Wernigerode Stadt.
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knieendes Ehepaar dar, Graf Heinrich und seine Gemahlin mit ihren Wappen,
beim Grafen die 2 Forellen, roth in silbernem Felde, bei der Gräfin ein grün
und weiss gestreifter Schild mit einem rechts gekehrten, aufgerichteten heraldischen
Löwen. Die Schrifttafel besagt in Minuskeln (s. Fig. 78):
na bort m fcreüe ver cccc twe x dar by negen
ftraf hinrich greue des va ftalbarch leve neue
van wernigrode ; ftarff hinrich left erue dode
et was do hire fancti erafnai vire
vp vridach wende na vefper was do fin ende
Mit guder andacht van wernigrode fo bedacht
der feie zine fi(e gnedig g)odt ane pine.
Aus dem Munde des Grafen steigt ein Zettel empor mit dem Text „wes wns
barmhertig here“, und aus dem der Gräfin „des begere we vö herten fere.“
b) Die Marien- oder Unser Liebenfrauenkirche
(Beatae Mariae virginisV-
Ihre Lage, fast in der Mitte der Stadt, auf einem für sie bestimmten freien
Platz, der anfänglich auch Friedhof war, scheint die Annahme zu rechtfertigen,
dass die Kirche ein hohes Alter hatte, bevor sie in die jetzige moderne Form umge-
wandelt wurde. Wernigerode war ja (wie bereits erwähnt) in der Mitte des
13. Jahrhunderts eine mit Rechten ausgestattete ummauerte Stadt (Alt- und Neu-
stadt) wenn auch nicht von bedeutender Ausdehnung, als Waldort aber weiter
ausgedehnt, als die Einwohnerzahl verlangte; es konnte daher eine einzige Kirche,
die S. Silvester- und Georg - Kirche, welche am westlichen Ende lag, nicht
genügen.
Die Marienkirche wird zuerst unterm 9. Januar 1230 in einer Urkunde des
Bischofs Konrad zu Hildesheim (1221 —1247 regierend) erwähnt, wonach dieser sagt:
»in tnda bobale — ©berarbo plebauo iti IDernigerob
»enbibimuö (nämlich mansum, eine Hufe) ab opus ecclefie v>d capetle $>. ütaviae
in XDcmiijerob u
damit der Pleban (Pfarrer) in Wernigerode die Nutzung davon habe. Aus diesem
Satz geht hervor, dass S. Marien eine Kirche oder Kapelle war, die vielleicht in
einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss von der alten Pfarrkirche S. Silvesters
stand, welche das Recht für sich allein beanspruchte, den Dienst der Kirche
zu S. Marien für die Stadt zu besorgen, also auch die Einkünfte für sich behielt.
Wenn nun auch dem städtischen Bedürfniss entsprechend die Frauenkirche im
13. Jahrli. zur eigentlichen Stadtkirche erhoben wurde, so verblieb doch stets der
Pfarrer in seiner Abhängigkeit vom nunmehrigen Chorherrenstift, und wurde aus den
Geistlichen des Stifts ausgewählt.
Erst die Reformation änderte dieses Yerhältniss, weiI die der Reformation
zuerst beitretende Stadtgemeinde einen eigenen Geistlichen verlangte, während das 1
1 Vgl. Kirchliche Alterthümer der Grafschaft Wernigerode in der Zeitschrift des Harz-
vereins XII, S. 167 f.
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knieendes Ehepaar dar, Graf Heinrich und seine Gemahlin mit ihren Wappen,
beim Grafen die 2 Forellen, roth in silbernem Felde, bei der Gräfin ein grün
und weiss gestreifter Schild mit einem rechts gekehrten, aufgerichteten heraldischen
Löwen. Die Schrifttafel besagt in Minuskeln (s. Fig. 78):
na bort m fcreüe ver cccc twe x dar by negen
ftraf hinrich greue des va ftalbarch leve neue
van wernigrode ; ftarff hinrich left erue dode
et was do hire fancti erafnai vire
vp vridach wende na vefper was do fin ende
Mit guder andacht van wernigrode fo bedacht
der feie zine fi(e gnedig g)odt ane pine.
Aus dem Munde des Grafen steigt ein Zettel empor mit dem Text „wes wns
barmhertig here“, und aus dem der Gräfin „des begere we vö herten fere.“
b) Die Marien- oder Unser Liebenfrauenkirche
(Beatae Mariae virginisV-
Ihre Lage, fast in der Mitte der Stadt, auf einem für sie bestimmten freien
Platz, der anfänglich auch Friedhof war, scheint die Annahme zu rechtfertigen,
dass die Kirche ein hohes Alter hatte, bevor sie in die jetzige moderne Form umge-
wandelt wurde. Wernigerode war ja (wie bereits erwähnt) in der Mitte des
13. Jahrhunderts eine mit Rechten ausgestattete ummauerte Stadt (Alt- und Neu-
stadt) wenn auch nicht von bedeutender Ausdehnung, als Waldort aber weiter
ausgedehnt, als die Einwohnerzahl verlangte; es konnte daher eine einzige Kirche,
die S. Silvester- und Georg - Kirche, welche am westlichen Ende lag, nicht
genügen.
Die Marienkirche wird zuerst unterm 9. Januar 1230 in einer Urkunde des
Bischofs Konrad zu Hildesheim (1221 —1247 regierend) erwähnt, wonach dieser sagt:
»in tnda bobale — ©berarbo plebauo iti IDernigerob
»enbibimuö (nämlich mansum, eine Hufe) ab opus ecclefie v>d capetle $>. ütaviae
in XDcmiijerob u
damit der Pleban (Pfarrer) in Wernigerode die Nutzung davon habe. Aus diesem
Satz geht hervor, dass S. Marien eine Kirche oder Kapelle war, die vielleicht in
einem gewissen Abhängigkeitsverhältniss von der alten Pfarrkirche S. Silvesters
stand, welche das Recht für sich allein beanspruchte, den Dienst der Kirche
zu S. Marien für die Stadt zu besorgen, also auch die Einkünfte für sich behielt.
Wenn nun auch dem städtischen Bedürfniss entsprechend die Frauenkirche im
13. Jahrli. zur eigentlichen Stadtkirche erhoben wurde, so verblieb doch stets der
Pfarrer in seiner Abhängigkeit vom nunmehrigen Chorherrenstift, und wurde aus den
Geistlichen des Stifts ausgewählt.
Erst die Reformation änderte dieses Yerhältniss, weiI die der Reformation
zuerst beitretende Stadtgemeinde einen eigenen Geistlichen verlangte, während das 1
1 Vgl. Kirchliche Alterthümer der Grafschaft Wernigerode in der Zeitschrift des Harz-
vereins XII, S. 167 f.