heft 24 .. .
Endlich meldete auch er sich. Die Hand streckte
er dem Kadetten hin, und dann küßte er ihn.
„Mein Junge, mein geliebter Junge!" flüsterre
die Mutter und hakte sich bei Arnulf ein. „Ich darf
doch?" kehrte sie sich entschuldigend zu ihrem Manne
zurück.
„Aber, bitte, bitte! — Ich besorge indessen das
Gepäck. An der Droschke erwartet ihr mich!"
Sie gingen auseinander. Clemence roch an den
Rosen. Winterware, der man mit Rosenöl nach-
geholfen hatte. Sie selbst kam aus dem Lande der
Blüten und des Dufts. Aber Arnulf hatte es gut
gemeint, so gut als er konnte. Deshalb dankte
sie ihm mit der lebhaften Anerkennung: „Die
schönen Rosen! Werde ich sie heil nach Hause
bringen?"
„Ich hätte vielleicht etwas anderes nehmen
sollen —"
„Nicht doch, mein Junge, sie sind wundervoll,
und wenn sie Freude gemacht haben, ist ihr Zweck
erfüllt." Dann sah sie ihn zärtlich prüfend an.
„Gut siehst aus du, prächtig! Mamas Sonntags-
braten hat dir also nicht so sehr gefehlt. Seit wann
bist du zu Haus?"
„Seit heute mittag. Fräulein Walli hat mich
bereits in Pflege genommen, und bis vor einer
Stunde haben wir zusammen den Christbaum ge-
putzt."
„Oh, also auch der ist schon besorgt?"
„Ja, Mama, und ein prächtiger ist's. Er mußte
dies Jahr doch größer sein — nicht wahr?"
„Ja, mein Kind."
„Am vorigen Weihnachen war's trübselig, und
der kleine Baum schien fast noch zu hell —"
„Hast du's auch empfunden?"
Sie hatten die Halle durchschritten, der Wind
wirbelte harte, kalte Schneekristalle um sie her.
In ihnen oder in der eben geweckten Erinnerung
zusammenschauernd, vergrub sich Clemence tiefer
in den Pelzkragen.
Arnulf winkte einen Wagen herbei, und da kam
auch schon das Gepäck.
Auf dem Vordersitz die Eltern, der Kadett auf
dem Rücksitz, so fuhren sie heim.
„Ihr habt euch hier ein barbarisches Fest zu-
rechtgemacht. Wir müssen uns erst dem Süden
und der Sonne entwöhnen," begann Leske das
Gespräch, aber der Wagen lärmte so laut, daß die
Unterhaltung stockte. Clemence hielt Arnulfs Hand
in der ihren, so sagte man sich alles, was im Augen-
blick zu sagen war.
An der Flurtür grüßte eine Girlande, und Walli
Feinschmidt machte die Ehrenbezeugung. Etwas
übertrieben zur Dame des Hauses, sehr förmlich dem
Assessor gegenüber.
Als sie Clemence beim Umkleiden und beim
Ordnen des Haares behilflich war, ging sie gerade
auf ihr nächstes Ziel los. „Vielen Dank noch,
gnädige Frau, für Ihr gütiges Entgegenkommen,"
sagte sie. „Ich darf mich also heute verabschieden?"
„Heute schon? Aber natürlich, übermorgen ist
ja Ihr Hochzeitstag, Sie werden noch Vorberei-
tungen treffen wollen —"
„Ja, gnädige Frau. Die Vorbereitungen selbst
sind ja schon getroffen, aber am späten Abend er-
wartet mich heute mein Verlobter. Wenn ich also
dann frei sein darf —"
„Gewiß, gewiß!"
„Ich danke Ihnen."
„Und morgen? Sie wissen vom vorigen Jahre,
um sechs Uhr schon zünden wir die Lichter an.
Möchten Sie^ nicht dabei sein?"
„Wenn Sie, gnädige Frau, mich entschuldigen
wollten —"
„Auch das begreife ich."
