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Architektonische Rundschau: Skizzenblätter aus allen Gebieten der Baukunst — 21.1905

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Heft 11
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Herrschaftliches Gutshaus in Selchow, Neumark: Architekt: Carl Zetzsche in Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.44852#0095

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1905

ARCHITEKTONISCHE RUNDSCHAU

Heft 11

Gutshaus in Selchow. Architekt: Carl Zetzsche
1. Einfahrtseite. in Berlin.


Herrschaftliches Gutshaus in Selchow, Neumark.
Architekt: Carl Zetzsche in Berlin.
Die Baufälligkeit und räumliche Unzulänglichkeit des alten 1701 erbauten
und nur zum kleinen Teile unterkellerten Gutshauses in Selchow
machte eine durchgreifende Erneuerung unvermeidlich. Diese konnte nur
durch einen Umbau mit entsprechender Erweiterung erfolgen, da die Lage
des Gutshauses mit dem Nordwestgiebel nach der Landstraße, mit dem
Südostgiebel nach dem Wirtschaftshofe, mit der Nordostfront an einem
sorgsam gepflegten Ziergarten und mit der Südwestseite nach dem größeren
Park mit prächtigen alten Baumgängen festgelegt und nicht zu verändern
war. Selbst die Breite des Gebäudes mußte deshalb im großen ganzen
beibehalten werden; nur nach dem Wirtschaftshofe zu war eine größere
Ausdehnung in der Längsachse möglich.
Bei sorgsamer Erwägung der vielseitigen Bedürfnisse und Wünsche
sollte das liebgewordene Alte möglichst, wenn auch nur in Anklängen,
festgehalten werden. Dadurch blieb schließlich von dem alten Bau zwar nur
verschwindend wenig, die dicken Umfassungsmauern und der tiefe, tonnen-
förmig eingewölbte Keller, erhalten, aber es entstand eine Anlage, welche
die Entwicklung aus dem alten Bau durch Wiedergabe seiner Umrißformen
deutlich widerspiegelt und eine ganz ungesuchte, wechselvolle äußere
Gliederung der Baumassen aufweist, wie sie auch bei vielen alten Bauten
einfach durch allmähliche zweckentsprechende Befriedigung der wachsenden
Bedürfnisse und nicht durch theoretisches Grübeln entstanden sein mag.
Nach dem Wunsche des Bauherrn wurde das Äußere als schlichter
Putzbau mit rotem Ziegeldach ausgeführt, der nur an den vier Giebel-

Gutshaus in Selchow. Architekt: Carl Zetzsche
2. Salonvorbau. ,n oerlin.



Gutshaus in Selchow.
3. Zugang zum Amtszimmer und Treppenhaus.

Architekt: Carl Zetzsche
in Berlin.

aufbauten in einer der Umgebung und der Ausführung durch ortsansässige
Bauleute angepaßten Weise durch eine mäßig bewegte barocke Linien-
führung und an der Gartenseite durch einen mit Säulen und Vasen ge-
schmückten Vorbau am mittleren Salon gesteigert wurde. Im Innern
wurden die Haupträume vornehm und gediegen ausgestattet. Von der
alten Einteilung wurden nur die Salons an der Gartenseite beibehalten
und die ganze Anordnung nach einem einheitlichen Grundgedanken ge-
troffen, für den die gleichzeitige umfassende Befriedigung der Ansprüche
an behagliche Wohnlichkeit, wirtschaftliche Zweckmäßigkeit und aus-
gedehnte Geselligkeit maßgebend war.
Es galt erstens die ausreichend zu bemessenden Wohnräume mög-
lichst sonnig und zusammenhängend, zugleich mit Übersicht des Wirtschafts-
hofes, des Gartens und Parkes, sowie in guter und bequemer besonderer
Verbindung mit diesen anzulegen und ihnen ein Amtszimmer für den Be-
sitzer als Gutsvorstand anzugliedern, in das ein besonderer direkter Ein-
gang vom Wirtschaftshofe erforderlich ist.
Zweitens waren fürdie umfangreiche Wirtschaftsführung sehr geräumige,
helle und zweckmäßig gelegte Küchen-, Vorrats- und Nebenräume, sowie
Gelasse für die Dienstboten zu schaffen. Drittens sollte für den ausge-
dehnten geselligen Verkehr eine entsprechende Anzahl großer, wirkungs-
voller und zugleich bequemer und behaglicher, Räume in zweckmäßiger
Anordnung derart erstellt werden, daß auch bei großen Gesellschaften die
Dienerschaft nicht unnötig durch weite Wege oder andre Unbequemlichkeiten
in der vollkommenen Durchführung ihres vielseitigen Dienstes gestört würde.
Dies ergab die aus den Grundrissen S. 86 ersichtliche Anordnung und
Gruppierung der Räume, deren Eigentümlichkeit die Vermeidung eines
Korridors zwischen den völlig einheitlich zusammengeschlossenen Gesell-
schaftsräumen und die erfolgreiche Benutzung der durch teilweise Unter-
kellerung gegebenen Höhenunterschiede im Erdgeschoßfußboden zur
Steigerung der Wirkungen bildet.
Der Haupteingang mit bequemer Vorfahrt von der Landstraße liegt
auf der Parkseite. Durch den breiten Windfang gelangen die Besucher in
die Vorhalle, an der seitlich die flach überwölbte, geräumige, mit Pelz-
schrank und Toilette versehene Herrengarderobe liegt. Die Damen legen
in der von der Diele aus zugänglichen Damengarderobe ab und vervoll-
ständigen nach der meist langen Wagenfahrt ihre Toilette. Gemeinsam
treten dann die Besucher von der Diele aus in den in der Achse des
Eingangs gelegenen ersten Salon, der durch breite Türen mit dem an-
stoßenden großen Salon und dem Spielzimmer zu einer imposanten Flucht
von Räumen verbunden ist. Der Ausbau des ersten Salons mit Ausgang
und reizvollem Ausblick in den Garten und eine Spiegelumrahmung an
der schrägen Leibung der ein paar Stufen höher liegenden Tür des Herren-
zimmers geben für den Eintretenden wirkungsvolle Abschlüsse des Bildes.
Aus dem großen Salon führt eine breite, ganz verglaste Öffnung mit
Schiebetüren in den Speisesaal, dessen Höhenwirkung für den die Stufen
Emporsteigenden wesentlich gesteigert erscheint. Auch hier bietet sich in
dem einzigen sehr großen, farbig verglasten Fenster der gegenüberliegenden
Stirnseite, das von zwei Kredenzen flankiert ist, die entsprechende Fern-
wirkung, während der Zurückblickende in der großen Schiebetür mit ihren
feststehenden Seitenteilen und den zu beiden Seiten angebauten Büfetten
ebenfalls eine einheitliche große Gruppe vor sich hat.
Die Wände des Speisesaals sind mit hohem Linkrustapaneel und

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