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die

nothgedrungen

Jojcph Biktor Scheffel. Originalzeichnung von C. Kolb. (S. 394.)

— dies war sein Name — das van der Roest'sche
Haus sehr häufig besuchte, was aber auch wieder seinen
besonderen Grund hatte.
Willemina zeigte in früheren Jahren ein recht
hübsches Talent zum Zeichnen, malte auch später etwas,
ließ es dauu aber wieder aus Mangel an einem gründ-
lichen und gediegenen Unterricht liegen, bis eben Ever-
hard Kiesheer nach Batavia kam und es gern über-
nahm, ihr die nöthige Anleitung zu weiteren Arbeiten
zu geben. Daß es dann in Batavia bald hieß, Myn-
heer Kiesheer bewerbe sich um die Tochter van der
Roest's, versteht sich von selbst; es ist dort drüben in
dieser Hinsicht wie bei uns in Europa. — Der junge
Maler dagegen verkehrte sehr unbefangen in dem Haus.
Er hatte von

wohl an einer klassischen Statue bewundern würde,
die aber trotzdem wenig Sympathisches in sich selber
trug. Es hieß außerdem in der Gesellschaft, daß sie
besonders hart mit ihren Dienstboten fei — aber
was kümmerte das eben die Gesellschaft — an ihren
Reeeptionsabenden war sie sehr liebenswürdig—spielte
besonders meisterhaft das Pianosorte, sang allerliebst
und hatte auch dabei einen natürlichen Mutterwitz,
trotz alledem aber noch Niemanden gefunden, der
ihr Schicksal au das seine, oder vielmehr seines an
das ihrige ketten wollte, bis das Gerücht ging, daß
sich ein junger holländischer Maler, aus einer sehr
angesehenen Familie Amsterdams, um sie bewerbe.
Thatsächliche Beweise bekam mau dafür allerdings
nicht; Thatsache aber war, daß Everhard Kiesheer

Holland die besten Empfehlungen mit-
gebracht, war selber in dem Hause
des Generalgouverncurs eingeführt
und wurde von diesem sehr protegirt,
so daß ihm dadurch natürlich auch alle
übrigen Familien offen standen; in
van der Roest's Hause schien er aber
am liebsten zu verkehren. Van der
Roest selber war ein liebenswürdiger
und sehr gemüthlicher älterer Herr, der
Morgens 9 Uhr in sein Comptoir fuhr,
Abends gegen 6 Uhr seine Geschäfte
abgeschüttelt hatte, um dann nach Hause
zum Diner zu fahren, dann aber auch
nur seiner Erholung und Ruhe leben
wollte. Aufregungen liebte er nicht,
und ebenso wenig kümmerte ihn das,
was sonst in seinem Hause vorging . . .
Es war Nachmittag und ziemlich
kurze Zeit vor dem gewöhnlichen Diuer;
der Tisch dazu stand auch schon aus
der Hinteren, nach dem Garten füh-
renden Veranda gedeckt. Die Damen
saßen aber noch in voller Toilette
im großen Saal in ihren Schaukel-
stühlen, und zwei der sogenannten
„Maids" oder Hausmädchen auf
uutergebreiteten Matten und mit un-
tergeschlageueu Füßen auf dem Mar-
morboden des Saales, nut weiblichen
Arbeiten beschäftigt.
Diese beiden Maids boten übrigens
viel Charakteristisches, denn sie zeigten
deutlich den verschiedenen Typus der
beiden Java jetzt bewohnenden far-
bigen Bolksstämme in aller ihrer
Eigentümlichkeit.
Beide waren etwa von gleichem
Alter und zählten kaum über 17 Jahre.
Die Eine und Kleinere von Beiden,
augenscheinlich Malayiu, war ganz
hübsch und schlank gewachsen, aber
die vorstehenden Backenknochen, ja die
sogar etwas schräg geschnittenen Augen

muß, obgleich das Klima dort
lange nicht mehr so ungesund ist,
vor einer Reihe von Jahren.
Oben in Weltevreden, einer
nächsten Vorstädte Batavia's —
Hauptstadt von Java — in reizender
Lage und unfern eines kleinen, von
Chinesen und Malayen bewohnten
Kampongs, residirte Mynheer van der
Roest auf einem großen, in schönster
Ordnung gehaltenen Erbe, und eine
glänzendere Einrichtung als das Haus
des reichen Handelsherrn zeigten we-
nige Gebäude au der ganzen Straße.
Das Haus van der Roest's bot
auch verschiedene Anziehungspunkte,
denn erstlich hielt Mynheer aus eine
ganz vorzügliche Tafel und vortreff-
liche Weine, und dann war seine jetzige
— seine zweite — Frau eine noch
jugendliche, sehr lebhafte und vergnü-
gungssüchtige Dame wie seine Tochter
aus erster Ehe ein sehr schönes, wenn
auch ein wenig kokettes und etwas
stolzes Wesen, das sich aber natürlich
in Gesellschaften nur von der liebens-
würdigsten Seite zeigte.
Willemina, wie sie hieß, konnte
wirklich für eine Schönheit gelten,
aber für eine Schönheit, die man
) Die vorstehende Erzählung, eine der letzten
Arbeiten uns der Feder Friedrich Gerstäcker's,
ist uns kurz vor dessen Tode zugegangen und
gilt uns deshalb in gewissem Sinne als ein
werthvollcs literarisches Vermächtniß. Unsere
Leser werden uns sür die MiNheiluug dieser
Erzählung um dankbarer sein, als sie darin
eine ausgezeichnet anschauliche und getreue
Schilderung des socialen Lebens auf den
Sundainsein finden werden, welch letztere durch
die Kämpfe der Holländer gegen Atschin dem
allgemeinen Interesse wiederum näher gerückt
worden sind. Das Porträt und die Biographie
des Autors lassen wir im nächsten Hefte folgen.
D. N.

Dre av a n e j i
Erzählung
von
Friedrich Gcrslnckcr.
E r st e s Kapitel.
Es gibt kaum eine reizendere Seenerie, als
Landhäuser der Holländer und der verschiedenen Fremden
rings um Batavia, denn nirgends, wenn wir die
Schweizer davon ausnchmen, ist wunderbare Natur-
schönheit mit allem Zauber menschlichen Wohlbehagens
in Glanz und Luxus so nahe vereint wie hier. In
der Stadt Batavia selber wohnt, wie bekannt, Niemand
—- wenigstens kein Europäer — der nicht
muß, obgleich das Klima dort jetzt
 
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