan der Herren
Landesingenieur Hrasky und Architekt Hruby mit einem
Kostenaufwande von 190.000 fl. durchgeführt, steht heute
an der schönen Avenue der Lattermanns- Allee als ein
in allen Theilen bestgelungener Prachtbau in strenger
italienischer Renaissance fertig da, und es haben darin die
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merzienrath Herbig, letzterer als Orientale Mitrovics, wesent-
lich zur allgemeinen Heiterkeit beitrugen.
„Lachende Erben", Operette in drei Akten von
Karl Weinberger (Text von Julius Horst und Leo
Stein), die letzte Neuheit im Carltheater, bei der
ersten Aufführung, am 24. v. M., mit Jubel aufgenommen,
dürfte sich wol lange auf dem Spielplane halten. Die lieb-
liche Musik, wie die Walzermelodie „Das ist der Liebe
Zaubermacht", das komische „Erbe, Erbin" - Lied des
Bürgermeisters, das hübsche Quintett am Schlüsse des
zweiten Aktes, das Duett „Meine Tante" u. a., athmet und
verbreitet Heiterkeit; der Text ist unterhaltend, Aus-
stattung und Darstellung befriedigend. Die Herren Knaack,
Blasel, Wittels (mit einem sehr komischen Couplet),
Schuler, und Schmidl (Bürgermeister), die Damen
Meiser-Pohl, Andree und Augustin fanden viel
Beifall. Bei der Wiederaufführung der Operette am 2. d. M.
sang Fräulein Elizza die Rolle der Margit anstatt des
Fräulein Andree und Fräulein Schütz die der Elly an-
statt des Fräulein Augustin. Die beiden Damen entledigten
sich der Aufgabe unter grossem Beifall des Publikums.
Kurzen, allzu kurzen Aufenthalt hat Frau E. Duse
wieder in Wien genommen und im Carltheater gespielt,
von wo ihr Weltruf ausgegangen. Die Bewunderung, die
sie bei ihren früheren Gastspielen erweckt^ konnte nicht
gesteigert werden, denn sie hatte schon damals die höchste
Höhe erreicht, und welche Meisterin in ihrer Kunst sie
ist, war uns inzwischen besonders klar geworden durch
das Gastspiel der Sarah Bernhardt, der einzigen fremden
Künstlerin, die neben der Duse genannt werden darf. Die
berühmte Italienerin zeigte sich uns diesmal in zwei Rollen,
in denen wir sie noch nicht kannten, als Santuzza in der
„Cavalleria rusticana" und als Scrollina in dem gleich-
namigen dreiaktigen Lustspiele Torelli's.
Mit einer fast zu weit gehenden Selbstverleugnung
gab die Duse die arme, um ihre Ehre betrogene, in ihrer
Liebe getäuschte sizilische Bauerndirne, wie sie, ganz nur
von ihrem alles beherrschenden Gefühle erfüllt, ihr Äußeres
so vernachlässigt, dass sich das Mitleid des Geliebten fast
in Überdruss verwandeln muss, wie sie immer noch nicht
ganz an ihrem Glücke verzweifeln will, sich tief erniedrigt,
um das entschwindende doch noch festzuhalten; wie sie
in furchtbarer Eifersucht gegen die glücklichere Neben-
buhlerin aufflammt; wie sie sich in sinnloser Wuth gegen
den leichtfertigen Geliebten aufbäumt und, sobald sie das
von ihr angerichtete Unheil erkennt und neben ihrem zer-
störten Leben auch des Geliebten Untergang voraussieht,
halt- und rettungslos zusammenbricht.
Fast noch bedeutender ist ihre Leistung als Scrollina.
Der leichtlebige „Strudelkopf", die Bettlerin von ehedem,
das alte Modell für Susanna im Bade, Margarethe von
Valois und Anna Boleyn tritt mit der natürlichsten Harm-
losigkeit, kindlich froh über all den Schmuck, den ihr
verliebter gräflicher Gatte an sie gehängt, und fast schön
durch den Ausdruck der Glückempfindung darüber, dass
jetzt auf die mageren Jahre fette gefolgt sind, in einen
hochadeligen Kreis ein. Sie tröstet sich leicht darüber,
dass man sie hier nicht als „chic", nicht als Dame an-
erkennen will, und ist selig, als sie bei einer Familien-
katastrophe die Achtung der Wenigen erringt, von denen
sie trotz ihres Vorlebens geachtet sein möchte, und ihnen
selbst Rettung in der Noth bringen kann. Bald übermüthig
in Atelierscherzen schwelgend, bald sich heldenhaft auf-
opfernd, bald dem eigenen Herzen entsagungsvoll Schweigen
gebietend, ist sie eine Grisette, unendlich leibhaftiger und
wahrer, als sie dem Auge des Dichters selbst vorgeschwebt.
L.
Theaternachrichten.
Prag. An die Freunde der deutschen Kunst richtet
für den Ausschuss des deutschen Theatervereines
der Vorsitzende Graf Oswald Thun-Hohenstein und der
zweite Vorsitzende Dr. Franz Schmeykal anlässlich des
neuen Jahresabonnements auf die Vorstellungen der deut-
schen Landesbühne einen Aufruf, in dem es u. A. heißt:
„Nicht allein in gelegentlichen Wallungen des National-
gefühls und lauten Kundgebungen der Gesinnung, sondern
vor allem in der stillen, gleichmäßigen, hilfreichen Opfer-
willigkeit, welche die nationalen Güter erhält und nährt,
liegt die wertvolle Arbeit für das Ganze und die Bürg-
schaft des Erfolges. — Unsere mehr als hundertjährige
deutsche Bühne verdankt solcher opferwilligen Vorsorge
eine rühmliche Geschichte und hat sich bis zum heutigen
Tage so großer Überlieferungen würdig erwiesen. Sie steht
nach wie vor in der ersten Reihe der großen deutschen Stadt-
theater, ihr Spielplan umfasst die besten Werke der Welt-
literatur, sie wetteifert in der Oper, welche die höchsten Kraft-
anstrengungen erfordert, mit reichbedachten Kunstanstalten
der Metropolen, sie tauscht ihre Schauspielkräfte mit den
allerersten Bühnen aus und pflegt lebendigen, wirksamen
Verkehr mit den zeitgenössischen Dichtern unseres Volkes.
Dieser ehrenvolle und wolthuende Zustand aber kann nur
durch die thatkräftige, opferwillige Begeisterung unserer
deutschen Kunstfreunde erhalten werden." Wenn man
erwägt, was die Czechen für ihr nationales Theater ge-
leistet haben und noch leisten, so steht zu erwarten, dass
die Deutschen diesen Aufruf sehr beherzigen werden.
Laibach. Da in der krainischen Landeshauptstadt
1887 das bis dahin bestandene (1765 gegründete) land-
schaftliche Theater auf dem Kongressplatze durch einen
Brand zerstört worden, beschloss die Landschaft an anderer
Stelle ein neues Landestheater aufzuführen. Der Neu-
bau, von 1890 bis 1892 nach dem von Fellner und
He1mer in Wien gutgeheißenen Plan der Herren
Landesingenieur Hrasky und Architekt Hruby mit einem
Kostenaufwande von 190.000 fl. durchgeführt, steht heute
an der schönen Avenue der Lattermanns- Allee als ein
in allen Theilen bestgelungener Prachtbau in strenger
italienischer Renaissance fertig da, und es haben darin die