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Koninklijke Nederlandse Oudheidkundige Bond [Hrsg.]
Bulletin van den Nederlandschen Oudheidkundigen Bond — 2.Ser. 1.1908

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Nr. 1
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Freise, Kurt: Lastmans "Opferstreit zwischen Orest und Pylades"
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https://doi.org/10.11588/diglit.19797#0054

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in einer Rötelzeichnung aus der Sammlung Léon Bonnat (H. d. G. Nr. 671) eine Kopie
nach jenem Lastman’schen Werk, das dadurch an Interesse noch stark gewann. füngst ist
noch ein zweiter derartiger Fall bekannt geworden, wo Rembrandt das jetzt im Besitze des
Herrn Staatsrates P. v. Delaroff in St. Petersburg befindliche Gemalde von Lastman »Susanna
und die beiden Alten« in einer ahnlichen Rötelzeichnung (im Berliner Kupferstichkabinett,
H. d. G. Nr. 45) nachgezeichnet hat. 2)

Das zweite Bild von Lastman in der ehemaligen Sammlung Jan Six, das mit dem
eben erwahnten »Hauptwerk« Lastmans in engster Beziehung steht, und das bisher ebenfalls
für verloren galt, soll mit diesen Zeilen auch wieder der Liste der erhaltenen Werke des
Lehrers von Rembrandt eingereiht werden.

Vor etwa zweieinhalb Jahren wurde ich in Berlin auf »ein Bild von Lastman«
aufmerksam gemacht, das Herr Dr. W. R. Valentiner kurz vorher bei dem Kunsthandler
Fritz Ger.itel daselbst gefunden hatte. Als ich dann bei dem genannten Kunsthandler das
Bild besichtigte, ward ich bald gewahr, dass es sich hier nicht nur um eine von Lastmans
Durchschnittsarbeiten handelte, sondern um ein seiner Zeit berühmtes Werk: um den von
Joachim Oudaen im Jahre 1657 in einem 15strophigen Gedicht besungenen »Opferstreit
zwischen Orest und Pylades«. Freilich geben in jenem Gedicht — trotz seiner ansehnhchen
Lange — nur ein paar Zeilen genauere Anhaltspunkte für die Identifizierung mit dem
Bilde, das sich damals im Kabinett des Herrn Reinier van der Wolf befand; aber sie
genügen doch. Stil, Format und Bezeichnung des wieder gefundenen Gemaldes selbst
lassen weiter erkennen, dass es wirklich das Gegenstück zu dem im selben Jahre, 1614,
gemalten »Paulus und Barnabas in Lystra« ist. (Als solches wird es sowohl im Ver-
steigerungskatalog Six wie auch in dem Oudaen’schen Gedicht ausdrücklich bezeichnet).
Es hat so gut wie gleiche Abmessungen (83 X 126), ist wie jenes auf Holz gemalt, voll
bezeichnet (Pieter Lastman fecit) und 1614 datiert. Malweise, Komposition und Darstellung
sagen ein Übriges.

In langem Zuge kommen unter Musikbegleitung zahlreiche Figuren in Feiertags-
kleidern mit Fackeln, Weihgeschenken und Opfertieren heranmarschiert und halten vor
dem Altar im Vordergrund. Hier befinden sich die Hauptpersonen und machen ihre
grossen Gebarden, auf die die Festgenossen mit mehr oder weniger Interesse ihre Blicke
richten. Eigentlich jede Figur ist für sich nach dem Modell gezeichnet und dann in das
Kompositionsschema eingefügt. Ein i n n e r e r Zusammenhang der Gruppen und Figuren
unter einander besteht jedoch nicht. Die Zeichnung ist gut (aber nüchtern), bis auf die
Hande und Füsse, die wie immer zu gross und plump sind. (Überhaupt dürfen wir
Grazie von Lastman nicht verlangen!) Dagegen sind »sijne kleederen natuurlijk en vlak
geplooit«, die Farben flüssig aufgetragen, die Farbenstimmung des Ganzen in einem kühlen
blaugrünen Ton. Das Hauptmotiv der Komposition, die grosse Linie derselben, bildet eine
nach beiden Seiten leicht ansteigende Kurve. 1

1) Besprochen von Dr. W. R. Valentiner in der »Zeitschrift für bildende Kunst«, Novemberheft 1907.

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