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Heft 16.

Das Buch für Alle.

383

Die Wllffenschmiedekunst in früheren Jahr-
hunderten.
(Siehe das Bild auf Seite 381.)
Die eifrige Werthung der Vcn trefft: chkeit der Waffen
stammt schon aus dem grauen Alterthum und ist ans dem
Oriente zu uns nach Europa gekommen, denn durch die Ein-
wanderung der Araber in Südeuropa und durch die Kreuz-
züge wurden bei uns die vorzüglichen Hiebwaffen be-
kannt, die man seit alter Zeit in Persien (Khorassan),
Indien nnd Syrien (Damaskus) aus dem indischen
„Wuhz-" oder Gußstahl verfertigte, und nun erst lernte
man allmählig auch in Europa: erst in Italien, dann in
Deutschland und Spanien (Toledo) ausgezeichnete Hieb- und
Schneidewaffen verfertigen, und die Kunst der Klingen- und
Waffenschmiede, der Plattner und Harnischmacher erblühte
mit dem Nitterthum. Die Toledaner Hieb- und Stoßwaffen
verdankten den großen Ruf, den sie bis auf den heutigen Tag
noch genießen, den Ueberlieferungen der intelligenten und
kunstfleißigen arabischen und maurischen Waffenschmiede, nnd
die Schwerter der deutschen Meister Klingenschmiede nnd
Schwertfeger, wie sie namentlich vom 13. Jahrhundert an
zu Nürnberg, Solingen, Herzberg, Gent, Lüttich u. s. w.
auftauchten, konnten sich an Güte und schöner Form bald den
spanischen zur Seite stellen, wie die in den Nüpkammern uns
aufbewahrten Schwerter und übrigen Waffen und Rüstungen
der Borzeit zur Genüge zeigen. Die Herstellung der Waffen
war einer der geschätztesten Kunstzweige und wurde glänzend
bezahlt und geschickte und berühmte Meister sahen sich nicht
nur von fern und von nah von Kunden aufgesucht, sondern
von den Dichtern besungen gleich den Helden selbst. Die
werthvollste und geschätzteste Mannssahrniß waren Roß,
Wehr und Waffen, und die ersten Künstler ihrer Zeit: ein
Albrecht Dürer, ein Leonardo da Binci, ein Benvenuto
Ccllini u. A. verschmähten es nicht, für den Waffenschmied
Entwürfe zu Rüstungen oder zu deren künstlerischer Ver-
zierung durch Damasciren, Ciseliren, Vergolden, zu ein-
gelegter Arbeit u. s. w. zu machen. Helm und Harnisch
mußten von Meisterhand gefertigt werden gleich dem Schwert
und Dolch und der Gläne oder Lanze, wenn sie den Mann
recht wehrhaft machen sollten, und mit der kunstreichen
zierlichen Arbeit der welschen (italienischen) Pleister an
Helm, Krebs, Halsberge, Brust- und Rückenpanzern Arm-
and Beinschienen und dergl. wetteiferten bald die Leistungen
der Augsburger, Nürnberger und Herzberger Plattner und
Harnischmacher, deren Name und Ruf sich noch bis auf
unsere Tage erhalten hat. Ja wenrr der wackere Bürgers-
mann und kleine Ritter sich nrit einer einzigen tüchtigen
Wehre zu Schutz und Trutz begnügte, so setzte der Reiche
einen Stolz darein, der Rüstungen mehrere für verschiedenen
Bedarf und Gebrauch zu besitzen: leichte und schwere
Rüstung, Turnierzeug, Kettenpanzer und vollständige (gothi-
sche) Rüstung von Stahl vom Kopf bis zu Fuße, cke oap
eu piock, wie sie namentlich zu Ende des 15. und zu
Anfang des 16. Jahrhunderts üblich war. Jede Rüstung
für sich war sozusagen ein Ehren- und Feierkleid, und der
überwundene, erschlagene oder gefangene Gegner mußte
dem Sieger Helm, Harnisch und Wehre sammt Roß als
rechtmäßige Beute und Trophäe ablassen. Ja selbst nach
der Einführung des Feuergewehrs erhielt sich die Rüstung
noch lange, sowohl zu eigentlichem Schutz wie als aus-
zeichnendeS Ehrenkleid, wie wir denn aus der ersten Hälfte
des 17. Jahrhunderts und dessen großen Kriegen wissen,
daß die schwere Reiterei noch immer bis auf die Lenden
herab in Eisen gepanzert ging, und daß BrJtpanzer,
Halsberge, Ningkragen und Helm lange hernach noch immer
zum feierlichen mannhaften Ehrenkleide der Fürsten und
Herren dienten.
In die Werkstätte eines solchen Waffenschmieds des
16. Jahrhunderts versetzt uns unser Bild Seite 38l.°
Der alte Pleister ist Plattner, Harnischmacher, Schwert-
feger und allfällig auch Büchsenschmied zugleich, wie wir
aus den Armbrüsten, Naufdegen, Stoßrappieren, Brust-
harnischen, Arm- und Beinschienen, Haisbergen. Krebsen,
Sätteln, Halparten, Handschuhen und anderen Wehrstücken
in seiner Wertstätte sehen. Vielleicht ist er auch Klingen-
schmied, obwohl dies Gewerbe langst zu einer eigenen,
in's Große geübten Kunst sich entwickelt hatte, denn das
Schmieden der Klingen aus verschiedenen Stäben von Eisen
und Stahl verschiedener Härte, das Schleifen derselben mit
Blutrinnen und Hohlkehlen erforderte größere Einrichtungen
mit Wasserkräften und Hammerwerken. Aber sorglich unter-
sucht der Alte die Klinge des Nausdegens, den ihm der
auf der Ecke der Werkbank sitzende sunge Kriegsmann über-
bracht hat, weil er wohl mir demselben eines jener Duelle
ausfechten will, die als roher Ueberrest der summarischen
Selbsthilfe aus der mittelalterlichen Faustrechtszeit in jenen
verwilderten Zuständen noch ganz an der Tagesordnung
waren. O. M.

