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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Kaiserin Auguste Victoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit im Deutschen Reiche: (Alfr. Messels letzter Bau)
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0022

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DER BAUMEISTER • 1909, OKTOBER.

Schwestern und die der Schülerinnen.
Die beiden Flügelbauten zeigen in
den beiden Hauptgeschossen eine
fast gleiche Gruppierung der Räume.
Ein 2,80 m breiter gewölbter Korridor
durchzieht den Flügel von West nach
Ost; rechtwinklig zu ihm sind an
den Kopfenden der Flügelbauten klei-
nere Querkorridore in der ganzen
Breite des Flügels angeordnet. Hier-
durch ist nicht nur eine vollständige
Abtrennung der an den Kopfenden
liegenden Haupträume von dem
Mittelteil des Flügels erreicht, son-
dern vor allem ist eine ausserordent-
liche Geräumigkeit, Helligkeit und
Durchlüftungsmöglichkeit aller Korri-
dore geschaffen. Bei den Entbindungs-
abteilungen und den Wohnräumen
der Oberin und Oberschwestern
wurde von dieser Grundrisslösung
abgesehen, da hier durch eine hallen-
ähnliche Erweiterung des Korridors
selbständig abgeschlossene Raum-
gruppen gebildet werden sollten.
Besondere Sorgfalt bei der Aus-
führung hinsichtlich peinlichster Rei-
nigungsmöglichkeit wurde den Ent-
bindungsräumen zuteil; Fussboden,
Decken und Wände bestehen hier aus
weissen Fliesen, bei denen sämtliche
Ecken ausgerundet sind. In ähnlicher
Weise sind die Brüträume (Couveusen)
für schwächliche oder frühgeborne
Kinder ausgebildet, die von dem neben
ihnen liegenden Raum für die Mütter


Kaiserin Auguste Viktoria-Haus. Saal.


Arch. Ludwig Hoffmann, Berlin und Alfred Messel f.

Kaiserin Auguste Viktoria-Haus. Vestibül.

durch grosse Spiegelglaswände getrennt sind.
Die Küchenräume haben Fliesenfussboden, weiss-
glasierte Wände und ebensolche Decken erhalten,
so dass in bequemer Weise eine gründliche Rei-
nigung jederzeit durch Wasserabspülung möglich
ist. Unter Benützung von Elektrizität und Dampf
in weitestem Umfange sind hier Apparate und
Maschinen neuester Konstruktion zur Verwen-
dung gelangt; Sterilisatoren, Flaschen- und Ge-
schirrspülmaschinen, Messerreiniger, Schneide-
apparate für Brot, Braten, Schinken usw. Die
ständig gekühlte Speisekammer wird dauernd in
gleicher Temperatur von etwa 4- 5° C gehalten.
Für die Beheizung der gesamten Baulichkeiten
ist eine Fernwarmwasseranalge gewählt; die hier-
für im Kesselhause geschaffene Hochdruckdampf-
anlage wird gleichzeitig zur Bereitung des warmen
Wassers der Warmwasserversorgung, für die
Dampfkochapparate der Küche, zur Sommer-
beheizung einzelner Räume und zu anderen ma-
schinellen Einrichtungen benutzt. Die architek-
tonische Formensprache der Neubauten lehnt
sich bewusst an die trefflichen uns überkommenen
Berliner und Potsdamer Bauten aus dem Anfang
des vorigen Jahrhunderts an; die Ausführung der
Fassade geschah in matt-gelblichem Putz bei
sparsamer Verwendung von Kalksteinteilen. Zu
ihm gesellen sich in freundlich-harmonischem
Einklang das Grün der Bäume, das Rot der ruhig-
grossen Dachflächen und die weisse Sprossen-
teilung der Fenster.
Die Bauleitung lag in den Händen des Re-
gierungsbaumeisters Edmund May; die örtliche
Bauführung war dem Architekten Lehnen über-
tragen.

Verlag: Georg D. W. Callwey in München. Verantwortlich: Hermann Jansen in Berlin W. 35. Druck: Kastner & Callwey in München.
 
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