„Wir haben unsere bescheidene Häuslichkeit
sertig, ich übernachte dort schon heute und möchte
worgen die letzten behaglichen Einrichtungen treffen."
„Schön. Ich habe Ihnen aber auch etwas mit-
gebracht, Fräulein Walli. Darf ich es Ihnen nach-
her schon übergeben?"
„Das ist überaus gütig!"
„Doch wohl nur selbstverständlich. Sie nehmen
es also freundlichst zugleich als Hochzeitsgeschenk." —
Im Salon saßen Leske und Arnulf.
Der Kadett fragte, und der Assessor erzählte.
Iie standen sich wärmer und freundlicher als je.
Oas Glück der Mutter machte den Sohn dankbar.
„Wir werden gute Freunde werden, Arnulf,
denke ich," begann Leske.
„Ich hoffe, wir sind es schon, Papa."
, „Um so besser. Ich wollte nur sagen, ich möchte
sucht pE große Respektsperson des Vaters für dich
Ww, sondern der ältere Freund, zu dem der jüngere
vertrauen hat."
Der Kadett errötete beglückt. „Das wird mich
Whr stolz machen, Papa."
„Wir haben uns bisher nur flüchtig und, wie es
uns.
m : V35 Luch für Me —
mir schien, nebensächlich kennen gelernt. Mama
war, wie es sich gehörte, für jeden die Hauptperson.
Und das soll sie bleiben, aber die richtige Beziehung
von Freund zu Freund können wir jetzt finden.
Rauchst du?"
Er hatte ein Etui gezogen.
Arnulf nickte verlegen. „Manchmal — und sogar
sehr gern."
„Na also, dann lang zu. Es sind jetzt Ferien,
und Mama liebt den Duft einer guten Zigarette."
„Danke, Papa."
Er nahm, nach ihm bediente sich auch Armand,
und dann zog das feine Aroma einer erlesenen
Marke durchs Zimmer.
„Ah !" rief Arnulf. „Das ist mal etwas!"
„Schmeckt's? Freut mich, werde für mehr
sorgen."
In der Tür erschien die Mutter. Sie lächelte
beim Anblick des gemütlichen Bildes.
„Arnulf, mein Junge, du rauchst?"
„Daun und wann, Mama, ich probier's."
„Aber nicht zuviel! Du bist noch so jung —"
„Eine Friedenspfeife!" scherzte Armand.
Sie setzte sich zum Sohne. „Wie lange noch,
und ich habe einen Mann zum Sohne. Sieh, Ar-
mand, so alt bin ich schon!"
Es sollte lustige Selbstverspottung sein, dabei
klang aber doch ein Unterton der Wehmut. Die
Neuvermählte fühlte in diesem Augenblick den
Hauch einer Mahnung, wie die Zeit eile.
Auch Armands zärtlicher Protest konnte den
Eindruck nicht völlig verwischen, als er sagte: „Du
sitzest am Spiegel, Clemence — frage ihn und
lästere nicht an deiner Jugend."
Und nun ließ sie sich von Arnulf berichten, wie
es ihm in den letzten Wochen ergangen sei. Er
erzählte so eifrig, daß ihm die Zigarette erlosch, und
Clemence selbst zündete sie ihm wieder an.
Der Abend sank herab, das elektrische Licht
flammte auf.
Da besann sich Clemence auf ihr vergessenes
Vorhaben. „Ich muß jetzt an Walli denken," sagte
sie und erhob sich.
Nach einer kurzen Verabschiedung erschien sie
wieder, eine geschliffene venezianische Vase in der
Hand.
„Unser Hochzeitsgeschenk," wandte sie sich an
Arnulf. „Ist es nicht schön?"
Er staunte es entzückt an. Das Licht der Krone
sprühte Funkengarben aus dem reichen Schliff.
„O Mama, das ist herrlich! Vielleicht zu Prunk-
voll für arme Leute."
