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ereilte. Die Gicht hatte eines der edleren Organe !
ergriffen nnd ihn überraschend schnell hingerafft. Nun
ftand ich allein in der Fremde, verlassen nnd verwaist, !
denn Vroni, unsere Köchin, war in Wien geblieben,
nnd ich wußte ganz unter wildfremden Leuten weinen
thenren Wohlthäter bestatten. Ich hatte natürlich
Adelinen den schweren Trauerfall gemeldet und sie uw
Ausnahme gebeten, da ich nicht wußte, ob ich wieder
nach Wien zurückkehren solle, uw die Angelegenheiten
unseres thenren Pflegevaters zu ordneu. Ju der
Zwischenzeit nahmen sich einige wackere Menschen
meiner an und suchten mich zn trösten. Eines Mor-
gens aber erschien ein Kaufmann ans Olmütz, der
Neffe meiner Pflegemutter, mit ciuem Anwalt, eröff-
nete mir, daß Herr Krenzfelb ohne ein Testament
nnd ohne bekannte Erben gestorben sei, daß daher die
Seitenverwandten der verstorbenen Frau Kreuzberg
die nächsten Erben der Vcrlassenschaft seien, nnd daß
er im Auftrage derselben gekommen, tun den Nachlaß
in Empfang zn nehmen. Ich mußte mir dies gefallen
lassen, weil der. Anwalt versicherte, daß dies die ge-
setzlichen Bestimmungen seien; allein cs schnitt mir tief
in's Herz, als jener Erbe Miene machte, sogar über
Das Buch fn r A l l
heit entgegen, welche der ganzen Angelegenheit sogleich
eine andere Wendung gab und meine Rechte wahrte.
Guido v. Eichholz, der Abgesandte meines Schwa-
gers, entledigte sich seiner Mission ans eine ebenso takt-
volle als gewissenhafte Weise, nnd ihm nnd seinen
energischen Bemühungen verdankten Adeline nnd ich
die Auffindung eines Testaments unseres Pflegevaters,
welches uns einen Theil seines bescheidenen Vermögens
znwies. Herr v. Eichholz brachte mich zu meiner
Schwester in die Nahe von Tyrnan, wo ich von Seiten
meines Schwagers die liebreichste Aufnahme fand, nnd
reiste dann nach Wien, uw die Erbschafts-Angelegenheit
zu regeln.
Ich war in meiner neuen Heimath so zufrieden,
so heimisch nnd heimelig, wie ich es nie zuvor gewesen
war. Mein Schwager begegnete mir in allen Stücken
so wohlwollend cmd herzlich für mich besorgt, daß
nur die bloße Erinnerung daran warme Thränen in
die Angen treibt. Adeline, die hübsche, säusle, treu-
herzige Frau, behandelte mich mit der Zärtlichkeit
einer Mutter, und gab mir einen kleinen Wirkungs-
kreis in ihrer Familie, welcher mich unter geregelter
Thätigkeit die vergangenen Erlebnisse vergessen und
Heft 24.
den hatte, obschon ich dein jungen Grafen ebenfalls
warne ^zngethan nnd für seine Vorzüge nicht blind
war. Ich hegte für ihn nicht nur eine gewisse Be-
wunderung, sondern eine wahrhaft schwesterliche Zu-
neigung, denn er war schön, gewandt, geistreich, ge-
bildet, ein vollendeter Cavalier, voll berechtigten Selbst-
gefühls und einer edlen Würde, aber ohne alte An-
maßung, nud wurde von den Frauen ausgezeichnet,
so daß cr, wenn er in der großen Welt anfgelrelen
wäre, der besten Parthieeu sicher gewesen sein'würde.
Eines Tages — ich war eben nach einem benachbarten
Gut gefahren — kam er daher geritten und bat Ade-
linen nnd meinen Schwager Franz um die Erlaubnis,
um^mich werben zu dürfen, da er fest entschlossen sei,
mich zum Altar zu führen.
Ich habe nie einen heitereren und glücklicheren
Ausdruck auf dem Gesicht meines Schwagers gesehen,
als au jenem Abend, wie er nach meiner Rückkehr
von dem Ausflug mich halb scherzend bat, ihm ein
Gespräch unter vier Augen in seinem Stndirzimmer
zu gönnen und als daun Adeline uns solche, um, wie
sie sagte, ebenfalls in dies Geheimniß eingeweiht zu
werden. Er entledigte sich dann seines Auftrags und
Ansicht OrtkS TriMnll in Wiirttcmvcrg. Nach cincr Orig'mal-Slizze von G. Lucke. (L-. 563.)
meine eigenen Kleider und Habseligkeiten ein Inventar
ausnehmen Zu lassen. Während ich noch hiegcgeu
protestirte, meldete man einen Herrn v. Eichholz, und
ein hochgewachsener stattlicher Mann, von ernsten
Zügen und dunklem Haar und Teint, trat ein nnd
übergab der Gerichtsperson, welche die Inventarisation
des Nachlasses leitete, einige Papiere.