Die Insel Madeira.
Von
Roderich Nellenlmrg.
(Hiezu dos Bild auf Seite 384.)
Unter dem 32. Grad nördlicher Breite und dem
17. Grad westlicher Länge von Greenwich erhebt sich
aus dem Schoos des Atlantischen Oceans eine kleine
Gruppe von Inseln, deren bedeutendste als ein langer
schmaler Fe'srücken beinahe senkrecht ans den grünen
Wogen der Atlantis aufsteigt. Dieses größere Elland
ist Madeira, den Portugiesen gehörig, von denen es
1419 durch Zufall entdeckt 'ward. Seefahrer, die ein Jahr

früher von einem Sturm verschlagen auf dem benach-
barten Eiland Porto Santo einen sicheren Schlupfhafen
gefunden hatten, waren erstaunt über die reiche Ve-
getation der größeren Insel, nannten sie Madeira, d. h.
Holz, und ergriffen von ihr Besitz im Namen Königs
Johann I. von Portugal. Die Künde von der Ent-
deckung dieser Insel erregte in Europa großes Auf-
sehen, und schon wenige Jahre darnach ward die Insel
schnell besiedelt durch das damals noch so fleißige nnd
unternehmende Volk der Portugiesen, denn sie war
unbewohnt und man hat auch seither keine Spur von
dem früheren Vorhandensein von menschlichen Be-
wohnern gefunden, wie auf den Azoren und noch mehr
auf den canarischen Inseln. Anfangs beuteten die
Ansiedler nur die Urwälder von Madeira aus, welche
ungeheure Massen des vorzüglichsten Ban- und Nutz-
holzes lieferten, das man nach Portugal und Spanien
absetzte. Sie legten Weinberge, Aecker nnd Obstgärten
für den eigenen Gebranch an, kümmerten sich aber
nicht viel um deren Pflege, und erst der späteren Zeit
ward es Vorbehalten, die Fruchtbarkeit und Ergiebigkeit
der Insel darzuthun und zu ihrer Ausbeutung auf-
zusordern, die aber noch bis auf den heutigen Tag
eine ungenügende ist.
Auch für die wissenschaftliche Erforschung der Insel-
gruppe thaten die Portugiesen nichts, und wenn wir
Madeira nach allen Richtungen hin nun genau kennen,
so verdanken wir dies namentlich deutschen Forschern:
den Botanikern und Geologen Unger, Hochstetter und
Heer, dem Arzte Mittermayer u. A., und Deutsche
sind es auch namentlich, welche Madeira als klimatischen
Kurort für Lungenkranke und Leidende in Aufnahme
gebracht haben.
Wenn sich Madeira auf den ersten Blick dem Auge
des Fremden darstellt als eine Art erloschener Vulkan
mit verschiedenen Gipfeln, und wenn sich daran auch
allenthalben noch Spuren von vulkanischer Bildung in
Lavaströmen, in vulkanischen Aschen-, Schlacken- und
Tuff'chichtcn finden, so wissen wir doch, daß die Insel
nicht erst in einer neueren Periode der Erdgeschichte
aus dem Meeresgründe emporgetrieben ward durch
vulkanische Gewalt, wie manche andere Inseln. Viel-
mehr haben uns die Geologen bewiesen, daß das was
uns die Schriftsteller und Geschichtschreiber des Alter-
