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schritten jetzt Paar-
Schulze, ein alter
ihm uach die drei

Hcrmaiul Gri-uitt. Nach einer Photographie gezeichnet Non C. Kolb. (S. 490.)

Dorf geladenen Gäste zu empfaugeu. Es mar ein wunder-
schöner Frühlingstag; weit umher breiteten sich herz-
erfreuend die üppig grünenden Felder und Wiesen
aus. Von dem Weidengebüsch am Bach, dessen gelb-
grüne Blüthenkätzchen förmlich leuchteten, klang das
vielstimmige fröhliche Schnarren der Staare und unter
dem leicht verschleierten Himmelsgewölbe trillerten und
jubilirteu die Lerchen in vollster, wonnigster Früh-
jahrslust, während aus dem Boden der kräftige,
eigenthümliche Erdgernch der frischgepftügten Scholle
stieg. Dem Wasselmeyer wurden die alten Augen
feucht; es war ihm, als ob ihm das Alles noch nie-
mals so zu Herzen gesprochen habe. Doch jetzt nahte
sich vom Dorfe her der Zug der Geladenen; der alte
Wehrfester richtete sich stramm ans, es durste ja auch
im Entferntesten nicht den Anschein haben, als ob
ihn der Schritt, den er zu thun im Begriff staud,

reue. Durch das ofseue Hofthor
weise die Männer, voran der
Mann mit schlohweißem Haar,
Bauernnister. Sie alle begrüßten den Wehrfestcr mit
einem Handschlage und dem gewohnten: „Guten Tag,
Wasselmeyer!" eine Anrede, die von heute ab erlosch
oder weuigstcus nicht mehr zu Recht bestand, denn
von deni Tage der Besitzergreifung an war der An-
erbe der eigentliche „Wasselmeyer", während der-
jenige, welcher bisher diesen Titel geführt Halle, unter
seinem eigentlichen Familiennamen „Wasselmanu" der
Zahl der sogenannten Hintersassen angchörte.
Der alte Baner lud, wie üblich, seine Gäste ein,
sein Hans zu betreten, doch diese antworteten ein-
stimmig: „Mit Vergunst, Wasselmeyer, wir wollen
den Anerben empfangen." Man stand nun eine Weile
in halblautem Gespräch beisammen, allein,, wie es in
der Erwartung kommender Dinge zu ge-
schehen Pflegt, die Rede stockte bald wieder
und je länger desto öfter richteten aller
Augen sich ans den Weg, von woher der
Erwartete kommen mußte. Der und
jener zog, halb verstohlen, aus der Westen-
tasche seine dicke silberne Uhr,' uni sie
über die bereits mit Warten verbrachte
Zeit um Rath zu fragen. Dem Wassel-
meyer stand es feucht auf der Stirn,
trotzdem doch die Lieft so übermäßig
warm nicht war. Diese Rücksichtslosigkeit
seines Sohnes verdroß den alten Mann,
wie noch selten etwas in seinem Leben.
Endlich ries er dem Gesinde, das in
bescheidener Entfernung auf dem Haus-
flur stand, zu, Stühle herauszubringen,
damit man sich wenigstens fetzen könne.
Doch der Schulze unterbrach ihn: „Laßt,
Wasselmeyer! Wenn mich meine alten
Augen nicht trügen, so kommt da hinten
aus dem Wege etwas ungefähren!"
Es war in der That so, zwei Wagen
nahten, einer hinter dem anderen. Die
Männer ordneten sich zu beiden Seiten
der Hausthüre. Von ihnen abgesondert
stand inmitten der Wasselmeyer und der
alte Schulze. Die beiden Wagen fuhren
. jetzt durch das weitgeöffncte Hofthor und
hielten auf dem Grasauger vor dem
Hause still. Von dem ersten derselben
sprang rasch der Anerbe; etwas langsamer
folgten mehrere jüngere, städtisch geklei-
dete Leute. Von dem zweiten stiegen
einige Knechte und Mägde, sowie ein
etwas auffällig und bunt angepntztes
Frauenzimmer. Der junge Bauer bedeu-
tete feine Geführten halblaut, in einer
kleinen Entfernung zurückzubleiben, dann
ging er festen Schrittes auf die unbe-
weglich dastehende Gruppe zu.
I 62

Auf dem AltcutheUe.
Eine Dorfgeschichte aus Niederdeutschland
von
T h. I u st u s.
(FoUetznng.)
Marieken schwieg. Sie mochte es dem Alten nicht
verrathen, wie sie von einem der Knechte, der einen
Wagen voll Möbeln vom Holterhof herüberbrachte,
vernommen, daß die junge Frau sammt den Kindern
bei ihren Eltern in der Stadt sei und erst nach acht
bis vierzehn Tagen ihrem Manne folgen werde. Doch
schon am folgenden Morgen brachte eben der näm-
liche Knecht bei einer abermaligen Fuhre einen Bries
des jungen Bauers mit, in welchem dieser dem Vater
auf dessen.ausgesprochenen Wunsch die genaue Stunde
seines Eintreffens für den folgenden
Tag, zehn Uhr Vormittags, bestimmte,
zugleich aber bat, seine Fran zn ent-
schuldigen , da dieselbe bei der Einzugs-
feierlichkeit nicht zugegen sein werde.
„Amaliens noch sehr angegriffene
Gesundheit bedarf durchaus der Scho¬
nung," schrieb der junge Hofbesitzer, „und
jede Aufregung schadet ihr. Sie hat daher
vorgezogen, so lauge bei ihren Eltern zu
bleiben, bis in unserer neuen Häuslichkeit
Alles wieder zur Ruhe gekommen und
geordnet sein wird..."
Der Wasselmeyer schleuder e den Brief,
nachdem er ihn gelesen, mit eurer heftigen
Bewegung auf den Tisch. „Zur Ruhe
kommen? geordnet sein?" grollte er.
„Wie foll's denn zur Ruhe und wie
soll's zur Ordnuug kommen, wenn nicht
unter den Augen der Frau? Denkt
sie vielleicht, daß von selbst Alles an
feinen Platz fliegt und daß die Dienstboten
keine Anleitung und keine Aufsicht uöthig
haben?"
Die Freude an dem morgenden Tage
war dem alten Manne vergällt; er
schämte sich förmlich, seinen Leuten
Mittheiluug von dieser Anordnung zn
machen und dieselbe gewissermaßen vor
ihnen vertreten zu sollen. Erst gegen den
Abend hin erwähnte er wie beiläufig
gegen Marieken, sie habe doch recht
gemuthmaßt, die Frau fei immer noch
mcht so ganz wohlauf und werde wahr-
fchemlich nicht morgen, sondern erst sväwr
eintreffen. . .
, Obschon aber seine Fefttagsstimmnng
einen bedeutenden Stoß erlitten hatte,
so stand doch der alte Wasselmeyer
feierlich und würdig am anderen Morgen
in der Thüre seines Hanfes, nm die aus dem
 
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