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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Weber, Paul: Städtische Kunstkommissionen, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0033

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DER BAUMEISTER ° 1909, NOVEMBER.

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Ländern eingerichtete staat-
liche Denkmalpflege über-
flüssig geworden sei. Eine
an historischen Baudenk-
mälern und malerischen
alten Strassenbildern reiche
Stadt, die plötzlich der mo-
dernen Entwicklung und da-
mit in der Regel zugleich
von habgierigem Bauspeku-
lantentum erfasst wird, ist
ein so empfindlicher und
komplizierter Organismus,
dass er sehr wohl einen
Spezial Leib- und Hausarzt
in Gestalt einer städtischen
Denkmalpflegekommission
beanspruchen darf. Eine
Behandlung des Patienten
im allgemeinen grossen
Landeskrankenhaus ist nicht
immer ausreichend. Vor
allem würde eine solche
Spezialkommission auch
darüber zu wachen haben,

Post- u. Amtsgebäude Wien-Neustadt
Pfarrgasse, Ecke Wienerstrasse.

meisten deutschen Bundesstaaten erscheint daher
eine eigene Kommission zur Behütung der städti-
schen Bau- und Kunstdenkmäler, namentlich derer
in Privatbesitz, wünschenswert. In Preussen sind
ja durch das Gesetz gegen Verunstaltung in Stadt
und Land vom 15. Juli 1907 die Kommunen erst
recht eigentlich zu Hütern ihrer Denkmäler gemacht
worden.
Es ist wohl wenig bekannt, dass schon im Jahre
1815 Karl Friedrich Schinkel in einer Eingabe an
die preussische Regierung „Schutzdeputationen in
den einzelnen Städten zur Wahrung der Verbin-
dung mit der geschichtlichen Vergangenheit des
Volkes, zur Beförderung der nationalen Bildung und
des Interesses an den früheren Schicksalen des Vater-
landes“ gefordert hat.
Zweifellos wäre viel Köstliches in unsern alten
deutschen Städten erhalten geblieben, wenn damals,
vor fast einem Jahrhundert, in der Zeit der Begeiste-
rung für nationale Denkmäler, diese „Schutzdepu-
tationen“ in den einzelnen Städten eingesetzt worden
wären. Aber eine Zeit, der nicht einmal auf politi-
schem Gebiete die Einigung des Vaterlandes gelang,
versagte natürlich auch auf diesem Teilgebiete na-
tionalen Empfindens. Wie sich in der Zeit der heili-
gen Allianz ein Mehltau auf alle vaterländischen Be-
strebungen legte, so auch auf die Ausführung dieses
so naheliegenden praktischen Vorschlages. Er ist
auf dem Papiere stehen geblieben — wie all die
schönen, von den Führern der Romantik entworfe-
nen Programme zum Schutze vaterländischer Denk-
mäler. Fast achtzig Jahre vergingen, bis in einigen
■ wenigen Städten der Vorschlag Schinkels feste Ge-
stalt gewonnen hat, achtzig Jahre, in denen grosse
Gleichgültigkeit gegen die vaterländischen Denk-
mäler sich wieder breit machte und vieles Uner-
setzliche zerstört wurde.
Jetzt nach fast einem Jahrhunderte sind es kaum
zwei Dutzend deutscher Städte, die sich einer
solchen Schutzdeputation erfreuen.
Man darf nicht ohne weiteres behaupten, dass ihre
Einsetzung durch die mittlerweile in den meisten

Post- und Amtsgebäude Wien-Neustadt. Pfarrgasse Ecke Wienerstrasse.
Arch. Siegfried Theiss und Johann Jaksch Wien-Neustadt.
 
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