„Meinst du?"
„Arnulf hat recht," pflichtete Armand bei. „Ich
will nicht sagen, daß Walli odersihr künftiger Mann
arm seien. Er hat sein Amt, und sie hat sicherlich
etwas zurückgelegt, aber wie ich die Dame beurteile,
wären ihr die hundert Mark in bar vielleicht lieber
gewesen."
„Aber, lieber Armand, das hättest du mir sagen
sollen, als ich das Stück kaufte. Du fandest es selbst
schön."
„Ist es auch, aber gewisse Leute finden das ge-
münzte Gold noch schöner. Du weißt, ich gönne
dir jede Freude, und die Wahl machte dir Freude."
„Du bist immer rücksichtsvoll. Aber wenn ihr
meint, werde ich ihr die Vase als Hochzeitsgeschenk
und einen Hundertmarkschein als Weihnachtsgabe
überreichen."
„Das wird ihr natürlich das allerliebste sein,"
rief Arnulf lachend. „So löst man gordische Knoten."
„So schenkt man fürstlich," bemerkte Armand.
Clemence hatte ihre Freude an dem Gedanken.
„In die kleine Ansichtsmappe von Cannes lege ich
den Schein, und die Vase gibt's zur Hochzeit."
Im Eßzimmer klapperten die Tassen.
Die Tür öffnete sich und Walli Feinschmidt er-
schien. „Die Herrschaften werden hungrig sein nach
der langen Fahrt. Ich habe daran gedacht, und
wenn ich bitten darf —"
Da trat Clemence zu ihr. Sie hatte gerade noch
Zeit gehabt, den Kassenschein in das Buck) zu legen.
„Eine Minute zuvor, liebes Fräulein. Sie wün-
schen uns heute noch zu verlassen, da müssen sich
Christkind und Hochzeitsbote verfrühen."
„Ah -"
Auf dem funkelnden Glase ruhten die Augen
wie gebannt, beinahe geblendet.
„In trüber Trauerzeit haben Sie treu bei mir
ausgehalten, und unterm Lichterbaum hätte ich
Ihnen diese kleine Erinnerung aus dem Süden
aufgebaut. Ihr Heim aber soll diese Vase schmücken.
Möchte ich Ihnen eine Freude damit machen!"
„Gnädige Frau, gnädige Frau!" Die Über-
raschung war echt, und die Unfähigkeit, mehr zu
sagen, verriet ehrliches Ergriffensein.
Dann fand sie doch ein Paar Worte.
„Zuviel der Güte, viel zu viel — ich habe nur
. ..— 52Z
meine Pflicht getan — und manchmal gefürchtet
-sie noch nicht einmal ganz getan zu haben.
Ich danke Ihnen, gnädige Frau, ich danke Ihnen
mehr, als ich sagen kann-"
Und dann stand sie dem Assessor Auge in Auge.
Clemence erwartete, daß sie für das Hochzeits-
geschenk auch ihm danken werde. Walli fühlte die
Erwartung. Da nahm sie sich zusammen, und dem
starren, festön Blick Leskes, der ihr ein heimliches
Gebieten auszusprechen schien, standhaltend, sagte
sie: „Auch Ihnen, Herr Assessor, meinen Dank!"
Die Hand reichte sie nur Clemence.
Dann ging man zu Tische.
Nach altem Brauch in dem Hause Emmerich
brannte man zu Weihnachten Wachslichter. Das
gab einen gewohnten heimatlichen Duft.
Drei frohe Menschen genossen die Freude des
Schenkens, die sie einander bereitet hatten.
