Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Die Ia v a n e si n.
Erzählung
von
Friedrich Gerstiickcr.
(Fortsetzung.)
„Sieh," fuhr Beeker fröhlich plaudernd fort,
„das war bei mir anders. Ich hatte Bitja dort oben
in den Bergen kennen und lieben lernen. Sie war
gut mit ihren Eltern und sorgsam mit ihren kleineren
Geschwistern, und da ich mir den Henker daraus machte,
was das vornehme weiße Volk darüber dachte oder
sprach, so griff ich zu und habe es auch noch keine
Minute meines Lebens bereut."
„Aber wenn Du einmal wieder nach Eurova
zurückkehren wolltest," warf Eberhard
ein, „die Kinder aus der Straße würden
Deiner Frau nachlaufen, und selbst
Deine Kinder ihrer Farbe wegen ver-
spottet werden."
Beeker zuckte die Achseln. „Was
das betrifft," sagte er, „so würde das
vielleicht die ersten Wochen der Fall
sein, denn dummes uud neugieriges
Volk gibt es aller Orten; aber was
ist mir mehr Werth, meine glückliche
Heimath oder das Geträtsch der Menge?
Uebrigens glaubst Du gar nicht, Eber¬
hard, wie geistig empfänglich diese Ein-
geborenen sind, wie rasch sie lernen und
begreifen, und welche fabelhaften Fort-
schritte meine kleine Frau z. B. in
den fünf Jahren, die wir jetzt mit
einander verheirathct sind, gemacht hat.
Man muß sich allerdings ein wenig
Mühe mit ihnen geben, aber mau wird
auch dafür belohnt. Ich versichere
Dich, ich habe ost meine Freude darüber
gehabt, wie sie in Gesellschaften überall
mitzusprechen und gewöhnlich noch außer-
dem mehr weiß als manche unserer
schönen Landsmänninnen, die sich doch
immer für soviel besser und vorzüg-
licher halten. — Aber Dich werde
ich doch nicht überzeugen," brach er
Plötzlich ab, „denn Du bist natürlich
von der Vortrefflichkeit Deiner Wahl so
vollkommen überzeugt', wie ich von der
meinen, und wohl uns nachher, wenn
wir Beide damit zufrieden sind. Aber
sieh hier — schau um Dich her —
glaubst Du, daß es in der ganzen
Schöpfung noch Einen Punkt gibt, wo
alle Schätze der Pflanzenwelt so auf-
gespeichert sind wie gerade hier? Der Pal-
meuwäld da, der beinahe alle Gattungen
zusammeufaßt, die nur tropische Erde her-

vorbringt, und hier das Heiligthum der Orchideen, die
j vielleicht kein Land der Welt in solcher Ueppigkeit und
l Farbenpracht erzeugt, wie gerade uufer herrliches
i Java. Schon dieses Platzes wegen möchte ich nie
! von Buitenzorg wegziehen — wenigstens so lange nicht,
als ich mich noch in Indien aufhalte, und sollte es das
Unglück wollen, daß man wirklich einmal beabsichtigte,
mich zu versetzen, ei, so guittire ich den Dienst und
werde ein Frecherr, der nachher mit keinem Fürsten
der Erde tauscht."
„Ist das Dein Ernst, Martjin," fragte Everhard,
indem er plötzlich stehen blieb und den Freund fest
ansah — „würdest Du wirklich hier in Buitenzorg woh-
nen bleiben? wenigstens noch eine Reihe von Jahren?"
„Gewiß ist es mein Ernst — aber weshalb fragst
Du das?"

„Weil ich — ebenfalls noch einige Jahre brauche,
um wenigstens die Arbeiten zu vollenden, die ich an-
gefangen oder mir vorgenommen habe, und in dem
Fall hätte ich große Lust mich hier ganz in Buiten-
zorg niederzulafsen."
„Für die Sommermonate — die heiße Jahres-
zeit? — Das wäre allerdings prächtig, aber —"
„Nein, für ganz," sagte Everhard bestimmt. „Ich
würde mir dann einen dieser reizenden Landsitze hier
mietheu, oder möglicher Weise kaufen, und wir könn-
ten nachher ganz gemüthlich als Nachbarn leben. Doch,
was wolltest Du mit Deinem aber sagen?"
„Gerade Deinen Nachsatz bezweifeln."
„Unser Zusammenleben?"
Beeker nickte leicht vor sich hin. — „Ich glaube nicht,"
sagte er, „daß Juffrouw van der Roest sich in der
Ehe so sehr ändern wird, um mit einer
Eingeborenen freundlich zu verkehren.
Mißversteh' mich nicht, Everhard," setzte
er rasch hinzu, als ihn der Freund for-
schend ansah — „es gibt Vorurtheile,
die mit der Muttermilch eingesogen
werden, uud schwer — wenn überhaupt
zu beseitigen sind. Ich selber halte
Fräulein van der Roest für eine sehr
gebildete, liebenswürdige Dame, die
gewiß in keiner Hinsicht — gegen den
guten Ton verstoßen wird; ob das aber
nachher zwischen unseren Familien ein
so freundschaftliches und herzliches Ver-
hältnis; begründen würde, wie ich es
natürlich wünsche, das bleibt dahin ge-
stellt, uud ich glaube beinahe, daß Du
— Deiner Frau selber keinen Gefallen
damit thun würdest."
„Meiner Frau?" wiederholte Ever-
bard, wie mit sich selber redend, „und
Du meinst nicht?"
„Nein — aufrichtig gesagt. Sie
ist die vornehmen Kreise Batavia's ge-
wohnt, in welchen die eigentlichen Ein-
geborenen, als viel zu tief stehend,
ausgeschlossen sind, und daß sie sich hier
zu uns herab ließe — weißt Du,
Everhard, das, wie Du Wohl selber
fühlst, könnte uns nicht angenehm sein."
„Nein," sagte Everhard zerstreut
„allerdings nicht — also Du meinst —"
„Daß Du weit besser thätest, wenn
Du in Batavia bliebst. Dann kommst
Dn manchmal allein zu uns nach
Buitenzorg heraus, uud wie willkommen
Du uns bist — na, alter Junge, ich
dächte, das wüßtest Du zur Genüge—"
„Also meine Frau wollt Ihr hier
nicht haben?"
„Everhard!" rief Beeker vorwurfs-
voll.

Konstantin Tischenl'ars. Nach einer Photographie gezeichnet von Ko!b (S. 489.)


56
 
Annotationen