Es lag etwas in diesem ernsten männlichen Ge-
sicht, was mein Vertrauen im ersten Augenblick gewann,
und als er mir mit meinem Namen ans den Lippen
nnd einem Blicke voll Mitgefühl entgegen kam, konnte
ich mich nicht enthalten, ihm die Hand zu reichen mit
den WorUn: „Wie glücklich bin ich, lieber Schwager,
daß Sie so gütig waren, selbst zu kommen!"
„Sie irren, mein Fräulein! ich bin nicht Ihr
Schwager, sondern nur dessen Bevollmächtigter und
entfernter Verwandter, aber trotzdem auf das eifrigste
bemüht, mich Ihrer uach allen Ihren Bedürfnissen
anzunehmen und Sie zu Ihrer Schwester zn bringen,"
erwiederte er mit einen! sanften freundlichen Lächeln.
Er fragte mich nnn, ums meine Thränen und Auf-
regung zu bedeuten haben, und als ich ihm den Grund
derselben genannt, trat er dem Verlangen des Erb-
bcvollmächtigteu mit einer Ruhe, Würde und Bestimmt-
vertranensvoll in die Zukunft blicken ließ. Ich sah
mich in. dem ganzen kleinen geselligen Kreise, womit
mein Schwager und meine Schwester verkehrten, mit
der rücksichtsvollsten Herzlichkeit ausgenommen und
sühlte mich bald heimisch und ruhig.
So war ein Jahr vergangen, als auch au mich
jene Aufregungen herantraten, welche das Gemüth nnd
Herz des Weibes erschüttern, wenn es vor eine Wahl
gestellt wird, die für die ganze Zukunft entscheiden soll.
In dem Zirkel meines Schwagers Franz waren meist
verheirathete Männer, bis auf zwei, den „Vetter"
Guido, wie er auf dem Gute gewöhnlich genannt
wurde, und einen jungen Grafen Esarvady, welcher
in der Nähe begütert" war. Obschon ich nicht die
einzige ledige Person iu diesem Kreise war, brachten
mir "doch diese beiden ihre Huldigungen in ernstester
Form nnd jed.r ans leine eigene Weise dar, nämlich
Gras Csarvadv ritterlich keck und offen, wie cs einem
begüterten Edelmann ansteht — Guido v. Eichholz
dagegen, der nur Praktikant der Landwirthschaft und
ziemlich mittellos war, schüchtern und mit einer Zurück-
haltung, welche seinen! Takte und Herzen alle Ehre
machte. Ich brauche wohl kaum erst zn sagen, daß
t mein Herz sich bereits im Stillen für Guido entschie-
Adeline umarmte mich stürmisch und setzte voraus,
daß ich mit dem Heirathsautrage einverstanden sein
werde, der alle ihre Hoffnungen übertreffe. Schwager-
Franz und Adeline ließen mich gar nicht zu Worte
kommen, weil sie mein Zögern für Prüderie hielten.
Das Loos, welches mir geboten werde, meinten sie,
sei ein so gesichertes, daß sie es für ihre eigenen Kin-
der in meiner Lage nicht b.sser wünschen könnten.
Graf Esarvady sei zwar nicht reich, da seine Güter
mit einigen großen Hypotheken belastet seien, aber sein
ehrenhafter Charakter, seine achtbaren Grundsätze und
sein anspruchsloses Gebühren ersetzten reichlich, was
ihm an Vermögen abgehe. In der Werlhnng meiner
guten Schwester wog namentlich der Umstand schwer,
daß sie mich durch diese Verbindung in ihrer Nähe
behalten würde.
