Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext


die I a v a n e s i n.
Erzählung
von
Friedrich Gerstäcker.
(Fortsetzung.)
In der Küche hatten die sämmtlicheu Dienst-
boten, von denen ein solches Haus wie van der
Roest's gewöhnlich zwölf bis vierzehn hielt, allabendlich
bis zum Schlafengehen ihre Zusammenkunft oder ihr
Vereinslokal. Dort saßen sie entweder im Inneren oder
vor der Thüre im Freien und plauderten und lachten
mit einander. Die Tagesarbeit war vorüber, und
die mattbrennenden Cocosöl-Lanipen gaben doch ein
zu düsteres Licht, als daß man dabei noch etwas hätte
schaffen können; der Herrschaft aber
fiel es selbstverständlich nicht ein, für
diese Menschenklasse eine andere Be-
leuchtung zu halten. Was sie denn
brannten, waren einfach Nalurlampen.
Eine Cocosnußschaale halb mit dem aus
der Nuß gewonnenen Oel gefüllt, ein
Docht von roher, draußen gepflückter
Baumwolle gedreht, und ein Stück breiten
Bananenblatts als Schirm gegen den
wehenden Luftzug ausgestellt.
Eoerhard Kiesheer schritt langsam
über den Platz hinüber den Lichtern
zu. Er war sich recht gut bewußt,
daß er hier etwas that, was mit den
eigentlichen Gebräuchen Indiens in
grellem Widerspruch stand, indem er
„Notiz nahm" von irgend welchem der
Dienstboten, die als untergeordnete
Wesen keine Beachtung verdienen durften.
Aber er fühlte sich auch unabhängig
genug, um auf solche Etikette keine
Rücksicht zu nehmen. Er war Künstler,
und gerade durch seine Kunst stand er
srei und unbeschränkt allen lästigen und
ungesundenVorurtheilen gegenüber. Was
kümmerte ihn die herzlose Welt, wenn
er einem armen unglücklichen und
alleinstehenden Wesen eine Freuds machen
konnte! —
Festen Schrittes verfolgte er auch
seine Bahn, bis zu der Dienerschaft
hinüber, und die Leute sprangen über-
rascht empor, als sie einen der fremden
Tuwans so plötzlich mitten zwischen sich
sahen. Sie kannten ihn aber Alle und
hatten ihn lieb, denn er war immer
freundlich und gut mit ihnen gewesen.
„Guten Abend, ihr Leutes" sagte
Eberhard und hielt dabei das Bild
noch immer unter dem Arm, „bleibt
ruhig sitzen — ich suche nur Jemanden

— ist Alima nicht — ah, da bist Du, Kind! — Du
weißt doch, was ich Dir versprochen habe?"
Alima, die in einer kleinen Gruppe vou Mädchen
saß, war bestürzt und erschreckt aufgesprungen, als sie
ihren Namen nennen hörte, setzt stand sie Vor Ever-
hard und wirklich erstaunt blickte sie dieser an, denn
so schön, so lieb und hold tvar ihm die Maid noch
gar nicht erschienen.
Sie ging natürlich nur in die einfache Tracht
der Dienerschaft gekleidet; ein dünner Sarong aus
weichem Baumwollenzeug umschloß ihre Hüften, eine
Jacke aus ähnlichem Stoff deckte ihre Schultern und
das volle schwarze lockige Haar umwallte ihr dabei
die Schläfe; schlank und doch üppig gebaut hob sich
ihre Gestalt empor, und die'dunklen seelenvollen Augen
blickten ihn jetzt mit einer solchen Unschuld und doch

. auch wieder kindlicher Freude an, denn sie sah ja, was
er für sie unter dem Arme trug, daß er den Blick
nicht losreißen konnte von der holden Gestalt und
fast vergaß weshalb er hergekommen.
„Tuwan?" flüsterte das Mädchen schüchtern.
„Ich habe Dir das Bild gebracht, Alima," sagte
der junge Holländer freundlich, „es ist wirklich der
frühere Wohnplatz Deines unglücklichen Vaters, so hat
es ja doch für Dich den größten Werth."
„Aber darf ich es nehmen, Tuwan?" frug.die Maid
scherr — „und soll ich es behalten? Nonna wird es
! nicht leiden oder böse darüber werden."
„Und was hat Nonna*) damit zu thun?" frug
Eberhard zurück; „nein, Kind, sorge Dich nicht deshalb.
! Wenn sie es erfahren lind Dich darum fragen, so sage
j Du ihnen nur ganz einfach, daß ich es Dir geschenkt
hätte und Dn es behalten solltest. Ich
bringe Dir dann morgen noch eine
kleine feste Mappe nut, in die Du es
hineinlegcn kannst, damit es nicht zer-
drückt und dadurch verdorben wird.
— Es ist gut, Kind," sagte er, als
Alima dem Gefühl ihrer Dankbarkeit
Ausdruck zu geben versuchte. Damit
ging er, während die Leute sich jetzt um
Alima herdräugten, um das kostbare
Geschenk zu betrachten.
In dein Hause war er indessen
wohl nur von Willemina vermißt
worden.
„Aber Mynheer," sagte diese, als
er in den Saal trat, „wo haben Sie
nur gesteckt? Ich suchte Sie überall
vergebens. Wir wollen gern ein bischen
tanzen und Sie verstehen das am besten
einzurichten."
„Mein liebes Fräulein," lächelte
Everhard. „Ist es dazu nicht noch
ein wenig zu früh — wir haben den
ganzen Abend vor uns."
„Desto besser — sonst wird außer-
dem immer gleich wieder aufgehört,
sowie wir nur recht im Zug sind. Zu
sinh kann man gar nicht anfangen
- Bitte, bitte!"
„Wenn Sie es wünschen, von Herzen
gern — soll ich spielen?"
„Sie? —nein, sicher nicht, denn
Sie brauchen wir uothwendig zum
Tanzen — Jnssrouw Bodemer wird das
schon übernehmen," lachte die junge
Dame, „und thut das auch sehr gern,
denn sie hat dadurch die beste Ent-
schuldigung, wenn sie nicht mehr zum
L.anz selbst aufgefordert wird."
'') Nonna, der malayische Namen für Fräu-
leü,) Nyonja silr Fran.

Friedrich Ger-stärker. (S. 41L.)
Pach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb.
 
Annotationen