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Jansen, Hermann: Die allgemeine Städtebau-Ausstellung Berlin 1910, [1]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.53857#0132
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DER BAUMEISTER • 1910, AUGUST.
♦Arch. M. Berg, Breslau. Lageplan.
Heute, in unserer vorgeschrittenen Zeit, werden
Kulturstätten wohl nicht mehr vernichtet werden, wenig-
stens nicht in dem Sinne früherer Jahrhunderte; ihr
äusseres Bild wird sich höchst wahrscheinlich im we-
sentlichen erhalten. Die einzelnen Häuser einer Stadt
ändern von Jahrhundert zu Jahrhundert ihr Aussehen
mehr oder weniger; ist ihre Gesamtanordnung glück-
lich, wird sie es bei einigermassen verständiger Lei-
tung auch bleiben. Aber in anderem Sinne werden
Städte zerstört, sie tragen von vornherein den Todes-
keim in sich, ehe sie sich überhaupt auswachsen; sie
werden als Krüppel geboren und zwar durch die un-
selige Form, in die man sie zwingt. Man unterbindet
von vornherein der folgenden Generation jede Be-
wegungsfreiheit in der Art und Weise, wie Häuser,
Strassen, Plätze, Freiflächen anzuordnen sie für gut
und nötig befindet. Das Gelände der künftigen Stadt,
über deren Entwickelungsfähig-
keit und -möglichkeit niemand
zuverlässigen Aufschluss geben
kann, wird dem internationalen
Schematismus irgend eines Be-
bauungsplanfabrikanten ausge-
liefert und sie soll darin hinein-
wachsen wie der Obstbaum an
das breitgespreizte Lattenwerk
des Spaliers. Die Früchte, die
sich da ergeben, kennen wir zur
Genüge. Eine ganze Generation
hat sich den Magen daran ver-
dorben und noch viele Jahr-
zehnte und Jahrhunderte lang
wird der Organismus der Städte
und Ortschaften schwer hierun-
ter zu leiden haben. Ein ein-
ziger Federstrich kann der
Stadt zu dauerndem Unheil
werden, kann ihr zu einem
Schlage werden, von dem sie
sich überhaupt nicht erholen
wird. Ist so ein bis in den letz-
ten Winkel hinein detaillierter
Bebauungsplan der Stadt sank-
tioniert, ists vorbei mit allem
Raten und Warnen. Wenigstens
wars bisher so. Ein einziger
Fall entscheidet über das äussere
Bild und die Entwickelungs-
Voischlag zur Ueberbauung des freiwerden-
den Geländes des Hauptbahnhofs
zu Karlsruhe.
Arch. Heinrich Sexauer, Karlsruhe.
DER BAUMEISTER • 1910, AUGUST.
♦Arch. M. Berg, Breslau. Lageplan.
Heute, in unserer vorgeschrittenen Zeit, werden
Kulturstätten wohl nicht mehr vernichtet werden, wenig-
stens nicht in dem Sinne früherer Jahrhunderte; ihr
äusseres Bild wird sich höchst wahrscheinlich im we-
sentlichen erhalten. Die einzelnen Häuser einer Stadt
ändern von Jahrhundert zu Jahrhundert ihr Aussehen
mehr oder weniger; ist ihre Gesamtanordnung glück-
lich, wird sie es bei einigermassen verständiger Lei-
tung auch bleiben. Aber in anderem Sinne werden
Städte zerstört, sie tragen von vornherein den Todes-
keim in sich, ehe sie sich überhaupt auswachsen; sie
werden als Krüppel geboren und zwar durch die un-
selige Form, in die man sie zwingt. Man unterbindet
von vornherein der folgenden Generation jede Be-
wegungsfreiheit in der Art und Weise, wie Häuser,
Strassen, Plätze, Freiflächen anzuordnen sie für gut
und nötig befindet. Das Gelände der künftigen Stadt,
über deren Entwickelungsfähig-
keit und -möglichkeit niemand
zuverlässigen Aufschluss geben
kann, wird dem internationalen
Schematismus irgend eines Be-
bauungsplanfabrikanten ausge-
liefert und sie soll darin hinein-
wachsen wie der Obstbaum an
das breitgespreizte Lattenwerk
des Spaliers. Die Früchte, die
sich da ergeben, kennen wir zur
Genüge. Eine ganze Generation
hat sich den Magen daran ver-
dorben und noch viele Jahr-
zehnte und Jahrhunderte lang
wird der Organismus der Städte
und Ortschaften schwer hierun-
ter zu leiden haben. Ein ein-
ziger Federstrich kann der
Stadt zu dauerndem Unheil
werden, kann ihr zu einem
Schlage werden, von dem sie
sich überhaupt nicht erholen
wird. Ist so ein bis in den letz-
ten Winkel hinein detaillierter
Bebauungsplan der Stadt sank-
tioniert, ists vorbei mit allem
Raten und Warnen. Wenigstens
wars bisher so. Ein einziger
Fall entscheidet über das äussere
Bild und die Entwickelungs-
Voischlag zur Ueberbauung des freiwerden-
den Geländes des Hauptbahnhofs
zu Karlsruhe.
Arch. Heinrich Sexauer, Karlsruhe.