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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Mühlke, Carl: Heimatskunst in Nordfriesland
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50

DER BAUMEISTER ° 1910, FEBRUAR.

die durch die
Stammeseigen-
schaften, durch
die Abgelegen-
heit von den
grossen Ver-
kehrswegen
und namentlich
durch hervor-
ragende klima-
tische Einflüsse
begründet sein
mag. Ueberall,
selbst auf der
trockenen
Geest fühlt man
denEinfluss des
nahen Meeres.
So haben die
frischen, vom
Meere her we-
henden Winde
vor allem der
Bauart des
Nordfriesen ih-
ren Stempel aufgeprägt. Diese Bauformen geben uns daher
einen vorzüglichen Fingerzeig, wie man dem seitlich eindringen-
den Wind und Wetter
widerstehen kann.
Während auf dem Fest-
lande hinter dem hohen
Seedeich eine dichte
Baumpflanzung genügt,
um die schlimmste Wir-
kung des Windes abzu-
fangen, sind auf den kah-
len Flächen derlnseln alle
möglichen Vorkehrungen
getroffen, um dem See-
winde seine zerstörende
Kraft zu nehmen. Den
kleinen,unter dem Schutz
des Hauses angelegten
Garten umgibt ein mit
Steinpackungen ge-
sicherter Erdwall, dem
vielfach ein Staketzaun
aufgepfropft ist. In der
nach Ost gebogenen Ge-
stalt des Astwerkes und
der wie mit einer Schere
abgeschnittenen Gestalt
des Laubes, das nur wenig
über die Höhe der Schutz-
wehr emporsteigt, sieht
man die Einwirkungen
der Luftbewegung. Selbst
dieSeitenwände des Hau-
ses ragen nur wenig über
die Umgebung hervor, so
dass es den schrägen Flä-
chen der Dachdeckung
überlassen bleibt, die
Luftströmung nach oben
abzulenken.
Die geringe Höhe des
ganzen Hausbaues wird
durch den schmalen,
langgestreckten Grund-
riss der einzelnen Flügel
erzeugt. Nicht unähn-
lich einem umgekehrten
Schiffskiel liegen die Bau-

ten mit ihrem
Schilfdach auf
der flachen
Heide. Dabei
ist das eigent-
liche Haus von
West nach Ost
so orientiert,
dass die Haupt-
fenster nach Sü-
den weisen und
die Stürme un-
gehindert um
den an den En-
den mit Wal-
men abge-
schlossenen
Bau herum-
brausen kön-
nen. Ungefähr
in der Mitte des
Langdaches
überragt ein
schmaler Gie-
bel die Ein-
gangstür, früher die Heulucke umschliessend, in späterer Zeit
einer Dachstube Raum gebend. Bei erweitertem Betriebe der
Landwirtschaft behalf
man sich mit den ver-
schiedensten Anbauten,
die sich meistens haken-
förmig an den Hauptbau
anschliessen und mit je-
nem vereint den Haus-
garten schirmend um-
grenzen. Gemeinschaft-
lich mit dem Giebel über
der Mitte des Hauptbaues
bilden die Dächer dieser
Anbauten mit den herauf-
gezogenen Dachflächen
über der Tenneneinfahrt
und den tiefer geführten
Rethdecken der Borsten-
tierställe eine äusserst
malerische Umrisslinie,
deren natürliche und
zwanglose Herstellung
allerdings nur durch die
Verwendung der Reth-
bedachung ermöglicht
wird.
Die Eigenart des friesi-
schen Ziegelbaues ist ge-
rade bei den kleineren
älteren Bauten am besten
erhalten. Die breiten,
niedrigen Fenster greifen
mit ihrem wagerechten
Sturz so dicht unter das
Rethdach, dass hier viel-
fach kaum Raum für eine
scheitrechte Wölbung
verbleibt. Dabei unter-
bricht die Spiegelung der
Scheiben und das Weiss
des Fensterrahmens die
ruhige Fläche des Ziegel-
rots der Wände recht an-
genehm. Letzteres wird
schon dadurch etwas ge-
mildert, dass zum Fugen
der Steine heller Muschel-



Arch. Carl Ruth Dresden.

Rathaus in Cassel. Mittelpartie an der Königstrasse.
 
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