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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0080

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10

Bald stimmte eich bei der immer mehr zunehmenden Er-
schlaffung und Verweichlichung der lonier auch diese Heldcner-
weckung in die empfindsamem Ermunterungen zum Lebensgenuß
und in weichere Klagen um. Die Doppelllüten wurden die Gefähr-
tinnen des in Umarmung der Geliebten zugebrachten Fesfes und
der nächtlichen Klage an der Ttn'ire des Mädchens. So schuf der
lonier Mimnermus eine neue Gattung, als er seiner geliebten
Flötenspielcrin Nanno die ersten Lieheselegieen sang, und in den
noch vorhandenen Bruchstücken die weichlichsten Klagen über die
Kürze des Lebens und der Freude aushauchte. Er wurde das
Muster einer Dichtungsart, die später Philetas und Callimachns,
und unter den Römern die uns wohlbekannten Elegiker ausbilde-
ten. —■ Erst spät brachte Simonides aus Ceos durch seine
Wehklagen und Trauerlieder, wozu er sich häufig auch dieses
Sylbenmafscs bedient zu haben scheint, die Benennung Elegie,
das heifst, wörtlich übersetzt, Wehklage, in Umlauf unter den
Griechen, die in spätem Zeiten der Name der ganzen Gattung
geworden ist. Zu diesem Allen mufs man sich die Doppelllöte als
das begleitende Instrument hinzudenken. v) Sie bleibt auch, als
schon längst die Poesie von der sie hebenden und unterstützenden
Musik getrennt war, noch immer das bezeichnende Attribut dieser
Diehtungsart, wenn sie dein, römischen Dichter im Costum einer.
Muse erscheint.

Sehr merkwürdig ist es, dafs kaum 50 Jahre vor dem Si-
monides die Aiiipbictyonen durch die Erneuerung der Pythischeu
Spiele zu Delphi (Ol. 40, 3.) auch der Anlctik eine öffentliche
Sanction und Mitbewerbnng um die heiligen Kampfpreise ertheil-
ten. Nach dem Tansanias *) fügten die Amphictyoncn dem schon
längst gebräuchlichen "Wettkampfe in der Citharüdik auch Kämpfe im
Accompagneinent der Flöten zum Gesang (Aul ö die) und im bloseu
Flötenspiel (Aule tili) hinzu, hoben aber die erstem, in der Au-
lödie, schon bei der zweiten Pythiade wieder auf, weil die Ge-
sänge, zu welchen die Flöten gespielt wurden, einen zu traurigen,
zur Feierlichkeit der Versammlung nicht passenden Inhalt hatten.
Denn man beg 1 ei t e t e ini t den Flöten nur E1 egi een
und Klagelieder. VI) Um so gröfser war der Beifall, den
ein gewisser Sacadas ans Argos im Solospiel auf der Flöte
mehrere Pylhiaden nacheinander erhielt, nnd man kann mit Recht
annehmen, dafs durch diese Kämpfer im Pythischeu Flötenspiel**)
diefs Instrument überhaupt in den griechischen Freistaaten, beson-
ders aber im benachbarten Theben, immer mehr Liebhaher und
Virtuosen erhalten habe.

*) Pausanias X. 7. p. 813. f.

**) Sie hiefsen mit ihrem bestimmten Namen Pythaulae, Pylhische Flö-
tenspieler. S. Saumaise ad Script. IL A. T. II, p. 824.
 
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