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habe bis jetzt fast immer in der Residenz gelebt und
Sie kennen die vielfachen Beziehungen, welche meine
Familie dort hat. Daß es in einer Garnifonsstadt
gewöhnlich verteufelt langweilig hergeht, weiß ich.
Man trinkt Mittags feinen Kaffee in einer Konditorei,
langweilt sich Nachmittags um die Wette und fetzt
dies des Abends bei einem Glase Wein fort. Die
Menschen einer kleinen Stadt find zu beschränkt, um
mit ihnen verkehren zu können, sie gehören fast stimmt-
lieh dem Bürgerthum an und ich liebe dasselbe nicht!"
„Selditz, Sie haben nicht ganz Unrecht!" rief der
Lieutenant v. Windhofs. „Platen ist wie immer sehr
bescheiden, allein langweilig ist es hier sehr oft, es
soll hier sogar kürzlich ein alter Mann aus Langer-

Dom Mel.
Kriminalcrzählung
von
Friedrich Friedrich.
In einem Garten der Garnisonsstadt M. war
Militärkonzert. Es Pflegte die feine Gesellschaft von
M. sich bei dieser Gelegenheit hier zu treffen, und die
ganze Einrichtung des Gartens, die zierlichen Stühle
und Tische, die Sauberkeit der Gänge und auch die Preise
waren für ein gewühltes Publikum berechnet. Unter den
hohen und großblättrigen Platanen, deren Zweige sich zu
einem dichten Dache wölbten, saß es sich kühl und luftig.
An einen: Tische hatten fünf junge
Männer Platz genommen, der Premier-
lieutenant v. Platen, die drei Lieu-
tenants Freiherr v. Windhoff,
v. Palin und v. Cronach, der fünfte
war der Baron Alexander v. Selditz.
Selditz war früher auch Offizier
gewesen, er hatte sogar bei demselben
Regimente, dem die Lieutenants an-
gehörten, gestanden, jedoch schon vor
einem Jahre seinen Abschied genom¬
men, Weik er sich im Avancement über-
gangen wähnte und ihm überhaupt
die strengen Pflichten des Dienstes
wenig zufagten.
Er war einige Jahre älter als die
Offiziere, eine große Gestalt mit etwas
verlebten, aber durchaus nicht unin-
teressanten Zügen. Ein stolzer, sich
überschätzender Charakter, der bei jeder
Gelegenheit den alten Stammbaum
seiner Familie hervorhob und von je-
her darauf gepocht hatte, daß derselbe
älter war als der manches Generals.
Er war erst vor zwei Tagen in
M. angckangt, hatte mit den früheren
Kameraden in dem Garten zu Mittag
gespeist und die lustige Stimmung
des Diners hallte bei ihnen noch nach,
wahrend sie den Kaffee tranken und
auf die Klänge der Musik lauschten.
„Wirklich ganz hübsch hier!" ries
Selditz, indem er sich auf dem Stuhle
zurückbog und den Dampf der Cigarre
langsam in die Luft blies. „Als ich
die Residenz verließ, nm mich hieher
zu begeben, glaubte ich nicht, daß man
hier anständig existiren könne." x
! „Die Ansicht war für uns keinKom- ll
Pliment, da wir sämmtlich hier bereits O
über ein Jahr stehen," warf der Pre-
mierlieutenant v. Platen lächelnd ein.
„Kamerad, so hatte ich es nicht
gemeint," erwiederte Selditz. „Ich

weile gestorben sein, aus Ehre! Nun sagen Sie aber,
was Sie nach M. geführt hat."
Der Baron zuckte mit der Achsel uud strich mit
der Linken den ziemlich langen und sorgfältig gepfleg-
ten Schnurrbart.
„Meiu Onkel," gab er dann kurz zur Antwort.
„Ihr Onkel?" wiederholte v. Cronach, der jüngste
der Lieutenants. „Das begreife ich wahrhaftig nicht.
Ist er denn hier?"
„Cronach, Sie werden noch Manches in Ihrem
Leben hören, was Sie nicht begreifen, und es ist auch
uicht nöthig," gab Selditz zur Antwort. „Mir wäre
es wenigstens lieb, wenn ich Einiges nicht Legriffeil
hätte," fügte er beruhigend hinzu, da er an dem Blicke
des Lieutenants gesehen, daß seine
Worte ihn verletzt hatten. „Ich will
Ihnen die Sache erklären, sie ist sehr-
einfach, wenn sie auch nicht sehr an-
genehm ist. Mein Onkel ist sehr reich
und ich werde ihn einst beerben, diese
Aussicht ist sehr hübsch, vorläufig hat
mein Onkel jedoch in seinem alten
Kopfe oft unerträgliche Launen rind
Grillen und ich muß sie bis zu einem
gewissen Punkte ertragen, denn ich
mag ihn nicht erzürnen, weil er meine
Schulden zu bezahlen Pflegt. Null ist
der alte Mann auf die tolle Idee ge-
kommen, daß das Leben in der Resi-
denz mich zu sehr aufreibe und über-
haupt allzu verführerisch auf mich
einwirke; um mich an ein einfacheres
Leben zu gewöhnen, hat er mir die
Bedingung gestellt, einige Zeit hier zu
leben, und gutmüthig wie ich bin,
habe ich seinem Wunsche nachgegeben.
Da haben Sie die Aufklärung!"
„Baron," rief Windhoff lachend,
hoffentlich werden Sie hier nun sehr
eingezogen leben!"
„Nicht ganz," entgegnete Selditz.
„Ich werde mich bemühen, meinem
Onkel zu beweisen, daß niein Leben
hier für ihn noch theurer ist als in
der Residenz und daß er mich selbst
bittet, dorthin zurückzukehren."
Die Lieutenants lachten, Windhoff
fand diese Idee sogar göttlich.
„Sie werden mich hoffentlich in
diesem Vorhaben unterstützen," fuhr
der Baron fort. „Sie wissen, alte
> Leute lieben die Thatsachen. Mein
f./ /s Onkel wollte mir nicht glauben, als
ich ihm sagte, der Wechsel, den er mir
für M. bewilligt, sei zu gering — nun
werde ich es ihm beweisen!" i . .
Er schien noch etwas hinzufügen
zu wollen, seine Aufmerksamkeit richtete

Verl ha Ehun, k. k. Hüsaperniniigcria in ANen.^
Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (G-
 
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