Arnulf war besonders glücklich. Sein neuer
Vater hatte ihm eine kostbare Gabe unter die
Tanne gelegt. Eine goldene Uhr mit schwerer
Kette, ein Wunderwerk aus Genf, das Tage und
Mondzeiten anzeigte, mit silberhellem Klange die
Stunden angab und nachts noch mit leuchtendem
Zifferblatt Wache hielt. Der Beschenkte wurde
nicht müde, die Uhr anzustaunen und sich ihrer zu
freuen. Und noch vieles andere prangte auf Arnulfs
Platz. Da war ein blitzender Metallkasten, der
großen Vorrat der köstlichen Zigaretten enthielt,
die er gestern rauchen durfte. Obenauf aber lag
ein schweres goldenes Etui mit seinem Namen.
Wie ein Vorschuß auf Mannesgerechtsame mutete
es ihn an, und tiefe Dankbarkeit für den zartfühlen-
den Spender erfüllte ihn.
Endlich löschte Arnulf die Lichter. Es war
immer sein Amt gewesen. In grauen Fäden
schwebte dünner Rauch, schwül und schwer zog der
Wachsgeruch eine Weile durch den Raum, dann
leuchtete nur noch die Krone durch den dämmern-
den Dunst, und ein heimliches Dunkel nistete sich
in alle Ecken.
Das Licht war aus, die Stimmung blieb.
Und so saß man noch eine ganze Weile zu-
sammen, gemütlich und nachgenießend.
Arnulf probierte sein neues Taschenmesser, in-
dem er einen duftigen Apfel schälte, und dazwischen
liebäugelte er mit der Uhr.
„Doch noch ein Junge!" dachte Clemence be-
glückt. „Und das Zigarettenlager messe ich ihm
sorgsam zu."
In ihrer Tasche knisterte ein Brief. Auch ein
alter Brauch, aber einer aus dem Hause Theiner.
Kein Weihnachtsfest verging ohne einen solchen
Feiertagsgruß. Meist nur eine Postkarte, wenn
nichts Besonderes mitzuteilen war, und Clemences
Karte war auch gestern nach Hägershof abgegaugen.
Nichts weiter als Glückwunsch und Meldung der Heim-
kehr enthaltend.
Ihr war's anders beschieden.
Als sie am Nachmittage von den letzten Be-
sorgungen heimkam, hatte ein dicker Brief im Kasten
gesteckt. Ein dicker Brief mit dicken, steilen, un-
gefügen Buchstaben. So schrieb nur Michael.
Sie hatte ihn zu sich gesteckt.
Nicht in der eigentlichen Absicht, ihn zu ver-
bergen, aber doch in dem Gefühl, diese Fülle
brauche nicht ohne weiteres freudeverheißend zu
sein, und man tue gut, sie erst nach der Feststimmung
zu genießen.
Jetzt knisterte es wieder.
Armand hatte sich ans Klavier gesetzt und spielte
Weihnachtslieder, Arnulf bewunderte unentwegt
seine Uhr, da zog Clemence den Brief hervor und
schnitt ihn auf.
Nach den ersten Zeilen wurde sie unruhig.
Sie schob ihn in die Tasche zurück und verließ
das Zimmer. In die Schlafstube ging sie und
machte sich dort Licht. Vom Salon her klangen
leise, diskret die Weihnachtsmelodien, und sie las
bei ihrem Klang:
„Liebes Tinchen!
Diesmal gibt's nicht etwa den üblichen Schmus:
drei Worte vorgedruckt vom .Fröhlichen Weihnachts-
gruß sendet" und dann den Namen. Diesmal gibt's
ein großes Kopfwäschen. Ja, bist Du denn ganz
von Gott verlassen, daß Du dem Justizrat eine
solche verrückte Erklärung sendest! Leske hat
Generalvollmacht in allem, was Dein unein-
geschränktes persönliches Vermögen betrifft, und
Börsenoperationen sind verfügt worden, über die
mir einfach die Haare zu Berge stehen. Natürlich
kannst Du nut Deinem Gelde machen, was Du
willst, kannst es einfach in den Sumpf schmeißen,
wo er am tiefsten ist, aber still werde ich dazu nicht
sein, sondern einen Krach machen, daß die Welt
zusammenläuft, und die Generalvollmacht ist mir
Endlich meldete auch er sich. Die Hand streckte
er dem Kadetten hin, und dann küßte er ihn.
