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Adel.
Kriminalerzä h l u n g
von
Friedrich Friedrich.
(Fortsetzung.)
Zwei Tage lang wich der Freiherr seinem Neffen
so viel als möglich aus, er beschäftigte sich aus dem
Felde und ließ ihn allein zurück, weil er hoffte, er
werde dann am ehesten seinen Besuch bei Malten
wiederholen.
Am Morgen des dritten Tages saßen Beide auf
der Veranda und tranken den Kaffee zusammen. Der
kleine Freiherr las die Zeitungen, welche der Diener
ihm soeben gebracht hatte. Ein Gegenstand schien ihn
besonders zu interessiren, denn er
schüttelte beim Lesen desselben mehrfach
mit dem Kopfe und schob dann die
Brille, welche er zum Lesen benützte,
hinauf auf die Stirne.
„Hast Du von der Wette in M.
gehört, durch welche ein junges Mäd-
chenunglücklich gemacht ist?" fragte er.
Der Baron, welcher sich behaglich
aus dem Stuhle schaukelnd dasaß, zuckte
bei dieser Frage leicht zusammen. Er
hatte soeben an einen ganz anderen
Gegenstand gedacht.
„Bon welcher Wette?" fragte er
möglichst unbefangen.
Der Freiherr reichte ihm das Zei-
tungsblatt.
Selditz's Hand zitterte leise, als er
dasselbe in Empfang nahm, und er
mußte alle Kräfte zusammen nehmen,
um den Artikel lesen zn können, weil
di<O Schrift vor seinen Augen ver-
schwamm. Er las in dem Artikel die
Darstellung seiner eigenen Wette und
zugleich, daß Elsa schwer erkrankt war.
Seine Brust athmete erleichtert auf,
weil in dem Artikel kein Name genannt
war, es war nur gesagt, daß ein
Herr von altem Adel die Wette aus-
geführt habe.
„Ich weiß nichts davon," entgeg-
nete er, indem er seinen! Onkel die
Zeitung znrückreichte und sich die
Miene gab, als ob diese Wette ihn
nicht im Geringsten interessire. „Ich
glaube auch iiicht, daß es wahr ist.
Man weiß sa, wie es die Zeitungen
machen. Fehlt ihnen interessanter
Stoff, so ersinnen sie solchen, um
ihre Leser zu unterhalten, ob der-
selbe wahr ist, daraus kommt es
nicht an."

Der Alte schüttelte zweifelnd mit dem Kopse.
„Dies wäre doch etwas zu gewagt," bemerkte er.
„Könnte die Zeitung nicht gar zu leicht als Lügnerin
hingestellt werden? Würde sie, wenn diese Wette nicht
wahr wäre, den Namen der Stadt nennen? Dieser
Artikel wird auch in M. gelesen und die Stadt ist zu
klein, als daß dort eine solche ehrlose That sollte ein
Geheimnis) bleiben."
Selditz zuckte mit der Schulter.
„Es mag sein," erwiedertc er. „Jedenfalls beur-
theilst Du die Wette zu scharf; sie ist doch immerhin
nur ein Scherz gewesen."
Es lag in seiner Absicht, die Gesinnung seines Onkels
durch diese Worte zu Prüseu, er hoffte ihn dahin zu
bringen, daß auch er die Wette leichter ansah, allein
er hatte sich in dem kleinen Manne vollständig geirrt.

Der Freiherr richtete sich empor, sein Auge leuchtete.
„Ein Scherz, wo es sich nm den Ruf und viel-
leicht sogar um das Leben eines unbescholtenen Mäd-
chens handelt!" rief er. „Es ist eine ehrlose That,
das Herz eines Mädchens um einer Wette wegen zu
gewinnen und dann im Stiche zu lassen!"
Die Heftigkeit, mit welcher der alte Herr diese
Worte ausgesprochen, erschreckte Selditz fast.
„Ich kann nicht so hart darüber urtheilen," be-
merkte er, alle Kräfte zusammen raffend. „Vielleicht

Batho v. Hülsen, GcncraNJnNndcmt der königlichen Schauspiele zu Berlin.
Nach einer Pholographie gezeichnet von C.Kolb. (S. 58.)

ist dieselbe in lustiger Weullaune entstanden."
„Das würde zur Entschuldigung dienen, wenn sie nm
anderen Tage sofort wieder aufgehoben worden wäre,"
fuhr der kleine Herr erregt fort. „Das ist nicht ge-
schehen, in ruhigem, nüchternem Zustande ist sic aus-
geführt. Sie

ist ein Bubenstreich, für welchen keine
Züchtigung zu streng ist! Hätte ich
eine Tochter und sie wäre der Gegen-
stand einer solchen Wette geworden,
so würde ich nicht eher ruhen, als
bis ich den Frevler wie einen Buben
niedergeschvsscn hätte. Meine Weißen
Haare würden mich nicht daran hin-
dern. "
Das Blut war aus den Wangen
des Barons gewichen. Trasen die
Worte seines Onkels nicht ihn selbst?
Und doch durfte er dies nicht ver-
rathen. Er war aufgestanden und
an den Rand der Veranda getreten,
nur um sein Gesicht abwenden zu
können.
„Onkel, weshalb sollen wir uns
über eine Angelegenheit ereifern, welche
uns Beide nicht weiter berührt?"
sprach er.. „Wirst Du heute den
Herrn v. Malten mit besuchen?"
Der alte Herr war nicht geneigt,
das Gespräch so schnell abzubrechen.
„Alexander," sprach er sehr ernst,
„ich ereifere mich nur über Deine
Ansichten. Ich hoffte, der Sohn meiner
Schwester würde das, was ehrlos
ist, auch offen so nennen und nicht
in Schutz nehmen. Sieh, ich habe
Dir Vieles verziehen, was ich als
Jugendthorheit ansehen konnte, in
einem Punkte bin ich jedoch sehr
strenge: in Allein, was die Ehre an-
betrifft."
„Glaubst Du, ich würde je den
geringsten Makel auf meiner Ehre
fitzen lassen?" rief der Baron.
„Ich hoffe das nicht, denn die
Selditz haben dies nie gethan, und
in der Familie, ans welcher Deine
Mutter stammt, wurde ebenso, streng
auf die Ehre gesehen!"
 
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