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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 10
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0225
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Va5 Such fülMe
Wustnette kamilienreitung
10. liest. 1915.
Lworikan. Oopxrixlit 1SI4 Vx Union voutsolie VeilLgsssssNsolivkt, 8tuttZvrt.


»>ill> ging nicht an — UIN Lorchens
mußte sie der eben aufs neue
faßten die Augen öffnen.
- .-Ler Bürgermeister machte vvr Über-
_.v Zgtz vonr Sofa herunter, als
-.^s-ch^. „Wer soll denn aber
- - Wasserleiche gewesen sein?"

trug sie den italienischen Strohhut zur Schau, dessen
Neigung zum Feruflug ein Gummischnürchen kokett
verhütete; noch stolzer zeigte sie der staunenden Ge-
samtheit das weiße Mullkleid mit breiter, roter
Schärpe um die Wespentaille, die langen, gelben
Handschuhe an den Armen.
Wohl war sich Wostermann bewußt, wessen Hand
sich federleicht ans seinen Arm legte, nur daß sein
Herz mit keiner Regung sich dieses Vorzugs freute.
Er konnte es nicht über sich gewinnen, die Fenster
der Poghammerschen Wohnung mit keinem Blick
zu streifen. Und da stand Lorchen, das süße Ge-
sichtchen mit der Hand beschattend.
Jetzt, da die Wagen besetzt waren und die Bürger-
meisterin ihren Knicker aufgespannt hatte, begann
die städtische Kapelle, die vorausfuhr, einen lustigen
Marsch zu blasen, und mit Singen und Lachen setzte
sich der Zug in Bewegung zur Stadt hinaus zum
Buchenwald, zur Försterei.
Und draußen in: Laubrevier, wo lange Tische und
Bänke zum Kaffeegenuß einluden, die braunen
Kannen schier Unerschöpfliches hergaben, die Berge
des mitgebrachten Kuchens nach und nach ver-
schwanden, erklomm die Heiterkeit noch viel höhere
Grade.
Die Junggesellen, das Kleeblatt Pieper, Mosel-
bach und Pulvermacher an der Spitze, machten als-
bald einen geeigneten Platz ausfindig und luden die
Mädchenschar unter Kichern und Scherzen zum Be-
ginn der kindlichen Spiele ein — die Mädchenschar,
in der Lavinia bisher als unbestrittene Königin ge-

Phot. N. Perscheid, Hofphotograph, Berlin.
enver Pascha,
der höchstkommsiidierende der türkischen Nrmee. (5. 218)

Vas grüne stsus.
lkoman aus der Medermeierieit.
von Seorg Hartwig (Emmg Koeppel).
— — (Nachdruck verboten.!
W^»ie losen Blätter zitterten in Frau Jettes
I //M Hand. Sie merkte es kaum, daß es ganz
«W»/ 'E geworden war, die Wucht des Ver-
RW«/ nommenen, halb Erratenen benahm ihr
selbst den Atem.
Ko - die Schande mit dieser Stunde von Lor-
Haupt genommen, und eines armen Weibes
„ swen uin das unehrliche Grab an der Kirchhofs-
"wr stossen nicht umsonst.
>as machte ihr Frauenherz in Mitleid aufwallen.
MMberlich," sagte sie und faßte seine Hand, „will
lew Kind, will Er sein Lorchen noch einmal sehen?
^asse sie sofort rufen. Will Er?"
ko« meinte, er habe den Kopf geschüttelt. Es
,. me auch das letzte Zucken des abgelaufenen Herz-
wwerks sein. Er neigte sich zur Seite.
legte sie die Hand sanft auf seine Lider und
^ckte sie zu. —
Te'i Inwohner des Armenhauses, Männer und
standen aufgereiht, als die hohe Gönnerin
ihr' verließ, und starrten knicksend und grüßend
a»i fliegen, den Tuchzipfel selbst bewundernd, der
vi ,'^oden schleppte. Sie sah darüber fort, die Frage
hcui w bewegend, ob das soeben Vernommene Pog-
„j^'Mrsches Geheimnis bleiben solle oder
ging nicht an
^waisten die Äugen öffnen
Schurig einen S<
dn>, Wenigkeit erfuhr.
u die Wasserleiche
oghainmer," Fr"" Jette vcrwei-
timst.' könnte in diesem Falle gleichgül-
stsein? Wer es auch war, Himberlich war
wht. Ich habe die Beweise in der Tasche."
H'Perr Christian studierte die Papiere durch,
deg Aw der mehrfach visierte Paß, ein Attest
»in, Arbeitgebers und ein polizeiliches Leu-
Wdszeugnis.
stimmt!" sagte er und sah im Geist mit
bch, grauer den jungen Volontär Himber-
„gst" « ^m Elendsbild zusammenschrumpfen.
>vu Erchens willen," fuhr er zuwartcnd
sich ' des Beifalls seiner Gattin nicht ganz
Mist,' 'Zndchte ich wohl ein übriges tun. Kein
ist ,As!"rg! Und, weil er ehrlich gestorben
d» d . om kurzes Läuten der Glocken. Wenn
liehst^ st"ch meinst, Jcttchen — ich möchte aber
^rcheu sein, liebes Jettchen, wenn du
war auch nicht dabei. Ja, als er im
er,uu^""mer einen bangen Aufschrei hörte,
-st er Hut und Stock und lief davon.
hayss^rhen lag auf den Knien vor Frau Pog-
Tch, wr und meinte, sie könne den neuen
deisstiAä nicht mehr ertragen. Sie vergab
dist ,, wn alles nur des Straußes willen,
wlf ihrer Mutter Grab gelegt, und
»ich A "nter Schluchzen für den besseren Sarg
»ich stns Geläute, das ihr verheißen ward —-
kchch^ute sich, daß jetzt nur noch Armut,
H.^chande mehr auf ihrem Namen laste.
Kunde flog wie ein Feucrbrand durchs
tiich^uKn. Die meisten, Lavinia an der Spitze,
» "»n zwar mißächtlich die Nase ob des
' »»IS.