„Mein Junge, mein geliebter Junge!" flüsterre
die Mutter und hakte sich bei Arnulf ein. „Ich darf
doch?" kehrte sie sich entschuldigend zu ihrem Manne
zurück.
„Aber, bitte, bitte! — Ich besorge indessen das
Gepäck. An der Droschke erwartet ihr mich!"
Sie gingen auseinander. Clemence roch an den
Rosen. Winterware, der man mit Rosenöl nach-
geholfen hatte. Sie selbst kam aus dem Lande der
Blüten und des Dufts. Aber Arnulf hatte es gut
gemeint, so gut als er konnte. Deshalb dankte
sie ihm mit der lebhaften Anerkennung: „Die
schönen Rosen! Werde ich sie heil nach Hause
bringen?"
„Ich hätte vielleicht etwas anderes nehmen
sollen —"
„Nicht doch, mein Junge, sie sind wundervoll,
und wenn sie Freude gemacht haben, ist ihr Zweck
erfüllt." Dann sah sie ihn zärtlich prüfend an.
„Gut siehst aus du, prächtig! Mamas Sonntags-
braten hat dir also nicht so sehr gefehlt. Seit wann
bist du zu Haus?"
„Seit heute mittag. Fräulein Walli hat mich
bereits in Pflege genommen, und bis vor einer
Stunde haben wir zusammen den Christbaum ge-
putzt."
„Oh, also auch der ist schon besorgt?"
„Ja, Mama, und ein prächtiger ist's. Er mußte
dies Jahr doch größer sein — nicht wahr?"
„Ja, mein Kind."
„Am vorigen Weihnachen war's trübselig, und
der kleine Baum schien fast noch zu hell —"
„Hast du's auch empfunden?"
Sie hatten die Halle durchschritten, der Wind
wirbelte harte, kalte Schneekristalle um sie her.
In ihnen oder in der eben geweckten Erinnerung
zusammenschauernd, vergrub sich Clemence tiefer
in den Pelzkragen.
Arnulf winkte einen Wagen herbei, und da kam
auch schon das Gepäck.
Auf dem Vordersitz die Eltern, der Kadett auf
dem Rücksitz, so fuhren sie heim.
„Ihr habt euch hier ein barbarisches Fest zu-
rechtgemacht. Wir müssen uns erst dem Süden
und der Sonne entwöhnen," begann Leske das
Gespräch, aber der Wagen lärmte so laut, daß die
Unterhaltung stockte. Clemence hielt Arnulfs Hand
in der ihren, so sagte man sich alles, was im Augen-
blick zu sagen war.
An der Flurtür grüßte eine Girlande, und Walli
Feinschmidt machte die Ehrenbezeugung. Etwas
übertrieben zur Dame des Hauses, sehr förmlich dem
Assessor gegenüber.
Als sie Clemence beim Umkleiden und beim
Ordnen des Haares behilflich war, ging sie gerade
auf ihr nächstes Ziel los. „Vielen Dank noch,
gnädige Frau, für Ihr gütiges Entgegenkommen,"
sagte sie. „Ich darf mich also heute verabschieden?"
„Heute schon? Aber natürlich, übermorgen ist
ja Ihr Hochzeitstag, Sie werden noch Vorberei-
tungen treffen wollen —"
„Ja, gnädige Frau. Die Vorbereitungen selbst
sind ja schon getroffen, aber am späten Abend er-
wartet mich heute mein Verlobter. Wenn ich also
dann frei sein darf —"
„Gewiß, gewiß!"
„Ich danke Ihnen."
„Und morgen? Sie wissen vom vorigen Jahre,
um sechs Uhr schon zünden wir die Lichter an.
Möchten Sie^ nicht dabei sein?"
„Wenn Sie, gnädige Frau, mich entschuldigen
wollten —"
„Auch das begreife ich."
