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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Allgemeine Städtebauausstellung 1910 in Berlin
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Sieben, C.: Ausgeführte Bauten zu Aachen
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Kalkschmidt, Eugen: Der städtische Boden und das Haus: I. Karl von Mangold
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0294

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™C;,E DER BAUMEISTER,
1910, FEBRUAR

MONATSHEFTE FÜR ARCHITEKTUR
UND BAUPRAXIS ..
VIII. JAHRGANG, HEFT 5

Allgemeine Städtebauausstellung 1910
in Berlin.
Den vom Arbeitsausschuss der Ausstellung* bisher ergangenen
Einladungen ist überall das weitgehendste Entgegenkommen
zuteil geworden. Die Herren Landesbaurat Professor Go ecke
und Architekt Herrn. Jansen haben im Interesse der Aus-
stellung den Süden, Westen und Osten Deutschlands und auch
eine Reihe von Städten Oesterreich-Ungarns bereist. Auf
diese Weise wurde bereits das Material in den Hochbauämtern
von vielen der Städte geprüft, deren städtebauliche Leistungen
nach Ansicht des Arbeitsausschusses als mustergültig zur
Ausstellung gebracht werden sollen. Unter anderem liegen
von folgenden Städten Zusagen vor: Darmstadt, Düssel-
dorf, Duisburg, Dresden, Essen, Freiburg, Mainz,
Mannheim, München, Stuttgart, Ulm, Wien, Budapest.
Ganz besonders erfreulich ist auch die rege Teilnahme seitens
ausserberlinischer Meister des Städtebaues. So wurde die Ein-
ladung zur Beschickung der Ausstellung angenommen von
Professor Theodor Fischer, Professor Richard Riemerschmid,
Architekt Lasne, Andreas Hansen, Geheimrat Professor Friedr.
von Thiersch, Professor Hocheder, Professor Gabr. von Seidl-
München; Oberbaurat Otto Wagner, Professor Ohmann, Archi-
tekt Sigfried Sitte, Professor Mayreder-Wien; Geh. Reg.-Rat
Professor Henrici-Aachen; Professor Pützer, Geh. Oberbaurat
Professor Hofmann-Darmstadt; Professor Bonatz, Stuttgart;
Direktor des Gewerbemuseums Professor Högg-Bremen; Bau-
direktor Baltzer-Lübeck; Friedhofsdirektor W. Cordes-Hamburg;
Professor Cornelius Gurlitt, Dresden und anderen. In München
hat sich für die Ausstellung ein besonderer Lokalausschuss
mit den HH. Bauamtmann Bertsch, Theod. Fischer und Lasne
an der Spitze gebildet; ebenso in Budapest unter Herrn Privat-
dozent Dr. Forbäth. In den meisten grösseren Städten hat
die Ausstellungsleitung dort ansässige Fachmänner als Berater
ins Vertrauen gezogen. Seitens Amerika wird auf eine rege
Beteiligung gerechnet. Die betreffenden Einladungen sind dem
deutschen Botschafter in Washington, Grafen Bernstorff, zur
Befürwortung übermittelt worden.
Die Geschäftsstelle teilt mit, dass sie immer aufs neue zahl-
lose Angebote von Geschäftsfirmen aller Art und selbst
von Behörden erhält, die die Ausstellung beschicken möchten.
Es gibt kaum eine Industriegattung, die nicht nachzuweisen
sucht, dass ihre Erzeugnisse im engsten Zusammenhang mit
dem Städtebau stehen. Derartigen geschäftlichen Angeboten
gegenüber kann nur wiederholt werden, dass die Ausstellung
keinen geschäftlichen Charakter hat, dass der Platz in ihr nicht
erkauft werden kann. Einladungen erfolgen auf Beschluss des
Arbeitsausschusses und haben den Charakter einer Ehrung.
Die Geschäftsstelle (Charlottenburg, Marchstr. 9) nimmt da-
gegen Vorschläge, die sich innerhalb des deutlich umschrie-
benen Rahmens des Programms halten, jederzeit gern entgegen,
um sie dem Ausschuss zu unterbreiten.
Ausgeführte Bauten zu Aachen.
Von Reg-Bmstr. Prof. C. Sieben.
Der Kindergarten in der Deliusstrasse zu Aachen wurde im
Auftrage des Aachener Vereins zur Beförderung der Arbeitsam-
keit, welcher eine Reihe ähnlicher Anstalten bereits unterhält,
errichtet. Hier werden Arbeiterkinder im Alter von 2—6 Jahren
aufgenommen, mit einfachem Handfertigkeits-Unterricht und
Bewegungsspielen beschäftigt, teilweise auch gespeist. Das
Bauprogramm enthält demgemäss Klassen- und Spielzimmer,
offene Spielhallen für den Sommer, Gärten zur Anleitung in
der Blumenpflege sowie einen Speisesaal.
Bei dem Entwurf wurden die Klassenzimmer von der ge-
räuschvollen Strasse weg nach dem Spielhof damit zugleich
nach Süden gelegt. Ferner wurden auch dem Hofe eine Haus-
meisterwohnung, sowie im Obergeschoss Wohnungen für die
Vorsteherin und die Kindergärtnerinnen untergebracht. Die
Kinder betreten die Anstalt durch das Einfahrtstor neben der
Hausmeisterwohnung, überschreiten den Spielhof und gelangen,
* Die Jury hielt ihre erste Sitzung zwecks Prüfung der Wetthewerbsarbeiten
nicht vor Mitte März fallen.

