Allgemeine Kunst-Chronik.
403
schule in Prag seine Studien absolvirte, entfaltete er
bereits eine rührige Thätigkeit in literarischen Versuchen.
Die Richtung, die er zuerst einschlug, war recht charak-
teristisch für jin de siecle; frei von aller Sentimentalität,
schwärmte er für das Allermodernste und bewährte auch
bald Eigenschaften, die so großer Jugend sonst fernzu-
liegen pflegen; Sinn für das Wirksame, Formgewandtheit
und einen ausgesprochen satirischen Zug. In den letzten
Jahren nahm sein Talent eine ernstere Richtung und
schien nachhaltigeren Erfolgen entgegenzureifen. Unser
deutsches Landestheater brachte zwei Einakter von Dubsky:
das gefällige Proverbe ,Der Salonzigeuner', das dem blut-
jungen Autor den ersten Hervorruf auf die Szene eintrug,
und die dramatisirte Napoleon-Anekdote ,Das rothe Ei',
die mit ihrem hübschen Kolorit und ihrer wirksamen
Komik kürzlich den freundlichsten Erfolg erzielte. Außer-
dem trat Dubsky auf unserer deutschen Bühne als Ver-
fasser des Textbuches zu der Rzezniczek'schen Oper ,Emerich
Fortunat' hervor. Viel Glück hatte sein Libretto zu der
von Kapellmeister Kaiser komponirten Oper ,Rodenstein',
die in Brünn wiederholt mit Erfolg aufgeführt worden ist,
und ein drittes Opernbuch aus seiner Feder, der nach Art
von Hoffmann's Erzählungen gegliederte Text ,Heine's
Memoiren', der im Buchhandel erschienen ist, spricht für
die frische Begabung und die Bühnengewandtheit des
Autors." In Pilsen wirkte er namentlich mit Eifer und
Erfolg für die Erhaltung und Hebung des dortigen deutschen
Theaterwesens.
Bucharest. Das fünfundzwanzigjährige Jubelfest der
Zeitschrift „Convorbiri literare" ist ein Ereignis, dem Alle
ihre Theilnahme schenken dürfen, welchen die geistige Be-
wegung der Romänen seit einem Vierteljahrhundert als ein
wichtiger Theil der allgemeinen europäischen Kulturentwick-
lung erscheint. Ein Jahr nach dem Regierungsantritte des
Fürsten Karl von einem Kreise meist deutsch gebildeter
Männer, wie Carp und Maiorescu, begründet und von J. Ne-
gruzzi tüchtig geleitet, zählen die „Convorbiri literare" fast
alle bedeutenderen romänischen Schriftsteller zu Mitarbeitern,
und Legion ist die Zahl der Werke altgriechischen, römi-
schen, deutschen, englischen, französischen, spanischen,
italienischen Schriftthums, welche sie in guten Über-
setzungen ihren Lesern vorlegten. Die besten Erzeugnisse
romänischer Lyrik, Romanschriftstellerei, Novellistill und
Dramatik; geschichtliche, kritische und philosophische
Abhandlungen, besonders von P. P. Carp und T. Maiorescu,
naturwissenschaftliche Studien, sprachwissenschaftliche Auf-
sätze machen den reichen Inhalt der fünfundzwanzig Jahr-
gänge der „Convorbiri literare" aus, denen auch die „All-
gemeine Kunst-Chronik" ein herzliches „Glück auf!" für
ihr ferneres Wirken zuruft.
London. Die großartigste Privatbücherei Englands,
ja der Welt, die des Earl of Spencer, wird dem Schick-
sal so mancher Sammlungen des englischen Großadels
verfallen und im nächsten Jahre unter den Hammer
kommen. Der zweite Earl hatte diese an Zahl der Bände
wie Seltenheit der Drucke unschätzbare Bibliothek Ende
des letzten Jahrhunderts zusammengebracht. Annähernd
50.000 Bände füllen die Büchersäle des Stammschlosses zu
Althorp. Zu den seltensten Schätzen derselben gehört vor
allem eine tadellos erhaltene Mazarin - Bibel sowie ein
noch seltenerer Mainzer Psalter von 1457, eine Ausgabe,
von welcher ein anderes Exemplar vor wenig Jahren für
5C00 Pfund Sterling verkauft wurde. Bücher von Guten-
berg und Fust sind in großer Zahl vorhanden, ebenso
610 Bände der Aldina-Presse.
Bücher und Zeitschriften.