„Wir haben unsere bescheidene Häuslichkeit
sertig, ich übernachte dort schon heute und möchte
worgen die letzten behaglichen Einrichtungen treffen."
„Schön. Ich habe Ihnen aber auch etwas mit-
gebracht, Fräulein Walli. Darf ich es Ihnen nach-
her schon übergeben?"
„Das ist überaus gütig!"
„Doch wohl nur selbstverständlich. Sie nehmen
es also freundlichst zugleich als Hochzeitsgeschenk." —
Im Salon saßen Leske und Arnulf.
Der Kadett fragte, und der Assessor erzählte.
Iie standen sich wärmer und freundlicher als je.
Oas Glück der Mutter machte den Sohn dankbar.
„Wir werden gute Freunde werden, Arnulf,
denke ich," begann Leske.
„Ich hoffe, wir sind es schon, Papa."
, „Um so besser. Ich wollte nur sagen, ich möchte
sucht pE große Respektsperson des Vaters für dich
Ww, sondern der ältere Freund, zu dem der jüngere
vertrauen hat."
Der Kadett errötete beglückt. „Das wird mich
Whr stolz machen, Papa."
„Wir haben uns bisher nur flüchtig und, wie es
uns.
m : V35 Luch für Me —
mir schien, nebensächlich kennen gelernt. Mama
war, wie es sich gehörte, für jeden die Hauptperson.
Und das soll sie bleiben, aber die richtige Beziehung
von Freund zu Freund können wir jetzt finden.
Rauchst du?"
Er hatte ein Etui gezogen.
Arnulf nickte verlegen. „Manchmal — und sogar
sehr gern."
„Na also, dann lang zu. Es sind jetzt Ferien,
und Mama liebt den Duft einer guten Zigarette."
„Danke, Papa."
Er nahm, nach ihm bediente sich auch Armand,
und dann zog das feine Aroma einer erlesenen
Marke durchs Zimmer.
„Ah !" rief Arnulf. „Das ist mal etwas!"
„Schmeckt's? Freut mich, werde für mehr
sorgen."
In der Tür erschien die Mutter. Sie lächelte
beim Anblick des gemütlichen Bildes.
„Arnulf, mein Junge, du rauchst?"
„Daun und wann, Mama, ich probier's."
„Aber nicht zuviel! Du bist noch so jung —"
„Eine Friedenspfeife!" scherzte Armand.
Sie setzte sich zum Sohne. „Wie lange noch,
und ich habe einen Mann zum Sohne. Sieh, Ar-
mand, so alt bin ich schon!"
Es sollte lustige Selbstverspottung sein, dabei
klang aber doch ein Unterton der Wehmut. Die
Neuvermählte fühlte in diesem Augenblick den
Hauch einer Mahnung, wie die Zeit eile.
Auch Armands zärtlicher Protest konnte den
Eindruck nicht völlig verwischen, als er sagte: „Du
sitzest am Spiegel, Clemence — frage ihn und
lästere nicht an deiner Jugend."
Und nun ließ sie sich von Arnulf berichten, wie
es ihm in den letzten Wochen ergangen sei. Er
erzählte so eifrig, daß ihm die Zigarette erlosch, und
Clemence selbst zündete sie ihm wieder an.
Der Abend sank herab, das elektrische Licht
flammte auf.
Da besann sich Clemence auf ihr vergessenes
Vorhaben. „Ich muß jetzt an Walli denken," sagte
sie und erhob sich.
Nach einer kurzen Verabschiedung erschien sie
wieder, eine geschliffene venezianische Vase in der
Hand.
„Unser Hochzeitsgeschenk," wandte sie sich an
Arnulf. „Ist es nicht schön?"
Er staunte es entzückt an. Das Licht der Krone
sprühte Funkengarben aus dem reichen Schliff.
„O Mama, das ist herrlich! Vielleicht zu Prunk-
voll für arme Leute."