Es schnürte mir das Herz einigermaßen zusammen,
als ich meinen Lieben die Eröffnung machen mußte,
daß ich kaum 2 k Stunden zuvor eine Werbung von
Guido erhalten und cingcwilligt hatte, seine Gattin
zn werden. Beide waren ebenso überrascht als be-
te übt, als ich ihnen erklärte, daß ich die Werbung des
Grasen trotz aller Vorzüge dieser Parthie ablehnen
müsse, weil mein Herz Guido gehöre nnd ich ihm die
ereilte. Die Gicht hatte eines der edleren Organe !
ergriffen nnd ihn überraschend schnell hingerafft. Nun
ftand ich allein in der Fremde, verlassen nnd verwaist, !
denn Vroni, unsere Köchin, war in Wien geblieben,
nnd ich wußte ganz unter wildfremden Leuten weinen
thenren Wohlthäter bestatten. Ich hatte natürlich
Adelinen den schweren Trauerfall gemeldet und sie uw
Ausnahme gebeten, da ich nicht wußte, ob ich wieder
nach Wien zurückkehren solle, uw die Angelegenheiten
unseres thenren Pflegevaters zu ordneu. Ju der
Zwischenzeit nahmen sich einige wackere Menschen
meiner an und suchten mich zn trösten. Eines Mor-
gens aber erschien ein Kaufmann ans Olmütz, der
Neffe meiner Pflegemutter, mit ciuem Anwalt, eröff-
nete mir, daß Herr Krenzfelb ohne ein Testament
nnd ohne bekannte Erben gestorben sei, daß daher die
Seitenverwandten der verstorbenen Frau Kreuzberg
die nächsten Erben der Vcrlassenschaft seien, nnd daß
er im Auftrage derselben gekommen, tun den Nachlaß
in Empfang zn nehmen. Ich mußte mir dies gefallen
lassen, weil der. Anwalt versicherte, daß dies die ge-
setzlichen Bestimmungen seien; allein cs schnitt mir tief
in's Herz, als jener Erbe Miene machte, sogar über
Das Buch fn r A l l
heit entgegen, welche der ganzen Angelegenheit sogleich
eine andere Wendung gab und meine Rechte wahrte.
Guido v. Eichholz, der Abgesandte meines Schwa-
gers, entledigte sich seiner Mission ans eine ebenso takt-
volle als gewissenhafte Weise, nnd ihm nnd seinen
energischen Bemühungen verdankten Adeline nnd ich
die Auffindung eines Testaments unseres Pflegevaters,
welches uns einen Theil seines bescheidenen Vermögens
znwies. Herr v. Eichholz brachte mich zu meiner
Schwester in die Nahe von Tyrnan, wo ich von Seiten
meines Schwagers die liebreichste Aufnahme fand, nnd
reiste dann nach Wien, uw die Erbschafts-Angelegenheit
zu regeln.
Ich war in meiner neuen Heimath so zufrieden,
so heimisch nnd heimelig, wie ich es nie zuvor gewesen
war. Mein Schwager begegnete mir in allen Stücken
so wohlwollend cmd herzlich für mich besorgt, daß
nur die bloße Erinnerung daran warme Thränen in
die Angen treibt. Adeline, die hübsche, säusle, treu-
herzige Frau, behandelte mich mit der Zärtlichkeit
einer Mutter, und gab mir einen kleinen Wirkungs-
kreis in ihrer Familie, welcher mich unter geregelter
Thätigkeit die vergangenen Erlebnisse vergessen und
Heft 24.
den hatte, obschon ich dein jungen Grafen ebenfalls
warne ^zngethan nnd für seine Vorzüge nicht blind
war. Ich hegte für ihn nicht nur eine gewisse Be-
wunderung, sondern eine wahrhaft schwesterliche Zu-
neigung, denn er war schön, gewandt, geistreich, ge-
bildet, ein vollendeter Cavalier, voll berechtigten Selbst-
gefühls und einer edlen Würde, aber ohne alte An-
maßung, nud wurde von den Frauen ausgezeichnet,
so daß cr, wenn er in der großen Welt anfgelrelen
wäre, der besten Parthieeu sicher gewesen sein'würde.
Eines Tages — ich war eben nach einem benachbarten
Gut gefahren — kam er daher geritten und bat Ade-
linen nnd meinen Schwager Franz um die Erlaubnis,
um^mich werben zu dürfen, da er fest entschlossen sei,
mich zum Altar zu führen.
Ich habe nie einen heitereren und glücklicheren
Ausdruck auf dem Gesicht meines Schwagers gesehen,
als au jenem Abend, wie er nach meiner Rückkehr
von dem Ausflug mich halb scherzend bat, ihm ein
Gespräch unter vier Augen in seinem Stndirzimmer
zu gönnen und als daun Adeline uns solche, um, wie
sie sagte, ebenfalls in dies Geheimniß eingeweiht zu
werden. Er entledigte sich dann seines Auftrags und
Ansicht OrtkS TriMnll in Wiirttcmvcrg. Nach cincr Orig'mal-Slizze von G. Lucke. (L-. 563.)
meine eigenen Kleider und Habseligkeiten ein Inventar
ausnehmen Zu lassen. Während ich noch hiegcgeu
protestirte, meldete man einen Herrn v. Eichholz, und
ein hochgewachsener stattlicher Mann, von ernsten
Zügen und dunklem Haar und Teint, trat ein nnd
übergab der Gerichtsperson, welche die Inventarisation
des Nachlasses leitete, einige Papiere.
