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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0249

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«lieser geweihte Drache merkwürdiger war als «las beräneherte und
veraltete Idol der Juno seihst, wufste tausend Wundergeschiehten
und Proheu seiner hohen Prophetengabe zu erzählen. Die Piie-
sterin der Juno war auch zugleich verordnete und berufene Dra-
clienwärlerin, und es lüfst sich aus einigen alten, in dieser Gegend
gefundenen Inschriften *) mit Recht vermiilbcn, dafs eine ganze
Schlaiigenfamilie hier gewohnt und auch männliche Diener und
Aufwärter gehabt habe. Dieser Schutz- und Wnnderdrache nun
mufste alle Jahre im Frühlinge seine göttliche Spürkraft auf eine
ganz eigene Weise beurkunden, nnd diese sonderbare Probe war
es eben, die nicht blos aus den benachbarten Dürfen und Flecken,
sondern auch aus der in der Ferne auf ihren sieben Hügeln thro-
nenden Kaiserstadt, aus Rom selbst, auf diesen Tag eine unüher-
sehliehe Menge von Zuschauern nnd Zuschauerinnen herbeizog. Die
unbelleckle Jniigfranschaft der Eanuvinischeii Mädchen wurde bei
dieser Gelegenheit auf eine sehr harte Probe gestellt, und diese
J iing'f er u probe machte den inleressanteslen Puiict des Festes,
Ein alter griechischer Sophist, Aelian., hat uns in seiner Conipila-
tiou iiberilie Thieigeschichte dieses ganze Gaukelspiel mit sehr ernst-
hafter Miene beschrieben **), und sieht man es gleich dieser Beschreib-
ung sehr deutlich au , dafs es dem wundersiichligen Oberpriester —
denn diel's warAclian nach glaubwürdigen Nachrichten— sehr darum
zu tliiin gewesen sei, diesen Pfaffenbetrug aufs Allerwundersainste
auszuschmücken, so ist doch der ganze Hergang der,Sache gewifs
nicht erdichtet, da sie auch durch andere glaubwürdige Augenzeu-
gen bestätigt und selbst durch noch vorhandene Denkmünzen und
Inschriften ganz unbezweifelt erwiesen ist. Ja vielleicht läl'st sich
diesem heiligen Gaukelspiel noch eine weit ernsthaftere Ansicht ab-
gewinnen, als man sonst bei diesen Priestertäuschiingeu zu finden
gewohnt ist.

Eine bestimmte Zahl reifer, mannbarer Jungfrauen ans Lami-
vimn wurde von der überpriesterin und den dazu bestimmten Auf-
sehern auserkoren, um dem heiligen Drachen an diesem hohen
Feste die geweihten Honigkuchen selbst in die düstere, unlerirdi-
sebe Schlangenhöhle zu überbringen: Wahrscheinlich war schon
die durch die Priester einige Tage vorher angestellte Wahl der
Jungfrauen nicht ohne Feierlichkeiten, vielleicht selbst nicht ohne
Ränke und listige Erschleicliungen. Vielleicht entschied auch das
Loos. War nun die feierliche Stunde gekommen, und loderte das
Opferfeuer hoch auf dem Altare im Vorhofe der Heil- und Segen-
bringerin Juno, da traten die auserwählten Jungfrauen, mit Blumen

*) S. Muratori, Thes. inscript. T. I. p. XVI. 4. Doni Ct. I. n. 59.
**) Aelian's Thiergeschichte XI, 6. S, 627. Genev. \iisg.

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