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Als Rafaelle den Prätendenten von Leisteten Zum !
Einsteigen in des Grafen Behausung Zu überreden
suchte, hatte er diesem nicht umsonst die Wichtigkeit
des Dokumentes, das er entwenden sollte, aus einander
gesetzt. Bettino beschloß sofort, dasselbe für sich zu
behalten. Mit dem Papier in der Hand, das ihn
nach seiner Ueberzeugung znm Erben von Leisteten
machte, wollte er vor Ghita hintreten und sie an die
vergangenen Tage erinnern, in denen sie gegen ihn
so gütig gewesen war. Wenn er ihr dann noch eine
glänzende Zukunft versprechen konnte, so hoffte er in

Das Haus des Othello.
Erzählung
von
C. N. Struwy.
(Fortsetzung.)
Die Gondel legte geräuschlos unter dem Fenster
an. Zulian stemmte sich an die Mauer, Bettino
schwang sich auf dessen Rücken und stieg in das Fenster
hinein.
„Du hast Dir's gemerkt,"
sagte Herr Migliara leise, „die
Schatulle steht aus dem Schreibtische,
versuche sie zu öffnen, vermagst
Du es nicht, oder kannst Du das
Papier nicht finden, so reiche sie
herunter."
Es dauerte ein Paar Minuten,
eine flüchtige Helle zeigte sich in
dem Zimmer, die sogleich wieder
erlosch; dann erschien Bettino wie-
der am Fenster, um sich in die
Gondel herabzulassen.
„Ich habe das Dokument,"
sagte er.
„Wie haben Sie's gemacht?"
fragte Piergiovan.
„Ich erbrach die Schatulle mit
meinem Messer," versetzte der An¬
dere, indem er sich erschöpft auf
die Bank warf.
Die Barke glitt wieder unter
den Brückenbogen, in dein Zimmer
wurde es hell, man sah die Schatten
mehrerer Personen sich hin und
her bewegen, eine davon lehnte
sich spähend weit zum Fenster hin¬
aus, auch unter dem Wasserthor
erschienen Lente, um nach einer
Gondel zu rufen. Die in der
Barke harrten in athemloser Span¬
nung.
„Jetzt fort, meine Herren,"
sagte Rafaelle, „ich bitte, rudern Sie
leise. Aber Teufel! wo ist Bettino ?"
Bettino hatte sich mit sammt dem
Dokument davon gemacht. Auch
Herr Migliara schwang sich rasch
auf die Quadern des Quais und
verschwand im Dunkeln.
„Madonna! Sie lassen uns
sitzen!" hörte man Piergiovan
sagen, „und ich hätte doch so gern
die Briefe von Metternich" —
Das Ende des Satzes ging ver-
loren, als die Gondel in dem
.Nebelmecr untertauchte.

seinem Wahn, seinen brüderlichen Nebenbuhler aus
dem Herzen des Mädchens zu verdrängen und deren
Liebe für sich aus's Nene zu beleben.
Es liegt eine furchtbare Macht in einer fixen
Idee, eine Macht, die um so schrecklicher ist, wenn
das Gemüth, in der sie wurzelt, sich daran gewöhnt
hat, seinen Launen und Leidenschaften nie einen Zügel
anzulegen und wenn dasselbe in seiner Beschränktheit
nicht zu ermessen vermag, in wie weit die Gebilde
einer exaltirten Einbildungskraft mit der realen Wirk-
lichkeit im Einklang stehen. Was sich Bettino einmal
in den Kopf gesetzt hatte, wurde
ihm zur unumstößlichen Wahrheit,
und wenn er sich einmal vorge-
nommen hatte: das soll so und so
sein, so stand ihm nur dies Endziel
vor Augen, die Kluft, welche ihn
von demselben trennte, war ihm
unbekannt oder gleichgiltig.
Ghita war dem schlecht be-
handelten , von seiner Umgebung
zurückgestoßenen Vetter von An-
fang an freundlich entgcgengekom-
men. Glich doch sein Loos dem
ihrigen, die auch eiufam und
freundlos in der Welt dastand.
Später, als die Leidenschaftlichkeit
und das maßlose Gebühren des
jungen Menschen sie oft erschreckte
und sie das Grauen, welches dessen
Gegenwart ihr einflößte, nicht mehr
zu bewältigen vermochte, war ihr
früheres Wohlwollen beinahe in
Haß verwandelt worden. Bettino
hatte dies rein menschliche Wohl-
wollen sür die Sprache des Her-
zens genommen und wähnte noch
immer, daß das Mädchen ihn liebe,
wenigstens ihn geliebt habe, bis
Max es versucht, ihn aus dem
Herzen der Base zu verdrängen.
Seltsamer Weise haßte er den
Bruder deshalb nicht. Jeder, der
Ghita nahe trat, mußte sie ja lieben.
Aber dem Mädchen gegenüber
schwankte er oft zwischen Hoffen
und Fürchten. Bald meinte er,
den Funken der alten Zuneigung,
der für ihn — daran zweifelte er
nicht — noch in dem Herzen der
Base schlummerte, wieder erwecken
zu können, bald zürnte er der
Treulosen, und da das Sittengesetz
für ihn keine Geltung hatte, gesellte
sich zu diesem Zorn eine heiße
Sehnsucht uach Rache, nach einer
furchtbaren und außerordentlichen
Rache. Wenn die Geliebte nicht

Nr, Zosepl, Hubert Nrinlcns, Bischof Vor AltkoicholiNn. (S. 370.1

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