„Meinst du?"
„Arnulf hat recht," pflichtete Armand bei. „Ich
will nicht sagen, daß Walli odersihr künftiger Mann
arm seien. Er hat sein Amt, und sie hat sicherlich
etwas zurückgelegt, aber wie ich die Dame beurteile,
wären ihr die hundert Mark in bar vielleicht lieber
gewesen."
„Aber, lieber Armand, das hättest du mir sagen
sollen, als ich das Stück kaufte. Du fandest es selbst
schön."
„Ist es auch, aber gewisse Leute finden das ge-
münzte Gold noch schöner. Du weißt, ich gönne
dir jede Freude, und die Wahl machte dir Freude."
„Du bist immer rücksichtsvoll. Aber wenn ihr
meint, werde ich ihr die Vase als Hochzeitsgeschenk
und einen Hundertmarkschein als Weihnachtsgabe
überreichen."
„Das wird ihr natürlich das allerliebste sein,"
rief Arnulf lachend. „So löst man gordische Knoten."
„So schenkt man fürstlich," bemerkte Armand.
Clemence hatte ihre Freude an dem Gedanken.
„In die kleine Ansichtsmappe von Cannes lege ich
den Schein, und die Vase gibt's zur Hochzeit."
Im Eßzimmer klapperten die Tassen.
Die Tür öffnete sich und Walli Feinschmidt er-
schien. „Die Herrschaften werden hungrig sein nach
der langen Fahrt. Ich habe daran gedacht, und
wenn ich bitten darf —"
Da trat Clemence zu ihr. Sie hatte gerade noch
Zeit gehabt, den Kassenschein in das Buck) zu legen.
„Eine Minute zuvor, liebes Fräulein. Sie wün-
schen uns heute noch zu verlassen, da müssen sich
Christkind und Hochzeitsbote verfrühen."
„Ah -"
Auf dem funkelnden Glase ruhten die Augen
wie gebannt, beinahe geblendet.
„In trüber Trauerzeit haben Sie treu bei mir
ausgehalten, und unterm Lichterbaum hätte ich
Ihnen diese kleine Erinnerung aus dem Süden
aufgebaut. Ihr Heim aber soll diese Vase schmücken.
Möchte ich Ihnen eine Freude damit machen!"
„Gnädige Frau, gnädige Frau!" Die Über-
raschung war echt, und die Unfähigkeit, mehr zu
sagen, verriet ehrliches Ergriffensein.
Dann fand sie doch ein Paar Worte.
„Zuviel der Güte, viel zu viel — ich habe nur
. ..— 52Z
meine Pflicht getan — und manchmal gefürchtet
-sie noch nicht einmal ganz getan zu haben.
Ich danke Ihnen, gnädige Frau, ich danke Ihnen
mehr, als ich sagen kann-"
Und dann stand sie dem Assessor Auge in Auge.
Clemence erwartete, daß sie für das Hochzeits-
geschenk auch ihm danken werde. Walli fühlte die
Erwartung. Da nahm sie sich zusammen, und dem
starren, festön Blick Leskes, der ihr ein heimliches
Gebieten auszusprechen schien, standhaltend, sagte
sie: „Auch Ihnen, Herr Assessor, meinen Dank!"
Die Hand reichte sie nur Clemence.
Dann ging man zu Tische.
Nach altem Brauch in dem Hause Emmerich
brannte man zu Weihnachten Wachslichter. Das
gab einen gewohnten heimatlichen Duft.
Drei frohe Menschen genossen die Freude des
Schenkens, die sie einander bereitet hatten.
