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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0401

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die Herren und Singer der Erde bei den Griechen in die Sehnle
gegangen waren, auch das der Römer war, von allen Seiten,und
mit so vielen anderen Gebenlen und körperlichen Bewegungen so stür-
misch entgegen, dafs man nicht int, wenn man sich vorstellt, ein so
erregbares und bewegliches Zuschauer-Publikum habe die gröfste
Aehnlichkeit mix vielen tausend Besessenen und Evrrgumenen ge-
habt. Die sogenannte Mnsolopsie, der Musen - Wahnsinn , ergriff
Jung und Alt mit gleicher Gewalt, und die Verrücktheit der Ab-
deiilen , die uns Wieland zuerst in seiner geistreichen Dichtung
dieses Namens und später auch in den Briefen des Arislippus so
charakteristisch und auf alle Zeilen anwendbar schildert, scheint
um so freier und rücksiehtloser ausgebrochen zu sein, als in den
griechischen Theatern wenigstens ehrbare Frauen und Jungfrauen
in der Ordnung fast nie zugelassen wurden *), und also auch hier
jener unbewachte Muthwille und jene zügellose Ausgelassenheit ein-
trat, welche noch jetzt überall iingebändigt hervorbricht, wo die
Frauen, die strengen und züchtigen Gesetzgeberinnen und Lenke-
riiinen der Sitte, nicht Tbeil nehmen können oder wollen.

Und hier, um nur gleich damit anzufangen, waren die Schau-
bühnen der alten Welt schon ihrer Lage und Bauart nach herr-
liche Scltallfortpilanzer, Multiplicatorcn (Ycrvielfillligungsaiislalten)
und unvergleichliche Resonanzböden. Es kann hier nicht die P«,ede
von den akustischen Vortbeilen sein, womit die Baukunst der Al-
ten der Meusehenstimine sowohl, als den sehr einfachen Klang-
instrumenten auf der Bühne eine Yernehmlichkeit und Deutlichkeit
zu geben wniste, wodurch in allcu Richtungen und Formen eine

*) Ich kann nach Allem, was ich zn verschiedenen Zeiten, zuerst im
neuen teutschen Merkur von 1806, St. I. S. 23. iL, auch spä-
ter im Morgenblatt über den Nichtbesuch der scenischen Schauspiele
durch die vornehmeren Bürgerinnen in Athen und vielen anderen
griechischen Städten behauptet habe, und was von Fr. Schlegel,
von A. W, Schlegel, ingleichen von B ö ck h in seiner Crisi Tra-
gicorum pag. 38. dagegen erinnert worden ist, noch immer die
Ueberzetigung nicht aufgeben, dafs wenigstens in den früheren
Zeiten die Frauen bei dramatischen Vorstellungen nicht gegen-
wärtig waren, am allerwenigsten bei Lustspielen des Aristophanes
, und Bfenander £wenn Menander's Glycerion dabei ist,^so wissen
wir ja, zu welcher Klasse diese Glycerion gehörte), Man mufs
freilich die Zeiten und in Griechenland, selbst die ionischen und
dorischen Volksstämme genau unterscheiden, auch den Unterschied
römischer und griechischer Frauensitte, die mannigfaltigen Ver-
zweigungen der Volksstämme nicht aus den Augen verlieren. Doch
die ganze Sache soll in der Sammlung meiner kleinen philologi-
schen Aufsätze einer neuen sorgfältigen Prüfung unterworfen werden!
 
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