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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 15.1897

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Beck, Paul A.: Schwäbische Biographien: Sebastian Sailer (mit dessen Bildnis) ...
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https://doi.org/10.11588/diglit.18487#0011

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und vcrsteigt sick zu dem patriotischen Aus-
rufe: „Dia Schwoba uu' allei' / Müassat
Obsieger fei'." Daß S. (zu vcrgl. F. a.
a. O. S.. 95 oben) noch nicht gewußt
bezw. zum Ausdruck gebracht habe, wo den
Bauern der Schuh drücke und von allen
diesen Dialcktschriftstelleru ein Epigone SS.
C. B. Dreizler (geb. 1794, ch 1869)
„der erste gewesen sei, der in seinen Volks-
predigten den Bauern sozusagen auch einen
Menschen sein lasse", ist, was S. angeht, eine
grundfalsche Aufstellung; man lese von vielem
anderen nur Ss. Festgedicht ans Marie
Antoinette, „beste Gesinnungen schwäbischer
Herzen", in welchem S. ja das harte
schwere Tagwerk des im Schweiße des
Angesichts arbeitenden Landmannes, das
Stein- und Sandführen, Wegmacben,
Gräbenausmachen bei jeder Witterung, das
Sichherumkommandierenlassen ec. drastisch
schildert und ein warmes Herz für die
Bauern bekundet. — Der Vorwurf (a. a.
O. S. 86 mell.), daß S. durch die Be-
handlung der uralten, unverwüstlichen
schwäbischen Sagcnstoffe, „die sieben Schwa-
ben oder die Hasenjagd", in welchem die
Tradition vom „Dummen Schwaben"
ihren prägnantesten Ausdruck findet, „schwä-
bischerSonn- und Mondsang" ,'c. seine lieben
Landsleute vor aller Welt furchtbar (s. v.
„saumäßig") dumm hiugestellt, „veralbert",
ja durch die Wahl solchen Stoffes gewisser-
maßen sich selbst besudelt (!!) habe, ist
ungerecht und höchst schief und dürfte S.
denselben jedenfalls noch mit vielen ande-
ren teilen — ist ja doch gerade die Selbst-
verhöhnung der Schwaben, welche nicht
am wenigsten zu solchen und ähnlichen
Märlein und deren Verbreitung, nament-
lich auch zu den zahlreichen Ortsneckereien,
Anlaß gegeben hat sowie das gegenseitige
„Aufziehen" und Hänseln einer der ureigen-
sten, sich namentlich in der Mundart erst
recht ausprägenden Züge des Schwaben,
>vie ja anderseits die Schwaben schon früh-
zeitig den Neckereien anderer Stämme auS-
gesetzt waren, was dem Kritiker entgangen ist!
Derselbe sagt ja selbst zum Schlüsse (a. a.O.
L-. 143), die Dialektdichtung müsse, wenn
sie sich mehr als flüchtige Bedeutung er-
ringen wolle, ihrem eigenen Wesen nach
notwendig ein kulturgeschichtliches Juteresse
betonen und zu diesem Behufe sich um
uralte Eigentümlichkeilen, Sitten, Gebräuche

und Gewohnheiten, welchen man füglich
das Gebiet der Sagen und Märchen an-
reihen darf, annehmen, deren es gerade
in Schwaben eine Menge, teils noch in
frischer Blüte, teils nur in Ileberresten
giebt, welche mit dem Volksleben, mit
seinem ganzen Denken und Fühlen aufs
tiefste verwurzelt sind und die dichterisch
erkannt und verarbeitet auch für den dem
Dialekt Fernstehenden bleibenden Wert
besäßen. Daß S. seine Dichtkunst nur
nebenher neben seinem ihn sehr in Anspruch
nehmenden Beruf zum „witzigen Zeitver-
treib" gelegentlich betrieben, kann nur für
ihn sprechen, denn wenn ihm, wie sonst
für gewöhnlich andern Leute» unter der
Prosa und dem Ernst des Daseins Witz,
Esprit und Humor nicht ausgegangen ist
und er gleichwohl »och solche Stücke, in
welchen die Verse und Reime ohne allen
Zwang, ohne Verkünstelung und Ver-
wechselung, nur so frei weg und ganz
natürlich von den Lippen laufen, fertig
gebracht hat, so ist dies ein Beleg für sein
Genie sowie dafür, daß er ein geborener
Komiker und Poet war und seine Sache
verstanden hat, waS man nicht immer von
allen Dialektdichtern sagen kann. Die
gleichfalls bemäkelte Art und Weise, wie
S. den Dialekt — F. sagt „nicht zur Hervor-
hebung charakteristischer Eigentümlichkeiten,
sondern nur um eine größere Wirkung
auf die Lachlust ausznüben, zur Erhöhung
der komischen oder satirischen Wirkung"
— angewandt und verteilt hat, halten wir
gerade für eine geschickte. Im übrigen kann
-es nicht unsere Aufgabe sein, in die von F.
ausgeführte Vergleichung Ss. mit andern
schwäbischen Dialektscbriftstetlern als Wag-
ner, Dreizler, Joh. Nessle» rc. hier cin-
zngehen, wenn wir auch nnS wieder nicht
mit dem gezogene» Facit einverstanden er-
klären können und S., der einen solchen
Vergleich durchaus nicht zu scheuen hat,
k.ineSwegS diesen Epigonen gegenüber so
zurücktritt. Bei einem solchen Vergleiche
wäre vor allem zu berücksichtigen, daß die
zu demselben - herangezogenen Namen alle
mehr oder weniger bereits in eine später e,
der Poesie und Litteratur weit mehr auf-
geschlossene Periode fallen und deren
Leistungen alsbald durch die Presse ver-
breitet wurden, während S. mit seiner
Dichtung noch ziemlich allein, bezw. ver-
 
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