Arnulf war besonders glücklich. Sein neuer
Vater hatte ihm eine kostbare Gabe unter die
Tanne gelegt. Eine goldene Uhr mit schwerer
Kette, ein Wunderwerk aus Genf, das Tage und
Mondzeiten anzeigte, mit silberhellem Klange die
Stunden angab und nachts noch mit leuchtendem
Zifferblatt Wache hielt. Der Beschenkte wurde
nicht müde, die Uhr anzustaunen und sich ihrer zu
freuen. Und noch vieles andere prangte auf Arnulfs
Platz. Da war ein blitzender Metallkasten, der
großen Vorrat der köstlichen Zigaretten enthielt,
die er gestern rauchen durfte. Obenauf aber lag
ein schweres goldenes Etui mit seinem Namen.
Wie ein Vorschuß auf Mannesgerechtsame mutete
es ihn an, und tiefe Dankbarkeit für den zartfühlen-
den Spender erfüllte ihn.
Endlich löschte Arnulf die Lichter. Es war
immer sein Amt gewesen. In grauen Fäden
schwebte dünner Rauch, schwül und schwer zog der
Wachsgeruch eine Weile durch den Raum, dann
leuchtete nur noch die Krone durch den dämmern-
den Dunst, und ein heimliches Dunkel nistete sich
in alle Ecken.
Das Licht war aus, die Stimmung blieb.
Und so saß man noch eine ganze Weile zu-
sammen, gemütlich und nachgenießend.
Arnulf probierte sein neues Taschenmesser, in-
dem er einen duftigen Apfel schälte, und dazwischen
liebäugelte er mit der Uhr.
„Doch noch ein Junge!" dachte Clemence be-
glückt. „Und das Zigarettenlager messe ich ihm
sorgsam zu."
In ihrer Tasche knisterte ein Brief. Auch ein
alter Brauch, aber einer aus dem Hause Theiner.
Kein Weihnachtsfest verging ohne einen solchen
Feiertagsgruß. Meist nur eine Postkarte, wenn
nichts Besonderes mitzuteilen war, und Clemences
Karte war auch gestern nach Hägershof abgegaugen.
Nichts weiter als Glückwunsch und Meldung der Heim-
kehr enthaltend.
Ihr war's anders beschieden.
Als sie am Nachmittage von den letzten Be-
sorgungen heimkam, hatte ein dicker Brief im Kasten
gesteckt. Ein dicker Brief mit dicken, steilen, un-
gefügen Buchstaben. So schrieb nur Michael.
Sie hatte ihn zu sich gesteckt.
Nicht in der eigentlichen Absicht, ihn zu ver-
bergen, aber doch in dem Gefühl, diese Fülle
brauche nicht ohne weiteres freudeverheißend zu
sein, und man tue gut, sie erst nach der Feststimmung
zu genießen.
Jetzt knisterte es wieder.
Armand hatte sich ans Klavier gesetzt und spielte
Weihnachtslieder, Arnulf bewunderte unentwegt
seine Uhr, da zog Clemence den Brief hervor und
schnitt ihn auf.
Nach den ersten Zeilen wurde sie unruhig.
Sie schob ihn in die Tasche zurück und verließ
das Zimmer. In die Schlafstube ging sie und
machte sich dort Licht. Vom Salon her klangen
leise, diskret die Weihnachtsmelodien, und sie las
bei ihrem Klang:
„Liebes Tinchen!
Diesmal gibt's nicht etwa den üblichen Schmus:
drei Worte vorgedruckt vom .Fröhlichen Weihnachts-
gruß sendet" und dann den Namen. Diesmal gibt's
ein großes Kopfwäschen. Ja, bist Du denn ganz
von Gott verlassen, daß Du dem Justizrat eine
solche verrückte Erklärung sendest! Leske hat
Generalvollmacht in allem, was Dein unein-
geschränktes persönliches Vermögen betrifft, und
Börsenoperationen sind verfügt worden, über die
mir einfach die Haare zu Berge stehen. Natürlich
kannst Du nut Deinem Gelde machen, was Du
willst, kannst es einfach in den Sumpf schmeißen,
wo er am tiefsten ist, aber still werde ich dazu nicht
sein, sondern einen Krach machen, daß die Welt
zusammenläuft, und die Generalvollmacht ist mir