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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 15.1897

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Beck, Paul A.: "Der Schwäbische Bauer auf der Bühne", [1]: ein Beitrag zur Kunde des schwäbischen, bezw. Ulmer Dialektes und Schuldramas
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https://doi.org/10.11588/diglit.18487#0043

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Mit Merk, welchen man füglich den
„Ulmischen Sturm" nennen könnte, hatte
das Schnldrama in Ulm seinen Höhepunkt
erreicht, wenn es anch nach seinem i.
I. 1659 erfolgten Ableben sich bis zum
Ansgang des 17. Jahrhunderts noch er-
hielt. I. I. 1680, unter dem Rektorate
des Wilh. Diez, begegnen wir wieder
einem größeren Schaustücke, „dem wunder-
thätigen und gen Himmel fahrenden
EliaS", einem der umfangreichsten Stücke
aus jener Zeit, welches „in einem öffent-
lichen Schauspiele von der des Löbl.
Ulmischen Gymnasii Schuljugend" den 19.
April gen. I. zu Ulm anfgeführt wurde und
auch übrigens ohne Angabe des Verfassers,
Druckers und DruckorteS (zweifellos aber
Ulm, in kl. 8°. 81 Bll., 162 SS. mit je
einer Vignette auf dem Titelbl. und am
Schluffe) im Drucke erschien. Leider ist der
Verfasser (bezw. Umarbeitcr) wie anch in
anderen Stücken, nicht angegeben, ist aber
zweifelsohne in einem der damaligen Ulmer
Professoren und Dichter zu suchen. Un-
zweifelhaft ist dieser Ulmer „Elias" nach
dem i. I. 1613 lateinisch gedichteten
Brülowschen Stücke gleichen Namens, dem
bekanntesten unter den vielen Eliaödar-
stellungeu, gearbeitet, welchen dann Jol).
Gg. Wolken sie in aus Ulm unter dem
Titel:
„Tragödia aus der History vvn Elia genom-
men und zu Straßburg ngirt, verdemscht von —"
chlias: „Ein schöne und wahrhaffte Tragödia
(aus; Hl. Schrift) fiirucmblich aber der Historien
vom Elia geuvinmen. Deutsch durch I. G.
Wollenstem. Strahburg 1613. M. Titelkupfer.")
ins Deutsche übertrug und im selben I.
das. im Drucke herausgab. Wenn indes in
dem Ulmer „Elias" von 1680 anch manche
Anklänge an den Brülowschen Vorkommen,
so ist er doch in der Hauptsache ein selb-
ständiges Machwerk. Beide Dichtungen
teilen sich anch in die gleichen Fehler:
Da ist noch keine Ahnung von der im
Drama notwendigen Einheit der Hand-
lung; Architektonik und Oekonomie des
Ganzen lassen beinahe alles zu wünschen
übrig; Motive wiederholen sich; Voraus-
setzungen werden vergessen oder ignoriert;
in späteren Akten werden neue Figuren
eingeführt; von regelrechtem solidem Auf-
bau und fester Gliederung noch kein Ge-
danke. Immerhin zeigen beide wenigstens
nicht mehr die herkömmliche in endlosen

Dialogen und Sentenzeil sich ergehende
Monotonie, sondern bereits ein ziemlich
reich bewegtes dramatisches Leben und
Handeln; einzelne Passage», wie z. B.
das Auftreten der Isabel, wie sie in ihrer
Proselytenmacherei nach und nach geschickt
operiert und intriguiert, den schwachen
Ahab, den Typus eines Schwachmatikus
und Lüstlings, allmählich ganz umgarnt,
herum- und ans ihre Seite bringt, als-
bald aber ihre wahre Natur hervorkehrt
und mit welchem Fanatismus sie ins Zeug
und namentlich gegen EliaS vorgeht, dann
das sichere, würdige und furchtlose Auf-
treten des Elias, die Lumpereien, Servi-
lität und Feilheit, die Charakter- und
Treulosigkeit der Großen — kurz all'
dies ist in seiner effektvollen Steigerung
und dramatischen Technik gar nicht so
übel gelungen. Dazwischenhinein macht
sich das komische grvbreale Element immer
mehr breit und finden sich in der ernsten
Handlung komisch-derbe Nebenfiguren und
Scenen, teils Bauern, teils Teufel, teils
Hexen, teils Wahrsager, Werber, Boten,
falsche Zeugen, böse ibanthippeu ec. Im Brü-
lowschen „Elias" (IV. Akt, 3. Scene) macht
sogar ein etwas widerliches Zwiegespräch zwi-
schen Samuel und dem Propheten Messaia
über die erste Erziehung und Ernährung der
Kinder, in welchem gegen die „Ammen"
geeifert wird, einen höchst befremdlichen
Eindruck! Da ist im Ulmer „Elias"
die Einlage mit dem schwäbischen Bauern-
dialog schon gelungener, als diese für
angehende Gymnasiasten gewiß höchst lehr-
reiche und geschmackvolle Unterhaltung über
die ersten Mutterpflichteu. Wohlthuend
berührt, wie überall im Stücke GotteS
Macht und Herrlichkeit den Hintergrund
bildet, von welchem alle darin auftreten-
dcn Figuren sich abhebeu. Die Handlung
hält sich in der Hauptsache an die bib-
lische Erzählung, wobei indes das prote-
stantische Bekenntnis etwas zum Vorschein
kommt. In poliUcis geht im allgenieinen
ein ziemlich republikanischer Zug durch
das Schauspiel. Von dem Umfang eines
solchen Monstrestückes mit einem Vorspiel,
5 Akten und einem Epilog mag man sich
einen Begriff machen, wenn man sich das
Verzeichnis von nicht weniger wie 75 mit-
wirkenden Personen ansieht, welches wir zum
Beleg für dessen Ausdehnung folgen lassen:
 
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