Löwenblut. Novelle von Ferdinand Kürnberger.
Aus dem Nachlasse des Dichters herausgegeben von Wil-
helm Lauser (Dresden, Heinrich Minden). Diese Novelle
ist als Vorläuferin der Veröffentlichungen zu betrachten,
die aus dem Nachlasse des vaterländischen Dichters sich
nunmehr ohne Unterbrechung folgen sollen. Es bedurfte
des ausgesuchten Missgeschickes, das so vielen Meister-
schöpfungen Kürnberger's den Weg in die weitesten Volks-
kreise verlegte, um auch diese Perle deutscher Novellistik
in jahrzehntlanger Verscliollenheit zu belassen. Zum Glück
hat sie hiedurch nichts von ihrem frischen Glanze ver-
loren. Kürnberger's Erfindungsgeist feiert hier den schönsten
Triumph; eine übermüthige Laune sprudelt uns entgegen,
der feine Seelenkünder ist in die tiefste Tiefe eines
Mannes- und eines Mädchenherzens niedergestiegen, und
was er hier beobachtet, theilt er so überzeugend mit, dass
uns der seltsamste Vorgang ganz natürlich erscheint. Die
an Überraschungen reiche Handlung hält uns vom Anfang
bis zum Ende gefesselt, und einer ihrer Reize besteht ge-
wiss darin, dass sich der weitläufige Dichter auf dem
Wiener Boden bewegt und durchwegs den genius loci
walten lässt. Die wolthuende Heiterkeit, die über dieses
ganze Werkchen gebreitet ist, wird eher noch ins Licht
gestellt als verdunkelt durch so manchen tiefen, zum Nach-
sinnen anregenden Gedanken und durch Gleichnisse und
Bilder, wie sie unaufhörlich und ungesucht der Phantasie
des Dichters entquellen.
Dem „Löwenblut" wird, wie wir den Lesern ver-
rathen dürfen, demnächst ein neues „Novellenbuch" Kürn-
berger's (in der Deutschen Verlagsanstalt) nachfolgen, das
manche Überraschung bringen wird. Dann wird endlich
der große, von Kürnberger hinterlassene Roman „Das
Schloss der Frevel" in der Gestalt veröffentlicht werden,
die ihm der Herausgeber, den Wünschen des Dichters
gemäß, um ihn druckfähig zu machen, gegeben hat. Im
Herbst schließlich sollen auch dramatische Werke Kürn-
berger's, über denen zu seinen Lebzeiten ein besonders
schlimmer Unstern gewaltet, für die Bühne theilweise
neu eingerichtet, vorgeführt werden, Werke, die sich an
innerem Werte thurmhoch über das heute beliebte Theater-
futter erheben und bei ihrer zu hoffenden Aufführung
die Österreicher überzeugen werden, welche dichterische
Größe sie an Kürnberger besessen und — verkannt
hatten. L.
Wilhelm Cremer, „Der gegenwärtige Stand des
Kampfes für die Reinheit der deutschen Sprache".
(Hannover, Manz & Lange.) Eine treffliche Schrift, die ein
klares Bild dessen gibt, was auf dem Gebiete der Sprach-
reinigung schon geleistet worden ist und noch geleistet
werden kann. Die Knappheit der Darstellung, deren sich
der Verfasser befleißt, schließt volle Übersichtlichkeit nicht
aus. Dem Verfasser sind wir übrigens noch zu besonderem
Danke dafür verpflichtet, dass er mehrfach in lobender
Weise der Bemühungen der „Allgemeinen Kunst-Chronik"
um Reinheit der Sprache gedenkt.