der Lavinia bisher als unbestrittene Königin ge-
herrscht.
Trotz allem Liebreiz wollte es heute mit
der Bewunderung der Braut nichts Rechtes
werden, und von dem LiebeSgram der ver-
schmähten Verehrer, darin sie sich zu sonnen
gehofft, ließen diese trotz aller Wehgefühle
nichts merken. Zwar hatte es die Herren
Moselbach und Pulvermacher nicht wenig
Überredung gekostet, Fritzchen Pieper seiner
Schwermut zu entreißen, der unter Berufung
auf seine Herzcnswunde versichert hatte, dem
Feste unbedingt fernbleiben zu wollen, und
nur der Hinweis auf seinen Schwur und
Handschlag vermochte ihn schließlich, die Un-
getreue mit stillem Gruße abzufinden und dem
Beispiel seiner Freunde zu folgen.
Dieses Beispiel verursachte einigen jungen
Damen schämiges Entzücken und steigerte La-
vinias Mißstimmung erheblich.
Sie fächelte sich gelangweilt, indessen
„Kämmerchcnvermieten" und'„Blindekuh" die
ganze übrige Gesellschaft vvr Lachen kaum
zu Atem kommen ließen. Sonst, wenn sie
dahinschwebte, war es ein Ereignis für alle
gewesen, jetzt klatschten Moselbach, Pulver-
macher und selbst Pieper Frau Krokers
Schwester Beifall, als sie wie ein Pfeil an
ihnen vorbeiflvg.
„Es ist entsetzlich fad heute," sagte sie
mißächtlich zu ihrem Bräutigam. „Als wenn
hier alle auf den Kopf gefallen wären."
„So laß uns in den Wald gehen," sagte
Wostermann. Er war so ernst gestimmt und
diesem lustigen Treiben so gedankenfremd, daß
es ihm eine Erlösung dünkte, in Schweigen
dahinzuwandeln.
So führte er sie durchs lichte Unterholz
den Weg am Bach entlang, der zwischen be-
moosten Steinen und Farnkraut vorüber-
murmelte.
Da sank Lavinias Laune auf den Gefrier-
punkt. Denn hier auf diesem romantisch um-
sponnenen Baumstumpf hatte sie im vorigen

Armenhäuslers Ende, der Syndikus dagegen und seine Verehrer mit schmcrzensvoller Glut erfüllte. Stolz
Gattin und manche andere, die Lorchen eine Freude ' ... "" " ' ""
machen wollten, gaben Blumen hin, daß doch der
Sarg nicht ganz kahl und leer hinausgetragen werde.
In Wostermanns Brust glühte dieser Wunsch bis
zur Schmerzhaftigkeit auf. Ganze Fliederbüsche
Hütte er brechen mögen, um sie Lorchen in die Hand
zu drücken. Und morgen, am zweiten Feiertag, stand
jener Ausflug nach dem Buchenwalde mit Picknick
und Tanzvergnügen auf dein Programm, darauf
sich Lorchen das ganze Jahr hindurch gefreut hatte.
Nun blieb sie fern — in Trauer.
Uct)1/ehnte5 Kapitel.
Ein schöneres Wetter konnte man sich gar nicht
denken. Strahlend blauer Himmel, lindes Wind-
gesäusel, auch nicht das kleinste Wölkchen, das Angst
erregen konnte. Und in den Häusern, auf den Stra-
ßen ein Aufruhr glücklichster Erwartung.
Punkt zwei Uhr verließen die mit Maien ge-
schmückten Leiterwagen die Höfe, fünf wohlgestopfte
Säcke auf jedem Wagen, und rasselten unter lustigem
Peitschenknallen vor Tür nnd Tor. Vor dem bürger-
meisterlichen Hause hielt der rcichstbekränzte, und
Appel und Kathrine schleppten in Körben und
Taschen den Mundvorrat herbei. Gespart wurde
nicht — das war Ehrensache.
Nach der Verstauung, die allenthalben unter
kreischendem Gelächter vor sich ging, erschienen Hir-
singers und das Brautpaar.
Wenn je, war Lavinia heute mit Liebreiz so
übergossen, daß sie die Herzen der bekümmerten
 
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