thnms von der großen versunkenen Insel Atlantis er-
zählen, keine Fabel ist, sondern daß in ferner Vorzeit
ein ungeheures Festland, welches von Island herab bis
zu den Jrffeln des grünen Vorgcbirgs reichte, das Becken
des atlantischen Oceans zum größeren Theil ausfüllte
und Europa mit Afrika, wahrscheinlich auch niit Amerika
verband, sowie daß Madeira, die Azoren, die cana-
rischen und capverdischen Inseln die Ueberbleibsel jenes
versunkenen Festlandes, nämlich die höchsten Spitzen
von dessen Gebirgen sind, wie sich aus den fossilen
Pflanzen in den tertiären Schichten des Bodens von
Madeira nnd den anderen Inseln nachweisen läßt.
Das eben macht die geognostische Bildung der Insel
Madeira so merkwürdig, daß sie in ihren Formen ganz
den Charakter der höchsten Spitzen unserer Hochgebirge
trägt. Man kann sich nichts Großartigeres und Ucber-
raschenderes denken, als die wechselvolle Gestaltung
von Madeira's Bodensläche, das dichte diebeneinander
von himmelan strebenden Gipfeln und furchtbar tiefen
Schluchten nnd jähen Abgründen, von steilen hoch-
ragenden Zacken und tiefen Thalkesseln. Eine der
bedeutendsten Naturmerkwürdigkeiteu ist der in der
Mitte der Insel gelegene Curral das Freiras (Nonnen-
hof), ein riesiger, beinahe trichterförmiger Thalkessel
oder Abgrund, umstarrt von nackten Felsenwünden,
die sich von der Sohle des Kessels bis zu 4000 Fuß
Höhe bis zu den obersten Gipfeln der Insel erheben
und deutlich die geognostische Beschaffenheit derselben
darlegen. Der Kessel und die in demselben sich sam-
melnden Gewässer finden ihren Abzug in einer engen
Felsschlucht und einem an ihrer Sohle hintosenden
Gebirgswasser, das nach Süden strömt und sammt
der Schlucht sich östlich von Fnnchal, dem Haupt-
orte der Insel, welchen unser Bild Seite 384 darstellt,
mündet. 'Niemand, der Madeira ans längere Zeit
besucht, versäumt es, wenigstens diese Schlucht zu be-
suchen, neben welcher in unbeschreiblich wilden Ab-
stürzen sich die höchsten Gipfel der Insel erheben.
Alle Anzeichen sind vorhanden, daß vulkanische
Kräfte, die allerdings längst erloschen sind und unr in
gelegentlichen Erdbebm noch ihre Nachwirkungen äußern,
bei der Entstehung der Berge von Madeira mitgewirtt
haben. Der Boden ist basaltisch, vulkanische Schlacken
und Tuffe, sowie Trachyttnffe, kommen überall vor,
nnd diese in Verbindung mit dem reichlichen wässerig n
Niederschlag und mit der Hitze, erklären auch die
üppige Fruchtbarkeit des Bodens. Das Klima ist heiß,
aber gesund und wenigen Schwankungen in der Tem-
peratur unterworfen, die zu allen Jahreszeiten nur
um 4 — 5 Grade Neanmur variirt. Dw Seewinde
mildern die Sonnenhitze und trocknen zugleich die
Atmosphäre mcht aus; nur weun der Ostwind über '

