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Baumeister: das Architektur-Magazin — 8.1909/​1910

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Schoenfelder, Lothar Bruno Karl: Die Architektur Italiens, ein Ergebnis klimatischer Verhältnisse, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0112

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102

DER BAUMEISTER » 1910, JUNI.

hat. Wie einst in Griechenland
bei den Ausgrabungen in Del-
phi, Olympia, Athen und
Pergamon erst der konstruk-
tiv denkende Architekt den
Schlüssel gefunden hat zum
Verständnis der Formenwelt,
so kann auch das Verständnis
der italienischen Formen-
sprache uns erst aufgehen,
wenn wir die vielen konstruk-
tiven Fragen studieren, welche
bestimmend auf die Bauweise
der Renaissance in Italien ein-
gewirkt haben, wenn wir die
Konstruktionsmöglichkeiten
untersuchen, welche die italie-
nische Sonne, das italienische
Klima gewähren.
Es kann nicht die Aufgabe
einer kurzen Erörterung dieses
Themas in einer Zeitschrift
sein, eine Gedankenreihe über
ein derartiges Thema bis zum
letzten Ende erschöpfend zu
verfolgen. Aber ich möchte
doch wenigstens an Hand einer
Anzahl von Beispielen andeu-
ten, nach welcher Richtung



♦Rittergut Peseckendorf. Rundsaal.
des Hauses fernzuhalten. Die Lichtöffnungen wiederum werden be-
stimmt durch das Lichtmass, welches das Klima des Landes hergibt.
Die Türgrössen endlich werden einem mehr subjektiven Bedürfnis
entsprechend je nach dem Bedürfnis nach Schutz vor irgend welchen
Feinden, oder, beim Wegfall eines solchen Schutzbedürfnisses, je nach
dem Bedürfnis nach Pomp und glänzendem Aufwand eingerichtet,
mit dem der Besitzer des Hauses seinen Mitmenschen zu imponieren
beabsichtigt.
Wie verschieden die klimatischen Verhältnisse, d. h. der Niederfall
von Regen und Schnee sein müssen südlich der Alpen und nördlich
von ihnen, das drängt sich dem Beschauer auf in den wenigen
Stunden, wo er auf der Gotthardbahn dahineilend aus den letzten
südlichen Schweizer Kantonen im Norden der Alpen in das politisch
noch zur Schweiz gehörende, dem Volkstypus nach durchaus italienische
Gebiet südlich der Alpen gelangt. Dort das steile, weit überhän-
gende Dach, das vor allen Dingen dem Bewohner über den langen
Winterschlaf des Landes im gut geschützten Nest hinweghelfen soll.

meine eigenen Beobachtungen gegangen
sind.
Wenn man es als feststehend betrachtet,
dass jedes architektonische Schaffen im
letzten Ende den Zweck verfolgt, ein
schützendes Dach über dem Menschen
zu bauen, so ist klar, dass in erster
Linie durch die Bildung des Daches das
äussere Bild des Hauses bestimmt wird.
In zweiter Linie beeinflusst die Frage,
wie weit die Wände geöffnet werden für
das Eindringen des Lichts, wie weit sie
ferner geöffnet werden für den Verkehr
der Menschen, im höchsten Masse die
architektonische Erscheinung eines Ge-
bäudes. Das Dach und seine Ausbildung
bestimmt den Gesamteindruck eines
Baues am zwingendsten und die Dach-
bildung wieder ist ein Ergebnis der
Bemühungen des Architekten, Wind,
Regen und Schnee in möglichst voll-
kommener Weise von den Bewohnern
*Arch. Paul Schultze-Namburg, Saaleck.
Landhaus Swinemüude. (Taf. 70/71.)
 
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