403
schule in Prag seine Studien absolvirte, entfaltete er
bereits eine rührige Thätigkeit in literarischen Versuchen.
Die Richtung, die er zuerst einschlug, war recht charak-
teristisch für jin de siecle; frei von aller Sentimentalität,
schwärmte er für das Allermodernste und bewährte auch
bald Eigenschaften, die so großer Jugend sonst fernzu-
liegen pflegen; Sinn für das Wirksame, Formgewandtheit
und einen ausgesprochen satirischen Zug. In den letzten
Jahren nahm sein Talent eine ernstere Richtung und
schien nachhaltigeren Erfolgen entgegenzureifen. Unser
deutsches Landestheater brachte zwei Einakter von Dubsky:
das gefällige Proverbe ,Der Salonzigeuner', das dem blut-
jungen Autor den ersten Hervorruf auf die Szene eintrug,
und die dramatisirte Napoleon-Anekdote ,Das rothe Ei',
die mit ihrem hübschen Kolorit und ihrer wirksamen
Komik kürzlich den freundlichsten Erfolg erzielte. Außer-
dem trat Dubsky auf unserer deutschen Bühne als Ver-
fasser des Textbuches zu der Rzezniczek'schen Oper ,Emerich
Fortunat' hervor. Viel Glück hatte sein Libretto zu der
von Kapellmeister Kaiser komponirten Oper ,Rodenstein',
die in Brünn wiederholt mit Erfolg aufgeführt worden ist,
und ein drittes Opernbuch aus seiner Feder, der nach Art
von Hoffmann's Erzählungen gegliederte Text ,Heine's
Memoiren', der im Buchhandel erschienen ist, spricht für
die frische Begabung und die Bühnengewandtheit des
Autors." In Pilsen wirkte er namentlich mit Eifer und
Erfolg für die Erhaltung und Hebung des dortigen deutschen
Theaterwesens.
Bucharest. Das fünfundzwanzigjährige Jubelfest der
Zeitschrift „Convorbiri literare" ist ein Ereignis, dem Alle
ihre Theilnahme schenken dürfen, welchen die geistige Be-
wegung der Romänen seit einem Vierteljahrhundert als ein
wichtiger Theil der allgemeinen europäischen Kulturentwick-
lung erscheint. Ein Jahr nach dem Regierungsantritte des
Fürsten Karl von einem Kreise meist deutsch gebildeter
Männer, wie Carp und Maiorescu, begründet und von J. Ne-
gruzzi tüchtig geleitet, zählen die „Convorbiri literare" fast
alle bedeutenderen romänischen Schriftsteller zu Mitarbeitern,
und Legion ist die Zahl der Werke altgriechischen, römi-
schen, deutschen, englischen, französischen, spanischen,
italienischen Schriftthums, welche sie in guten Über-
setzungen ihren Lesern vorlegten. Die besten Erzeugnisse
romänischer Lyrik, Romanschriftstellerei, Novellistill und
Dramatik; geschichtliche, kritische und philosophische
Abhandlungen, besonders von P. P. Carp und T. Maiorescu,
naturwissenschaftliche Studien, sprachwissenschaftliche Auf-
sätze machen den reichen Inhalt der fünfundzwanzig Jahr-
gänge der „Convorbiri literare" aus, denen auch die „All-
gemeine Kunst-Chronik" ein herzliches „Glück auf!" für
ihr ferneres Wirken zuruft.
London. Die großartigste Privatbücherei Englands,
ja der Welt, die des Earl of Spencer, wird dem Schick-
sal so mancher Sammlungen des englischen Großadels
verfallen und im nächsten Jahre unter den Hammer
kommen. Der zweite Earl hatte diese an Zahl der Bände
wie Seltenheit der Drucke unschätzbare Bibliothek Ende
des letzten Jahrhunderts zusammengebracht. Annähernd
50.000 Bände füllen die Büchersäle des Stammschlosses zu
Althorp. Zu den seltensten Schätzen derselben gehört vor
allem eine tadellos erhaltene Mazarin - Bibel sowie ein
noch seltenerer Mainzer Psalter von 1457, eine Ausgabe,
von welcher ein anderes Exemplar vor wenig Jahren für
5C00 Pfund Sterling verkauft wurde. Bücher von Guten-
berg und Fust sind in großer Zahl vorhanden, ebenso
610 Bände der Aldina-Presse.
Bücher und Zeitschriften.
