Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
köpfe.

55

Köpfe.
Insofern das menschliche Antlitz der bedeutendste Teil der körperlichen
Gesamterscheinung ist und insofern es einen körperlich-phgsiognomischen Gestus
vollführt, ist es vor seiner Verwendung im Gesamtaufbau eines Historienbildes
eine vorbereitende Zeit lang gesondert Gegenstand des gestaltenden, sich in
Teillösungen versuchenden Studiums, lvie Kompositionsentwürfe, Draperie-
studien, Figurenskizzen, so entstehen auch „Studienköpfe", lvie jene gewinnen
diese den Charakter selbständiger Kunstwerke in einer Entwicklung, die all-
mählich weniger das praktisch wirksame Kunstwerk als das Zeugnis des künst-
lerischen an sich wertet. Nun aber werden Studienköpfe auch in ihrer Struktur
ein selbständiger Bildtgpus: das Teilproblem wird in den Mittelpunkt gerückt
und verselbständigt. Diesen Bildtgpus des selbständigen Studienkopfes fand
Rembrandt in Holland fertig vor und übernahm ihn wohl von seinem Lehrer
Lastman, bevor er ihn dann selbst nochmals aus seinem eigenen lverk ent-
wickelte. Der Landsknecht der Sammlung Rohoncz ist ganz aus Lastmans
Welt verstanden (44).
Schon der Tgpus des Mannes mit den vollen Schultern, der kraftvoll
rundlichen Bildung aller Teile des Antlitzes — Kinn, Mund, Wangen, Nase,
Augen -—, mit der einfachen Haltung von Kopf und Gesicht, alles ist im Sinne
des Lehrers. Unter scharfem Seilenlicht zu starkem Relief vorgetrieben, bauen
sich die Formen in kräftiger, klarer Gruppierung auf: die Büste in stumpf-
rotem, graugefüttertem Umhang über dem gelben Gewand, darauf die von
der olivgrünen Schärpe überzogene Halsberge, aus der das gelbliche, mit Rot
belebte Antlitz zwischen dem dunkelbraunen haar heroortritt, überhangen von
dem zu bewegter Fülle gesteigerten Schlaufenrand des Federbaretts. Zu der
schrägen Schattenteilung der Hintergrundswand treten die motivische Richtung
des Mannes, die Konturen der Flächenfiguren und auch die hervorgetriebene
Körperlichkeit der Formen in eine ausdrucksvolle Beziehung.
Allein fällt nicht — mit Lastmans Augen gesehen — der Augenaufschlag
des feisten Gesichtes als ein wenig sentimental heraus aus jenem Zusammen-
hang? Gleitet die Figur nicht schräg nach links unten aus dem Bild heraus?
Ist nicht die Rundung von Schulter und Brust so unenergisch, datz das Schwert
mitten in der Brust statt unter der rechten Achsel zu stecken scheint? In der Tat
bringt die asymmetrische Fundierung der Büste auf der Grundlinie eine gewisse
Unruhe (nach links überschnitten und fortsetzbar, nach rechts der eckige, sprechende
Rückenkontur frei vom Rahmen). Der Grad der Modellierung des Baretts ist
in der Schulter so wenig durchgeführt, datz der Armansatz plastisch unwirksam
bleibt. Auch die Behandlung der Einzelformen schwankt im Charakter und
Genauigkeitsgrad,- neben der saftigen-Schwerflüssigkeit des Lastmanbaretts
erscheinen feine, detaillierte Formen mit ganz anderem Bedeutungsgehalt:
 
Annotationen