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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Schloss Rehnitz bei Soldin: (erbaut von Emanuel von Seidl, München)
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DER BAUMEISTER • 1909, OKTOBER.

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romantische Betrachtungsweise des
Vergangenen, die sich zuerst in der
Literatur des 19. Jahrhunderts an-
gekündigt hat, ging bald auch auf
die Baukunst über. Schlösser und
Rathäuser konnte man sich ohne
diesen poetischen Schimmer des
Alten gar nicht denken. Daher die
Vorliebe für Erker, Türmchen, Ecken
und heimlichen Winkel, und das Be-
streben, durch reizvolle Kontrastie-
rungen, Gegenüberstellungen von
verschiedenen Formen und Farben,
illusionistische Wirkungen zu erzie-
len, daher auch beim Publikum der
aus romantischerEmpfindungheraus
erwachsene Geschmack und die
Freude an altertümelnden Schloss-
bauten. Sehr oft begegnen sich der
Künstler und der Bauherr in ihren
Wünschen und Zielen auf demselben
Wege; jener wünscht sich eine
solche Aufgabe, die seiner Phantasie
freien Spielraum verstattet und die-
ser will einen Bau, der seinen ro-
mantischen Neigungen entspricht.
Es ist natürlich nicht immer leicht
mit solchen speziellen Absichten
des künstlerischen Ausdruckes die
praktischen Anforderungen zu ver-
knüpfen; daher die Verbindung ro-
mantischen Empfindens mit zweck-
lichem architektonischen Gestalten
selten zustande kommt; schon da-
rum, weil die Romantik der leben-
digen Gegenwart feindlich gegen-
übersteht. Und doch ist dieses Ein-
gehen einer solchen Verbindung die
erste Bedingung für die Lösung
einer Aufgabe, wie sie Emanuel

Schloss Rehnitz. Gartenseite.


v. Seidl mit der Erbauung des Schlosses Rehnitz bei Soldin für
den Geheimen Kommerzienrat Oppenheim vorlag.
Nicht nur sollte ein im landschaftlichen Bilde wirkungs-

voller malerischer Schlossbau geschaffen werden, sondern es
musste zugleich allen Anforderungen des modernen gesell-
schaftlichen Lebens, einer komfortablen Lebensführung, die


sich in vielfachen Be-
dürfnissen äussert,
Rechnung getragen
werden. Der Architekt
als derGestalterdieser
sichtbar in die Erschei-
nung tretenden Be-
dürfnisse hat allem und
jedem in entschiede-
ner Weise Ausdruck
zu geben.
Ein Blick auf den
Grundriss zeigt das
klar. Seidl gliedert das
Schloss in drei Teile,
in einen Zweck-, Nutz-
und Repräsentatiom-
bau: Herrenhaus, Ge-
sellschaftsräume, Wirt-
schafts- und Verwal-
tungsräume. Die Lage
der einzelnen Teile
entspricht auch wieder
ihrerBestimmung. Ge-
gen Süden und Osten
liegen die Räume des
Herrenhauses und die
Gesellschaftsräume,
gegen Norden und
Westen die Räume für

Arch. Emanuel von Seidl, München.

Schloss Rehnitz. Eingang in das Wirtschaftsgebäude.

die Wirtschaft und die
 
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