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W. DÖRPFFLD
Themistokles oder Kimon, wie man bisher glaubte, den grossen
Tempelbau begonnen, so wäre die Entstehung der Sage von
dem Eide ebenso unverständlich, wie der Antrag des Perikies.
Die Geschichte des älteren Parthenon, wie sie sich hiernach
gestaltet, mag zum Schluss in einige Sätze zusammengefasst
werden :
Nachdem der hundertfüssige Tempel der Athena - Polias
durch Peisistratos eine Ringhalle erhalten hatte, wurde am
Ende des VI. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter Kleisthenes,
ein neuer grösserer Tempel der Göttin begonnen. Er sollte noch
ein Porosbau werden. Der gewaltige Unterbau mit seinen Stufen
und zugleich eine grosse Terrasse neben dem Tempel wurden
noch vor der Marathonschlacht ausgeführt. Nach dem Siege
über die Perser beschloss man, den Tempel in Marmor weiter
zu bauen und zugleich die Terrasse zu erbreitern. Nur der
Unterteil der Wände und die untersten Trommeln der Säulen
waren schon aufgerichtet, als die Perser (480) die Burg ein-
nahmen und mit dem ganzen Heiligtum auch den grossen
Tempel einäscherten. Die Gerüstbalken lieferten reichliche
Nahrung für den Brand.
Nach Salamis und Plataiai wurde der alte Tempel ohne seine
Ringhalle repariert, der grosse neue Tempel blieb unaufge-
baut liegen. Die Bautätigkeit des Themistokles und Kimon
beschränkte sich auf die Befestigungsmauern der Akropolis,
der Stadt und des Hafens. Die verbrannten Quadern und
Säulentrommeln beider Tempel wurden zum Bau der nördli-
chen Burgmauer verwendet und sind dort bis heute als Erin-
nerung an den Perserfrevel sichtbar geblieben.
Erst als die Persernot endgültig beseitigt und der Königs-
friede abgeschlossen war, begannen die Athener ihre Tempel
zu erneuern. Der von Delos nach Athen geschaffte Reichs-
schatz lieferte reichliche Mittel dazu. Ein grossartiger Plan zur
Erneuerung der Gebäude der Burg ward entworfen und zuerst
der grosse Tempel, der spätere «Parthenon», in den Jahren
447—434 errichtet. Der Unterbau des älteren Parthenon ver-
schwand damals unter dem Boden. Erst durch die Arbeiten
und Studien von L. Ross ist uns dieser Tempel wieder ge-
schenkt worden.
Wilhelm Dörpfeld.
W. DÖRPFFLD
Themistokles oder Kimon, wie man bisher glaubte, den grossen
Tempelbau begonnen, so wäre die Entstehung der Sage von
dem Eide ebenso unverständlich, wie der Antrag des Perikies.
Die Geschichte des älteren Parthenon, wie sie sich hiernach
gestaltet, mag zum Schluss in einige Sätze zusammengefasst
werden :
Nachdem der hundertfüssige Tempel der Athena - Polias
durch Peisistratos eine Ringhalle erhalten hatte, wurde am
Ende des VI. Jahrhunderts, wahrscheinlich unter Kleisthenes,
ein neuer grösserer Tempel der Göttin begonnen. Er sollte noch
ein Porosbau werden. Der gewaltige Unterbau mit seinen Stufen
und zugleich eine grosse Terrasse neben dem Tempel wurden
noch vor der Marathonschlacht ausgeführt. Nach dem Siege
über die Perser beschloss man, den Tempel in Marmor weiter
zu bauen und zugleich die Terrasse zu erbreitern. Nur der
Unterteil der Wände und die untersten Trommeln der Säulen
waren schon aufgerichtet, als die Perser (480) die Burg ein-
nahmen und mit dem ganzen Heiligtum auch den grossen
Tempel einäscherten. Die Gerüstbalken lieferten reichliche
Nahrung für den Brand.
Nach Salamis und Plataiai wurde der alte Tempel ohne seine
Ringhalle repariert, der grosse neue Tempel blieb unaufge-
baut liegen. Die Bautätigkeit des Themistokles und Kimon
beschränkte sich auf die Befestigungsmauern der Akropolis,
der Stadt und des Hafens. Die verbrannten Quadern und
Säulentrommeln beider Tempel wurden zum Bau der nördli-
chen Burgmauer verwendet und sind dort bis heute als Erin-
nerung an den Perserfrevel sichtbar geblieben.
Erst als die Persernot endgültig beseitigt und der Königs-
friede abgeschlossen war, begannen die Athener ihre Tempel
zu erneuern. Der von Delos nach Athen geschaffte Reichs-
schatz lieferte reichliche Mittel dazu. Ein grossartiger Plan zur
Erneuerung der Gebäude der Burg ward entworfen und zuerst
der grosse Tempel, der spätere «Parthenon», in den Jahren
447—434 errichtet. Der Unterbau des älteren Parthenon ver-
schwand damals unter dem Boden. Erst durch die Arbeiten
und Studien von L. Ross ist uns dieser Tempel wieder ge-
schenkt worden.
Wilhelm Dörpfeld.