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Fnf -em MenLheile.
Eine Dorfgeschichte aus Niederdeutschland
von
Th. Jnsttts.
(Fortsetzung und Schluß.)
Der Agent klopfte Hermann mit einem boshaften
Lächeln auf die Schultern. „Ereisre Dich nicht, Schatz!
Ich seh's ja, Du bist eben da, wohin ich Dich haben
wollte. Du mußt durchaus selbstständiger werden
und mehr Kapital aus Deinem Besitzthum schlagen.
Hätte ich armer Schlucker nur den fünften Theil von
dem, was Dir zugesallen ist, ich würde es — mein
Wort daraus — binnen zehn Jahren zum Millionär
bringen. Willst Du aber wirklich in's Zeng gehen
und die Sache recht ernstlich betreiben, ich meine,
gleich in etwas größeren Dimensionen,
so stelle ich mich Dir mit all' meinen
kaufmännischen Verbindungen zur Ver-
fügung und es müßte wunderlich zu-
gehen, wenn zwei Kerle wie Du und
ich nicht etwas Ordentliches zu Stande
brächten ... Nicht wahr, verehrte Frau,"
wandte er sich verbindlich an die gerade
eintretende Fran vom Hanse, „so wie
ich nur die Sache ansehe, kann cs durch-
aus nicht Ihr Wunsch sein, hier auf
dem platten Lande unter ungebildeten
Bauern Ihr Leben zu verbringen?
Nun also, was liegt da näher, als
daß man sich bei Zeiten rührt und
sein Schäfchen in's Trockene zu bringen
sucht? Nachher kann mall sich stin
Leben dann gemächlich einrichten wo
und wie man will, in die Stadt ziehen
— o, ich würde gar nicht einmal mit
unserer Stadt hier zufrieden sein, ich
denke da z. B. an Berlin oder Dres-
den — und sich alle möglichen Lebens-
annehmlichkeiten verschaffen."
„Ach ja, ill die Stadt, in irgend
eine Stadt zöge ich lieber heute als
morgen!" meinte erregt die junge Frau.
„Das Leben auf dem Lande ist wirklich
langweilig. Mall kommt ja am Ende
in Gefahr, selbst mit zu verbauern."
„Das hätten nun Sie allerdings
niemals zu befürchten!" meinte galant
der Agent. „Aber auch ohnedies, halten
Sie nur Ihren Mann dabei, daß er
nicht zu zaghaft sein soll, sich an wirklich
gewinnbringenden kaufmännischen Un-
ternehmungen zu betheiligen. — Ich
kenne meinen Freund," fuhr er, da
Hermann von einem der Knechte ab-
gerufen gerade das Zimmer verließ,
fort, „er ist leicht für irgend eine

Sache zu gewinnen, aber eben vor der Ausführung
kommen ihm immer allerlei Zweifel nnd Bedenken
und die eben sollen Sie besiegen helfen. Wenn mir
erlaubt ist, es auszusprechcn, so möchte ich sagen, es
gilt da, den Einfluß Ihres Schwiegervaters zu be-
kämpfen , der fo sehr in den Traditionen seines
Standes und der Sehen vor Geldausgaben befangen
ist, daß er nicht einsieht, wie sich mit hundert Tha-
lern, zur rechten Zeit angelegt, Tausende verdienen
lassen."
In vollster Ueberzeugung stimmte die junge Frau
zu, entschlossener als je, ihren Mann nach Möglichkeit
dem Einfluß des eigensinnigen und beschränkten alten
Mannes unzugänglich zu machen.
8.
Im Altentheilerhause ahnte man natürlich nicht,
daß der Versucher bereits seine Minen legte, so vieles,

vieles es auch gab, was der alte Wasfelmeyer mit
Kopfschütteln und betrübten Miellen sah und hörte.
War es ihm schon im Sommer mit der Ernte nicht
rasch und stetig genug gegangen, so konnte er sich
vollends nicht beruhigen über die späte und nachlässige
Bestellung der Wintersaat, und obgleich er sich eigent-
lich vorgenommen, nichts mehr ill die Wirthschast
drein zu reden, so konnte er es jetzt doch nicht unter-
lassen, eigens einen Gang hinüber zu machen, um
dem Sohne vorzustellen, daß die Knechte in dem schwe-
ren Boden viel zu tief pflügten und daß das Korn
unter der Scholle verfaulen müsse. Allein Hermann,
gerade im Begriff, in die Stadt zu fahren, hörte nur
niit halbem Ohr den Bericht all. „Ja, Vater, es
mag schon sein, daß hie und da etwas nicht so ganz
regelrecht ist, aber auf den Kamp kommt es mir
wirklich am wenigsten an. Möglicherweise muß ich
den Roggen als Grünfutter verbrau-
chen — es wird mit dem Nichtauf-
gehen ja so arg nicht sein — denn
im nächsten Jahre wird es doch Ernst
mit der Ziegelei und dann kommen da,
wo jetzt gepflügt wird, die Trocken-
häuser zu stehen."
„Auf unserem besten Roggenbo-
den?" rief der Alte erschrocken, „von
dem wir alle Jahre unsere hundert-
undachtzig Malter einheimsen?"
Der Sohn machte eine ungedul-
dige Bewegung. „Auf Haide- oder
Moorland legt mau doch eben auch
keine Ziegeleien all!"
„Muß denn auf Leben nnd Tod
eine angelegt werden?" fragte scharf
der Alte. „Laß'Dir sagen, Hermann,"
fuhr er nach einer Pause gemäßigter
fort, „ich kann nun einmal nicht an-
ders, als dies Projekt für ein ganz
verfehltes halten."
„Im Geringsten nicht. Die Banlust
nimmt in den Städten von Jahr zu
Jahr überhand."
„Wenn auch. Im Gebirge sind
in diesem Jahr zwei, drei große
Steinbrüche eröffnet; die decken für
unsere nächste Umgegend den Bedarf
vorerst vollständig. Außerdem stehen
sie alle mit der Chaussee, die durch
die Berge führt, in unmittelbarster
Verbindung, während lins hier noch
alle Chausfeeverbindung mangelt. Wie
willst Du denn nur die Steine ver-
fahren bei den grundlosen Winter-
wegen, wo ein ledig Fuhrwerk stecken
bleibt?"
„Ja, darum eben mnß im Som-
mer voran gemacht werden. Das
ist's ja gerade, was ich gesagt habe,
I 66

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Vr. IntiuS Iuttp. grascherzoglich bnbischer Ministci'-Pi'nsilicnt. (S. 51-t.)
Nach einer Photographie gezeichnet non C. Kolb.
 
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