die afrikanischen Wüsten herüberweht, steigt die Hitze
auf 26—28 Grad Reaumur und wirkt durch ihre
Trockenheit erschlaffend. Außerdem aber lagert die
aus dem Meere aufsteigende Feuchtigkeit sich allnächtlich
in Wolken und Nebelmassen um die Berghäupter und
schlägt sich als Thau und in den vielen Quellen nieder,
die allerwärts zum Meere herunterrieseln. Diese
weiche, reine, nicht allzu trockene Luft von einer bei-
nahe konstanten Temperatur ist für Brust- und Nerven-
kranke so außerordentlich wohlthuend.
Die Pflanzenwelt von Madeira ist eine wuchernd
üppige und zusammeng.setzt aus trop'schen und sub-
tropischen Gewächsen, wie aus denen der gemäßigteren
Zone. Der unterste Vegetationsgürtel, bis zu 3000
Fuß Meeieshöhe, spendet neben immergrünen Laub-
gewächsen und zahmen Kastanien von ergiebigen Kultur-
pflanzen namentlich den köstlichen Wein, dessen Kultur-
seit der Mitte des 15. Jahrhunderts eingeführt ist,
aber durch die Tranbenkrankheit sehr in Rückschritt
gekommen ist und erst seit 1867 sich wieder gehoben
hat, ferner Zuckerrohr, das in Masse gebaut und zu
Zucker verarbeitet wird, Kaffee, und jene Cactnsart, auf
welcher die Cochenille-Schildlaus lebt, deren Kultur vor
etiva 20 Jahren versuchsweise cingefuhrt wurde und
sehr gedeiht. Neuerdings wird auch der Anbau der
Ciuchoneenarten versucht, die die Chinarinde liefern.
Der zweite Vegetatiousgürtcl umfaßt die immergrünen
Gebüsche, die Lorbeerwälder, die rasenbildenden Vac-
cinieen oder Heidelbeerarten, die mannshohen, baum-
sörmigen Eriken, die subtropischen Arten von Gin-
ster n. s. w., und die Region der baumförmigcn Eriken
erstreckt sich bis zu den höchsten Gipfeln der Insel,
die im Winter hie und da einen leichten Anflug von
Schnee zeigen. Der Acker- und Gartenbau ist un-
gemein lohnend, zumal an der Südseite der Insel, wo
die Zuckerrohr-Plantagen und Weingärten liegen. Die
Weinrebe gedeiht ohne sorgliche Pflege und liefert
außer den leichteren, an Ort und Stelle konsumirten
Weinen noch die für die Ausfuhr bestimmten köstlichen
Sorten des Tinto, des Sercial, des Dry (trockenen)
Madeira und des süßen, sehr feinen und lieblichen
Malvasiers. Alle Madeiraweine zeichnen sich durch
ihr Feuer nnd ihre Haltbarkeit aus und werden erst
im Zustand einer gewissen Altersreife getrunken. Der
Dry Madeira soll außerordentlich an Güte gewinnen,
wenn er auf Flaschen gezogen den Aequator mehr-
mals Passirt hat. Uebrigens ist der Weinertrag der
Jiüel längst nicht mehr so bedeutend, daß all der-
jenige Wein, welcher unter dem Namen Madeira in
den Handel konimt, auf der Insel erzeugt wird.
Die anderen Kulturgewächse außer Reben und
Zuckerrohr sind die verschiedenen Arten von Getraide,
Bananen, Feigen, Orangen, Bataten, Aamswurzeln,
Feigencactnsse, Melonen rc. Die ärmeren Einwohner
leben vorzugsweise von den letzteren Vegetabilien.
Die einheimische Thierwelt war zur Zeit der Ent-
deckung sehr spärlich und bestand vorzugsweise aus
Vögeln und Eidechsen; jetzt gibt es wilde Kaninchen
und Ziegen und viele Ratten und kleinere Nagethiere,
dagegen keine Schlangen und von giftigen Thieren
nur eine Spinne. Im Gegensatz zu den Landthieren
sind dagegen in den Gewässern der Insel die Meeres-
thiere um so zahlreicher an Arten und Individuen
der köstlichsten Fische, Schildkröten, Sepien und Mol-
lusken. An Hausthieren werden Rindvieh, Pferde,
Maulthiere und Esel, die sämmtlich als Zug- nnd
Lastthiece dienen, ferner Ziegen nnd Schafe gezüchtet
Zum Reiten und als Saumthiere dienen vorherrschend
Maulthiere und Esel, zum Transport von Waarcn
und Personen bedient man sich hölzerner Schleifen
oder Schlitten, der sogenannten Caros, auf denen sogar
geputzte Damen zur Kirche oder auf Bälle fahren,
denn es fehlt der Insel an gebahnten Straßen, die
erst neuerdings in Aufnahme kommen. Wäre die
portugiesische Regierung mehr dafür besorgt, die Ver-
kehrsmittel der Insel zu heben nnd die durch die
Traubenkrankheit und andere Unfälle verarmten nüch-
ternen nnd fleißigen Bewohner einigermaßen zu unter-
stützen, anstatt "sie auszubeuten und durch drückende
S'euern ansznsaugen, so würden der Wohlstand der
Insel und deren Bevölkerung, die kaum noch hundert-
tausend Seelen beträgt, sich rasch heben, und der mit
Erfolg versuchte Anbau des Kaffees würde eine neue
Wohlstandsquelle eröffnen. All.in Portugal thut gar
nichts für diese kleine Kolonie, und so wandert ein
großer Theil der rührigen Bevölkerung nach Brasilien
und Westindien aus, wo man diese genügsamen an-
stelligen Leute mit Freuden aufuimmt. Die Boden-
kultur ist deshalb auch seit einigen Jahrzehnten so ge-
sunken, daß Madeira trotz seiner erstaunlichen Frucht-
barkeit noch Getraide für den eigenen Gebrauch ein-
znsühren hat und namentlich die Stadt Funchal nnd
ihre Umgebung vorzugsweise von den fremoen Kur-
gästen leben muß, zu denen mnerdings auch die im
Ashante-Krieg verwundeten britischen Soldaten nnd
Offiziere tomn en. Mein trotzten: ist dNrdeir: em
 
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