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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0240

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Cyclopenaugo *). Wahrhaftig diese Verrnnjlmiig ist so witzig, dafs
ich in Versiiclimig geratho, ihr eine andere entgegenzusetzen,
die, auf der Wage der Wahrscheinlichkeit abgewogen/; wenigstens
nicht leichter befunden werden dürfte als die schöne Schildhypo-
fliese. Wer erinnert sich nicht jener berühmten Schönheitspfläster-
chen,, welche die allmächtige Göttin Mode aus ihrem phantastischen
Füllhorn auf die Stirnen und Wangen unserer Grofslantcii und Ur-
großmütter so reichlich auszustreuen pflegte, welche, wie uns Ad-
dison in seinem Zuschauer so komisch zu erzählen weifs, einst in
England den Whigs und Tp'rys zum Unterscheidungszeichen dien-
ten und in noch frühem Zeiten unter der prachtlichenden Elisa-
beth, so wie die Reifröcke, von den geschmackvollsten Stutzern
getragen wurden'? Pope hat sie in seinem Lockenrauhe verewigt,
und eifrige Kanzelzeloleu zogen mit Strafpredigten gegen sie zu
Felde. Diese Sitte der schwarzen, röseiifarbencn und orangen
Schminhpflasterchen ist ohne Zweifel sehr alt. So war jene Büchse
mit Schönheitsessenz, die nach der Fabel beim Apulejns die arme
Psyche ihrer strengen Gebieterin sogar aus der Unterwelt hervor-
holen mufste, zuverlässig nichts Anderes als eine Mouchendose,
wie sie noch auf den Piitztischen unserer Großmütter paradirtc;
und im alten Rom waren diese Musterehen, die man von ihrer
länglichen Form und einer gewissen Aehnlichkeit mit der Milz
Milzpflästerchen (splenia) nannte, etwas sehr Alltägliches und für
gewisse Leute, deren Stirne eben nicht auf die rühmlichste Weise
mit einer Inschrift geschmückt war, etwas sehr Bequemes ++).
Was hindert uns, um nun doch auch zur Geschichte derErfindun-
gen und Moden ein antiquarisches Schärflein beizutragen , unsere
Cyclopen mit ihrem gemalten runden Fleck über den Nasenwurzeln
als die echten Erfinder aller iu älteren und neueren Zeiten so

*} Banier's Erläuternngen der Götterlelire TIi. V. Seite 253. Auch
Rammler hat neuerlich diese Hypothese aufgenommen.

**) Zu den Galanterieen des unverschämten Regulus rechnet der jün-
gere Plinins in seinen Briefen VI. 2, dafs er als Sachwalter vor
Gericht bald über dem rechten, bald über dem linken Auge ein
weifses Schminkpflaster getragen habe. In Martial's Sinngedichten
linden wir häufige Anspielungen auf diese Mode, die damals in
Rom sehr herrschend gewesen sein mufs. Ein Glücksritter, der
als Sclave gebrandmarkt worden war, blähte sich im Theater durch
den üppigsten Aufzug, II, 29,

Et numerosa linunt stellantem splenia frontem.
-Ignoras quis sit? splenia tolle, leges.

Man vergleiche hierzu Rader's Anmerkungen S. 203. und Alberti
zum Hesychius T. II. c. 1250.
 
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