ohne Stufen zu betreten, in das Hauptgebäude. Die grosse
Flurhalle dient bei schlechtem Wetter auch als Spielraum. Die
Turnhalle erhielt Holztäfelung, die übrigen Räume einen 1,50 m
hohen Linoleum-Schutzsockel. Auf dem Spielhof ist durch
ein Holzgeländer der eigentliche Kindergarten abgetrennt, in
dem eine grössere Zahl von Gärtchen den grösseren Kindern
zur Pflege überwiesen ist.
Die Aussenseiten des Gebäudes haben einen rauhen Sockel
aus Sandbruchstein erhalten, die übrigen Aussenflächen sind
mit Terranova geputzt. Die zweckmässige Anlage und der
bescheidene, heitere Charakter der äusseren Erscheinung ver-
dient in gleichem Masse volle Anerkennung.
Von den Wohnhausbauten des Architekten bot die Villa Mathee
zu Aachen durch die günstige Lage des Bauplatzes eine be-
sonders dankbare Aufgabe. Wohn- und Stallgebäude wurden
zu einer architektonischen Gruppe vereint an die höchste Stelle
eines prächtigen Gartens gerückt. Den Mittelpunkt der An-
lage bietet eine grosse Diele, um die sich die Wohnräume
gruppieren. Die Höhenverhältnisse ergaben auf der Strassen-
seite eine Terrassenanlage, unter welcher ein Teil der Wirt-
schaftsräume zweckmässig Platz fand. Ueber diesem Sockel-
geschoss erheben sich in zwei Stockwerken die Wohnräume.
Die Fronten sind in Terranova geputzt.
Aehnliche Anlagen in Aachen, sowohl in der Gruppierung
wie in der Stilfassung, sind die beiden weiter wiedergegebenen
Wohnhäuser v. Pelser-Berenberg und Peltzer in der Nizzaallee,
einer schönen neuen Aussichtsstrasse, die leider durch ihre
doppelseitige Bebauung mit vorwiegend hässlichen Stilsurro-
gaten die einst berühmte Stadtansicht des prächtigen Lous-
berges sehr stark beeinträchtigt. — Auch bei den genannten
beiden Häusern sind Terrassen wirksam herangezogen, ebenso
bei einer kleineren Ausführung mehr ländlichen Charakters,
dem Landhause Eisner zu Aachen.
Auf liebevolle Durchbildung der weiter veröffentlichten kleine-
ren Anlagen, des Stallgebäudes, des Tennishäuschens, der
Gartenanlagen für die Villa Hupertz in Aachen, sei nur kurz
hingewiesen, trotzdem sie in der künstlerisch sonst nicht sehr be-
friedigenden architektonischenGestaltung der neuen Stadtviertel
eine erfreuliche Ausnahme bedeuten. M. H.
Der städtische Boden und das Haus.
I. Karl von Mangoldt.
Es gibt gegenwärtig wohl kaum eine soziale Frage, die mehr
in den Mittelpunkt der öffentlichen Erörterungen gehört, und
deren Konsequenzen sich fühlbarer zu einer öffentlichen Kalami-
tät ausgewachsen hätten, als die Frage unserer städtischen Be-
hausungen. Nicht allein, dass in sehr zahlreichen Grossstädten
ein teilweise schon schreiender Notstand an Kleinwohnungen
besteht, auch die Form der mittleren und selbst der sogenannten
besseren Wohnungen, die den bekannten Aufgang „Nur für
Herrschaften“ zeigen, will dem heutigen Städtergeschlecht nicht
mehr genügen. Es ist, kurz gesagt, die Mietwohnung, die mög-
lichst unpersönlich hergerichtete Etage oder Halbetage, an der
wir leiden. Leiden, zu allererst wohl in pekuniärem Sinn: die
Steigerung der Mietzinse hält mit der allgemeinen Erhöhung
der Lebenskosten nicht nur gleichen Schritt, sie eilt ihnen oft-
mals und ruckartig in so bedrohlicher Weise voraus, dass Leute
mit knappem und begrenztem Einkommen stets aufs neue die
grössten Schwierigkeiten haben, ihre Ausgaben ins Gleich-
gewicht zu bringen. Ueber dieser Sorge ist es Jahre hindurch
den meisten entgangen, was sie eigentlich an ihren hochbezahl-
ten Wohnungen besitzen oder richtiger: was sie an ihnen nicht
besitzen. Die äussere Palastherrlichkeit der grossstädtischen
Mietskasernen hat eine Weile darüber hinweggetäuscht, dass
die schematisch aneinandergereihten Raumzellen im Grunde
eine verdächtige Aehnlichkeit mit den Zellen des Gefängnisses
verraten. Heute aber, wo die Städte ihre natürlichen Grenzen
weiter und weiter hinausstrecken und ihr Wachstum kein Ende
zu nehmen scheint, erwacht selbst derüberzeugteste Grossstädter
zu neuen Bedürfnissen einer menschlicheren, das heisst hier
einer weniger städtisch gefesselten, vermauerten Existenz.
Wie aber sind diese Bedürfnisse heute zu stillen? Das Er-
wachen, so heilsam es ist, lehrt leider zugleich mit grausamer
Deutlichkeit, dass die schöne Welt der Zukunft, die der Gross-
städter für sich und die Seinen erträumt, in den Jahren unseres
gepriesenen wirtschaftlichen Aufschwunges weggegeben ist.

am 7. Februar ab. Die Entscheidung dürfte bei'dem ausserordentlichen Umfang der Arbeiten
 
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