Löwenblut. Novelle von Ferdinand Kürnberger.
Aus dem Nachlasse des Dichters herausgegeben von Wil-
helm Lauser (Dresden, Heinrich Minden). Diese Novelle
ist als Vorläuferin der Veröffentlichungen zu betrachten,
die aus dem Nachlasse des vaterländischen Dichters sich
nunmehr ohne Unterbrechung folgen sollen. Es bedurfte
des ausgesuchten Missgeschickes, das so vielen Meister-
schöpfungen Kürnberger's den Weg in die weitesten Volks-
kreise verlegte, um auch diese Perle deutscher Novellistik
in jahrzehntlanger Verscliollenheit zu belassen. Zum Glück
hat sie hiedurch nichts von ihrem frischen Glanze ver-
loren. Kürnberger's Erfindungsgeist feiert hier den schönsten
Triumph; eine übermüthige Laune sprudelt uns entgegen,
der feine Seelenkünder ist in die tiefste Tiefe eines
Mannes- und eines Mädchenherzens niedergestiegen, und
was er hier beobachtet, theilt er so überzeugend mit, dass
uns der seltsamste Vorgang ganz natürlich erscheint. Die
an Überraschungen reiche Handlung hält uns vom Anfang
bis zum Ende gefesselt, und einer ihrer Reize besteht ge-
wiss darin, dass sich der weitläufige Dichter auf dem
Wiener Boden bewegt und durchwegs den genius loci
walten lässt. Die wolthuende Heiterkeit, die über dieses
ganze Werkchen gebreitet ist, wird eher noch ins Licht
gestellt als verdunkelt durch so manchen tiefen, zum Nach-
sinnen anregenden Gedanken und durch Gleichnisse und
Bilder, wie sie unaufhörlich und ungesucht der Phantasie
des Dichters entquellen.
Dem „Löwenblut" wird, wie wir den Lesern ver-
rathen dürfen, demnächst ein neues „Novellenbuch" Kürn-
berger's (in der Deutschen Verlagsanstalt) nachfolgen, das
manche Überraschung bringen wird. Dann wird endlich
der große, von Kürnberger hinterlassene Roman „Das
Schloss der Frevel" in der Gestalt veröffentlicht werden,
die ihm der Herausgeber, den Wünschen des Dichters
gemäß, um ihn druckfähig zu machen, gegeben hat. Im
Herbst schließlich sollen auch dramatische Werke Kürn-
berger's, über denen zu seinen Lebzeiten ein besonders
schlimmer Unstern gewaltet, für die Bühne theilweise
neu eingerichtet, vorgeführt werden, Werke, die sich an
innerem Werte thurmhoch über das heute beliebte Theater-
futter erheben und bei ihrer zu hoffenden Aufführung
die Österreicher überzeugen werden, welche dichterische
Größe sie an Kürnberger besessen und — verkannt
hatten. L.
Wilhelm Cremer, „Der gegenwärtige Stand des
Kampfes für die Reinheit der deutschen Sprache".
(Hannover, Manz & Lange.) Eine treffliche Schrift, die ein
klares Bild dessen gibt, was auf dem Gebiete der Sprach-
reinigung schon geleistet worden ist und noch geleistet
werden kann. Die Knappheit der Darstellung, deren sich
der Verfasser befleißt, schließt volle Übersichtlichkeit nicht
aus. Dem Verfasser sind wir übrigens noch zu besonderem
Danke dafür verpflichtet, dass er mehrfach in lobender
Weise der Bemühungen der „Allgemeinen Kunst-Chronik"
um Reinheit der Sprache gedenkt.