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Oas Haus des Othello.
Erzählung
von.
C. R. Struwy.
(Fortsetzung.)
Der Antiquar saß, die Gäste erwartend, IN seinem
Prunkzimmer, dem unwohnlichsten Raum des Hauses.
Vor ihm auf dem Marmortisch mit kostbarer Mosaik-
platte stand ein Imbiß, ein paar
Naschen Cypro, chinesisches Por-
zellan und prächtig geschliffene
venetianische Gläser. Der Humor
des alten Künstlers war durch die
Entdeckung, daß die Dokumente
aus der Truhe verschwunden seien,
nicht verbessert worden. Nachdem
derselbe zu der Ueberzeugung ge-
kommen Ivar, daß nur seine Tochter
die Schuldige sein könne, hatte er
diese öurch ein allerdings nicht
sehr gelassen abgefaßtes Schreiben
heimberufen, die schöne Barbara
jedoch war noch nicht angekommen,
wahrscheinlich hielt sie es für zweck-
mäßiger, den Zorn des Vaters
erst verrauchen zu lassen. Glück-
licherweise hatte sich der Antiquar
neben den für Leistetten bestimmten
vidimirten Abschriften noch ein
zweites Exemplar fertigen lassen.
Er war ein vorsichtiger Mann,
der die Möglichkeit, die kostbaren
Papiere könnten verloren gehen,
schon vorher erwog. Jetzt hatte
er beschlossen, über den Verlust
der Originale zu schweigen und
dem Advokaten und dessen Klienten
nur die Kopien vorzulegen.
Das Frühstück war so frostig
und förmlich wie die Vorberei-
tungen zu einem Duell vorüber-
gegangeu. Der Advokat lobte den
Cypro, Max verhielt sich, obschon
voll Hoffnung, schweigsam. Die
Wichtigkeit des Augenblicks lag
ihm schwer auf der Brust. Herr
Ortiga jammerte über die Undank-
barkeit der Menschen im Allgemei-
nen und über die der eigenen
Kinder insbesondere. Endlich be-
gann Herr de Malis, die Kon-
ferenz eröffnend, seinen Vortrag.
„Ich will mir erlauben," sagte
er, „eine kurze Uebersicht von dem
zu geben, was ich als Resultat
memer Nachforschungen in der

Angelegenheit, die uns heute beschäftigt, ansehen
kann: Es steht sest, daß am 16. März 1822 in
der Kirche von San Pietro di Castello eine Trauung
stattgefunden hat, bei welcher Fräulein Giuditta Bar-
berigo, genannt Salviani, als Braut betheiligt war.
Die Aussagen des Ignaz Mosler, sowie des Gondo-
liers Battista, der sich damals in den Diensten des Va-
ters meines Klienten befand, ergeben dies unzweifelhaft,
wenn auch beide Zeugen in der Kirche selbst nicht an-
wesend gewesen sind. Ebenso zweifellos ist es, daß

Giuditta Barberigo am 30. Juli 1822 — allerdings
ein wenig zu früh — in Assisi einen Sohn — Bet-
tino — geboren hat und daß ebendieselbe dort als
Nonne bei den Clarissiunen am 9. Deccmber 1846
verstorben ist. Es handelt sich also nur um die Frage:
Wer ist bei jener Trauung der Bräutigam gewesen?
Mau hat die Wahl zwischen zwei ebenbürtigen Per-
sonen, die beide m der Kirche waren, dem Obersten
Ordener und dem Grafen Trevisan."
„Ich dächte, die Frage wäre entschieden," bemerkte
der Antiquar höhnisch. „Das mit
der eigenen Unterschrift des Pfar-
rers der Parochie versehene Doku-
ment enthält den Namen des
Bräutigams. Ich habe zwar meine
Gründe, das. Original desselben
vorläufig zurückzuhalien, aber die
Herren besitzen die amtlich beglau-
bigte Abschrift und eine zweite steht
Ihnen zu Diensten."
„Ich begreife Sie nicht, Herr
Ortiga," fiel ihm der Advokat
in die Rede, „Ihre Fräulein
Tochter hat ja dem Herrn Grafen
das Dokument ausgehändigt, jeden-
falls in Ihrem Auftrage."
„Und GrafLeistetten hat dasselbe
vernichtet?" fragte der alte Künstler
mit vor Wuth zitternder Stimme.
„Wie können Sie das glauben?
Alle drei Urkunden: die Bescheini-
gung der Trauung, der Taufschein
und der Todtenschein sind hier in
meiner Hand." Der Antiquar
langte nach den Papieren, Herr
de Malis zog sie aus dem Arm-
bereich desselben und suhr fort:
„Gestatten Sie, daß ich zuerst
meinen Vortrag zu Ende führe.
Also, ich bemerkte, es sei unent-
schieden, ob der Bräutigam Ordener
oder Trevisan geheißen. Mosler
behauptet zwar, Baron Ordener
sei es gewesen, doch erscheint dessen
Aussage nicht besonders glaub-
würdig, da der Gondolier Bat-
tista versichert, weder er selbst,
noch der Ignaz, der dicht neben
ihm gestanden, habe sehen können,
was in der Kirche vorgegangen
sei. Ich habe mich vergeblich be-
müht, andere Zeugen für das
Eine oder das Andere aufzufinden.
Der Pfarrer ist todt, von den
Kirchendienern ist auch keiner mehr
am Leben und sonstige Personen,
die von dem Tranungsakt Kennt-
niß haben könnten, scheinen nicht
L 44

Erzbischof Ledochowöki von Posen. (S. 346.)
 
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