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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 23.1905

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Beck, Paul A.: Reformationsspur in Christazhofen i. A.
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https://doi.org/10.11588/diglit.18110#0097

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89

conveniedat sparZi in vuIZus alio^ui
inrrnockice superstitiosurn; Presse!,
Tb. A. Blarer, Stuttgart, bei Liesching,
1861, S. 289.) Aus dieser Quelle rc.
hat sich zu Eude des 16. Jahrhunderts
auch der bekannte Polyhistor Johannes
Wolf dieser Wundkrgeschichte in seinen
»lectionum rnemorabiliurn et reconcli-
karunr centenarii XVI etc.«, tom. II.
p. Z95 (über Wolf „D.-A." XXI, 1903,
S. 145—153) bemächtigt und dieselbe in
seiner Weise wie folgt erzählt:
In 8ueviae pa§o c)uam Iin§ua patria Lliris-
tant^Iioven.(dies oder vielmehr Christians-
Hofen ist der alte Name für Christazhofen) vocavt,
non procul ad V 8 n a. oppiüo 8ito, 86ptem anno-
rum puer 8aepiu8 in ex8ta8in Iap8U8 68t, c^ui
p08t multa corpori'8 tormeuta, pector>8 con-
cu85ione8 ac 8u6ore8, 36 86 re6ien8, ma§no
omniuin coneur8u ac aclmlratione, 8idi coeIitu8
revelata recitavit. 1'roütedatur autem, 86 )U88U
6ivino 60 impelli, ut fam puer, P08tlladitl8
omnibu8 vitae periculi8, Dei veritatem nun-
ciaret populo, c^ui 1iacteuu8 saniorum per verdum
Dei acimonit!one8 re8per8i88et.
Docutu8 68t igsitur populo non publice, 86ci
in privati'8 acüidu8, non pueriliter 866 ma§na
cum Zsravitate, multa 6e Deo, eiu8 opiücio,
Gratia et lon^animitate. I6em 6e ^68u Cliri8to,
Luiu8 PN88ION6M 8110 orciine, a coena Dominica
U8ciue a6 tinem, recitare potuit, vocavit circum-
8tante8 lectum (in c^uo cudadat) aä poenitentiam,
cum extremi juäicii 6iem prae Ioridu8 6886.
äiceret. 1IIu6 ip8um enim 86 liadere ex trium
ra6iorum 8te1Ia, c;uam 86 vi6i88e releredat, inter
<^uo8 raäiorum primu8, c^ui rudei colori8 fui88et,
8i§nifaceret dellum, ac cruenti88imam dominum
8tra§em. 8ecun6u8, c^ui aldi coIori8, in^entem
dominum pe8tem, l^uam vix tertiu8 evaäere
po88et. Dertiu8 llavi colori5, cuiu8 tarnen 8>§ni-
licationem revelare noluit. ^lirum in moclum
in 8acridcuIo8 (Meßpriester) invectu8 68t, ut c;ui
Cdri8tum crucidxum, ac 8emel pro peccati8
mortalium odlatum, in mi88L iterum ollerrent,
et ciuatuor tantum odoii8 venüerent. Cum
6ete8tatu8 fui88et omnium lüolorum cultum,
8Uperdiam, Ia8tum, u8uram, 8cortationem,
aäulterium, edrietatem, atc^ue alia tlaßütia,
^uidu8 in 8anctam Dei le§em peccatur: aä
amorem proximi, durnanitatem, denidcentiam,
man8uetu6inem 8idi 38tante8 aädortari coepit.
Inter caetera tamen letale etiam venenum evo-
muit, 6um rekerret multa, contra 8anctam
1'rinitatem ac Cdri8ti 8alvatori8 meritum, 6e
interce88ione vir§ini8 ^lariae 6e tenedri3 inter
inlernum^ ac piorum daditacula, ac alia multa:
(piidu8 per puerum innocenti88imum 8ud veri-
1ati8 praetextu execran6u8 Latlian, ciuo imponeret
8implicioridu8, letale viru8 essuüit. D^co8. Dt
8up. (Letztere drei Worte sollen wohl Wolf
(I.xco8 — Wolf) als die Quelle selbst bezeichnen.)
Gegen diese übernatürliche Auffassung
dieser Erscheinung mit dem krankhaft

predigenden Knaben von seiten Blarers
und wohl auch Wolfs nahm schon ein
Zeitgenosse, der bekannte Ulmer Arzt und
Humanist Wolfgang Ryckard (geb. zu
Geislingen anno 1485, chgegen 1550 inUlm)
scharf und entschieden Stellung, wie uns
Professor C. Th. Keim (welcher „Christns-
hof" als Ort der Begebenheit angibt), in
seiner trefflichen Arbeit über „Rycbard,
einBild ans derNeformationszeit" („Theo-
loaische Jahrbücher" von Banr-Zeller,
XII. Tübingen, 1853, Veilag und Druck
von Lud. Fricdr. Ines, S. 307—373,
insbes. S. 316—318) aufschließt. Da-
nach bekennt sich Nychard weder zu den
Gelehrten, die dem Avicenna nach überall
nur Natürliches sehen und insbesondere
die Natur Gott aus der Hand nehmen
(nnturnm n Dei manu prc>6i§Lnke5),
noch zu den neueren Theologen, welche
nnaufachtsam ans die Kräfte der Natur
überall gleich mit Wundern kommen. Er-
scheinungen, wie die in Frage stehende,
sind natürliche Erscheinungen, krankhafte
Ueberreiziheit, oft Melancholie, melancho-
lische Illusionen und Paroxysmen physisch-
psychischer Natur; entstanden durch er-
hitzende Rede oder irgendwelchen aufregenden
widerlichen Anblick, wodurch die Vor-
stellnngs- und' Einbildungskraft verletzt
und zu den sonderbarsten Imaginationen
verrückt wird. Ihre Genesis ist meist
überaus klar. Bei dem Wunderknaben
von Christazhofen war es Aufregung durch
die Neben der neuen evangelischen Pre-
diger im benachbarten Jsny, welche er
vielleicht nicht einmal selbst gehört hat,
von welchen er vielmehr durch Drille,
alte Weiber u. s. w. bloß hat erzählen
hören. Seine Orakel enthielten auch
nichts, was nicht eben von ihnen und in
der damaligen Zeit, wie auch der Komet
z. B., lebhaft besprochen worden wäre;
das wiederholte er im Paroxysmus, und
noch dazu unzusammenhängend und in
knabenhafter Weise, so daß an eine Werk-
stätte des Teufels hier gar nicht zu denken
ist. Wenn ein kranker oder nicht nor-
maler Mensch so Gewöhnliches redet, was
er bei alten Weibern, auf der Gasse oder
in der Barbierstube hören konnte, wo also
der Satz gilt: nitiil e8k in intellectu,
czuvck non sntea luerit in sensibus, da
geht alles natürlich zu. Solche Erschei-
 
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