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Vie Überlieferung.

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Die Überlieferung.
Rembrandt hat an Lastmans Welt geglaubt und sie erlernt, wie jeder
erst in die fertig vorhandene Welt eines anderen hineinlebt und mit ihr beginnt,
bevor er sich daheraus seine eigene er-lebt. Niemand ist nur er selbst und kein
Nünstler Autodidakt. Ein jeder übernimmt anfänglich das Weltbild eines
Lehrers oder Vorbildes und damit das Endresultat der künstlerischen Weltschöp-
fungen aller vorausgegangenen Generationen. Jedes einzelne in seinen Wer-
ken dargestellte Ving stellt jene Welt dar als Ganzes und als Teil: jede Hand,
jeder Turm, jeder heilige, jede Gruppe, jede Gebärde, Aus dem Nichts kommt
niemand zu einer Varstellung der Dinge. Und im vergleich zu dem Ererbten ist
es wenig, was aus der Umwelt selbst unmittelbar in den einzelnen strömt und
ihn zu einer wahreren, eigeneren Verwirklichung „der" Welt, zur Realisierung
seiner Welt veranlaßt und befähigt.
hierbei sind die Lehren, Erklärungen und Norrekturen des Lehrers von
geringerer Bedeutung. Zis beziehen sich etwa auf Themenwahl und Auftritts-
gestaltung, Gruppenarrangement und Zigurenbildung, Bühnenbau und Lokal-
behandlung, Beleuchtung und Drapierung, Zlächenkomposition, Linienführung
und Zarbenstellung, Einzelausführung und vurchführungsgrad. Auch wo sie
über das Technische, praktische, Rezeptmätzige hinausgehen, geben sie nur
Auffassungsdogmen und Gestaltungsprinzipien, Hinweise für die Zormulierung
— aber nichts vom Weltbild selbst. Dieses teilt der Lehrer allein in seinen
Werken zur Nachahmung mit, die eben nicht nur Resultat der eigenen Befolgung
seiner Lehren und Prinzipien, sondern unmittelbar und komplex das Abbild
seiner Welt sind. Vie Lernenden nehmen dies vorläufig für die wahrste Welt,
indem sie seine Werke glauben und erlernen. Und damit wachsen sie in alles
hinein, was jene künstlerische Begreifung der Welt in sich mit einschlietzt. Sie
machen sich praktisch des Lehrers Auffassung zu eigen, was ein Bild, „die Nunst",
das Nünstlertum sei. Was sie lernen, sind nicht bloß die vinge selbst, sondern
in ihnen weit mehr: eine Zläche, ein Nörper, das Stehen, ein Grt, die Schwere,
ein Aspekt, ein Anschwellen, die Spannung zwischen den Gegenständen im
Raum, die Gegenwart, das verschwinden, das Gegenüber, das Innen, das
Oben. Venn indem sie lernend und nachschaffend erfahren, was ein Antlitz,
ein Mensch, ein Heer ist, was eine Gebärde, ein Vorgang, eine Historie oder was
ein Zutzboden, ein Palast, ein Schauplatz ist, — übernehmen sie nicht nur diese
Elemente, sondern gleichzeitig alle jene Grundanschauungen, die sich und inso-
fern sie sich implex dort verwirklicht haben: was ist eine Greisin und das Altern,
was ein Leichnam, das Sterben und der Tod? Was das Sprechen, eine Rede,
das heldische, das Evangelium, die Liebe, die Zremde, der Tag?
Später wird diese als Ganzes übernommene Welt, die dennoch von Anfang
an durch Einflüsse aus anderen Sphären durchkreuzt ist, dann von innen her
 
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