Es lag etwas in diesem ernsten männlichen Ge-
sicht, was mein Vertrauen im ersten Augenblick gewann,
und als er mir mit meinem Namen ans den Lippen
nnd einem Blicke voll Mitgefühl entgegen kam, konnte
ich mich nicht enthalten, ihm die Hand zu reichen mit
den WorUn: „Wie glücklich bin ich, lieber Schwager,
daß Sie so gütig waren, selbst zu kommen!"
„Sie irren, mein Fräulein! ich bin nicht Ihr
Schwager, sondern nur dessen Bevollmächtigter und
entfernter Verwandter, aber trotzdem auf das eifrigste
bemüht, mich Ihrer uach allen Ihren Bedürfnissen
anzunehmen und Sie zu Ihrer Schwester zn bringen,"
erwiederte er mit einen! sanften freundlichen Lächeln.
Er fragte mich nnn, ums meine Thränen und Auf-
regung zu bedeuten haben, und als ich ihm den Grund
derselben genannt, trat er dem Verlangen des Erb-
bcvollmächtigteu mit einer Ruhe, Würde und Bestimmt-
vertranensvoll in die Zukunft blicken ließ. Ich sah
mich in. dem ganzen kleinen geselligen Kreise, womit
mein Schwager und meine Schwester verkehrten, mit
der rücksichtsvollsten Herzlichkeit ausgenommen und
sühlte mich bald heimisch und ruhig.
So war ein Jahr vergangen, als auch au mich
jene Aufregungen herantraten, welche das Gemüth nnd
Herz des Weibes erschüttern, wenn es vor eine Wahl
gestellt wird, die für die ganze Zukunft entscheiden soll.
In dem Zirkel meines Schwagers Franz waren meist
verheirathete Männer, bis auf zwei, den „Vetter"
Guido, wie er auf dem Gute gewöhnlich genannt
wurde, und einen jungen Grafen Esarvady, welcher
in der Nähe begütert" war. Obschon ich nicht die
einzige ledige Person iu diesem Kreise war, brachten
mir "doch diese beiden ihre Huldigungen in ernstester
Form nnd jed.r ans leine eigene Weise dar, nämlich
Gras Csarvadv ritterlich keck und offen, wie cs einem
begüterten Edelmann ansteht — Guido v. Eichholz
dagegen, der nur Praktikant der Landwirthschaft und
ziemlich mittellos war, schüchtern und mit einer Zurück-
haltung, welche seinen! Takte und Herzen alle Ehre
machte. Ich brauche wohl kaum erst zn sagen, daß
t mein Herz sich bereits im Stillen für Guido entschie-
Adeline umarmte mich stürmisch und setzte voraus,
daß ich mit dem Heirathsautrage einverstanden sein
werde, der alle ihre Hoffnungen übertreffe. Schwager-
Franz und Adeline ließen mich gar nicht zu Worte
kommen, weil sie mein Zögern für Prüderie hielten.
Das Loos, welches mir geboten werde, meinten sie,
sei ein so gesichertes, daß sie es für ihre eigenen Kin-
der in meiner Lage nicht b.sser wünschen könnten.
Graf Esarvady sei zwar nicht reich, da seine Güter
mit einigen großen Hypotheken belastet seien, aber sein
ehrenhafter Charakter, seine achtbaren Grundsätze und
sein anspruchsloses Gebühren ersetzten reichlich, was
ihm an Vermögen abgehe. In der Werlhnng meiner
guten Schwester wog namentlich der Umstand schwer,
daß sie mich durch diese Verbindung in ihrer Nähe
behalten würde.
Es schnürte mir das Herz einigermaßen zusammen,
als ich meinen Lieben die Eröffnung machen mußte,
daß ich kaum 2 k Stunden zuvor eine Werbung von
Guido erhalten und cingcwilligt hatte, seine Gattin
zn werden. Beide waren ebenso überrascht als be-
te übt, als ich ihnen erklärte, daß ich die Werbung des
Grasen trotz aller Vorzüge dieser Parthie ablehnen
müsse, weil mein Herz Guido gehöre nnd ich ihm die