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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0018

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Aus dem Comptoir fluchtete sich Bürkel in das Bu-
reau des Gerichtsschreibers beim Friedensrichter. Daß
bei einem solchen Tausche nicht viel zu gewinnen war, läßt
sich denken. Glücklicher Weise fand der fünfzehnjährige
Bursche nach dem Schluß der Bureau-Stunden immer noch
Zeit, um seinem unüberwindlichen Hange zum Zeichnen
nachzugehen. Dabei lag er seinen Dienstpflichten mit Eifer
und Fleiß ob und eignete sich insbesondre die Kunst des
Schnellschreibens in seltenem Grade an.

Inzwischen hatte sich in Bürkel's Heimath gar Man-
ches verändert. Die Franzosen waren über den Rhein
zurückgetrieben worden, die Alliirten ihnen auf dem Fuße
gefolgt. Deutsche Truppen hatten abwechselnd mit Oester-
reichern und Russen in seinem elterlichen Hause Quartier
genommen, und Bürkel fand in Mannschaft, Pferden und
Waffen aller Art reichliches Material zu eingehenden
Beobachtungen. Ohne Zweifel ward seine seltene Begabung,
äußere sinnliche Eindrücke in sich anfzunehmen und mit
charakteristischer Schärfe wiederzngeben, gerade in jener
Zeit wesentlich ausgebildet. Den Franzosen waren die
Oesterrcicher im Besitze der Pfalz gefolgt und hatten endlich
den Bayern Platz gemacht. Das Haus Wittelsbach kam
nach langen Jahren wieder in den Besitz jenes Landes, in
dem seine Wiege gestanden, und geordnete Zustände traten
an die Stelle kriegerischer Unruhen.

Bürkel unternahin in seinem zwanzigsten Jahre eine
Reise nach Straßburg und kehrte über Stuttgart heim.
In jener Stadt kamen ihm die ersten Oelgemälde zu Ge-
sicht, wohl der beste Beweis dafür, wie es damals in seiner
Heimath mit der Kunst stand. Ebendort machte er die
Bekanntschaft Helmsdorf's, bei dem er freundliche Auf-
nahme und kräftige Aufmunterung fand. Bei seiner Heim-
kehr stand bereits der Entschluß fest, sich um jeden Preis aus
den nun doppelt drückenden Fesseln losznniachcn. Ein freund-
licher Zufall begünstigte ihn und führte eine raschere Lösung
dieser seiner Lebensfrage herbei, als er je hatte hoffen
dürfen. Der Regierungspräsident v. Stich an er sah ei-
nige Arbeiten des jungen, rastlos strebenden Mannes, und
seinem Einflüsse auf den Vater verdankte der Sohn, daß
er im Jahre 1822 die Akademie zu München beziehen
durfte. Es charakterisirt Bürkel's Streben, daß er,
ganz auf sich allein angewiesen, Muth und Gewandtheit
genug hatte, um Kupferstiche nach Rubens in Tusche
zu kopircn. Einem solchen Blatte verdankte er auch die
Gunst Stichaner's. In München erschloß sich ihm ein
neues, ungeahntes Leben; die Ueberfülle dessen, was ihn
an Kunstschätzen umgab, konnte ihn jedoch nur auf Augen-
blicke bewältigen. An der Akademie herrschte damals ein
burschikoser Ton. Neben dem Kneip hatte sich ein stu-
dentisches Pank-System eingenistet. Auch Bürkel mußte
ihm seinen Tribut geben, glücklicher Weise ohne eigentlich
nachtheilige Folgen. Uebrigcns fühlte sich Bürkel an
der Akademie nicht behaglich. Direktor Langer nahm
wenig Notiz von ihm, und Bürkel fand sich im Antiken-
saale nicht so recht an seinem Platze, desto wohlcr ward
ihm in den Galerien zu München und Schleißheim, wo
er eine Reihe niederländischer Bilder kopirte. Namentlich
waren es Wouverman, Ostade, Brouwer, Ruys-
dael, Wynants und Bcrghem, deren Werke er mit

Ausdauer und bestem Erfolge studirte. Seine Kopien
nach Wouverman gehören mit zu dem Besten, was
in dieser Beziehung geleistet worden. Neben diesen Kopien
lieferte Bürkel bald eigene Kompositionen und verwendete,
weil von Haus her eben nicht sonderlich mit Glücksgütern
gesegnet, deren Erträgniß für seinen eigenen Unterhalt
und die Unterstützung zweier Brüder. Auch er konnte sich
dem Eindrücke der großartigen Gebirgsnatur in der Nähe
Münchens nicht entziehen, und seine Bilder ans den Bergen
fanden bald lebhaften Absatz, einerseits durch die Neuheit
der Gedanken, andrerseits durch die Schärfe der Charak-
teristik von Land und Leuten und die Sorgfalt der Aus-
führung. Daneben liefen Scharmützel aus den letzten
Kriegen, wobei er seine Erfahrungen ans der Einqnartie-
rungszeit benutzte, und als Gegensatz friedliche Hirten-
scenen. In jener Periode erscheint übrigens das land-
schaftliche Element in Bürkel's Bildern noch mehr unter-
geordnet, während er demselben später mit Geschick und
Glück einen größeren Spielraum gab. Seine Arbeiten
ans jener Zeit beweisen übrigens auch, wie hohen Werth
er auf eingehende Naturstudien legte.

Das Jahr 1829 führte ihn nach den gelobten Lande
der Künstler, wohin er den Weg durch Tyrol und über
Venedig einschlug. In Rom, wo er zwei Jahre verblieb,
fand er sich um so behaglicher, als er dort mit August
Riedel zusammentraf, mit dem so wie mit Heinlein
und Ziebland er in den freundschaftlichsten Beziehungen
stand. Von Rom aus machte er Studien halber und
zwar zum großen Theile mit seinem Freunde, dem Land-
schaftsmaler und dcrmaligen Galerie-Inspektor in Braun-
schweig, Georg Heinrich Brandes, Ausflüge in die
Campagna, die nahen Albaner- und Volskerberge und die
Pontinischen Sümpfe, von wo er stets mit reicher Beute
beladen nach Rom zurückkchrte. Sein rascher Blick er-
faßte mit derselben Leichtigkeit die charakteristischen Eigen-
thümlichkeiten Italiens und seiner Bewohner wie früher
die des bayerischen Oberlandes, und mehrere auf Grund
eingehender Studien noch in Rom gemalte Bilder, in
denen er Scenen aus dem italienischen Volksleben behan-
delte, fanden den allgemeinsten Beifall. Zwei derselben
erwarb Thorwaldsen, der seine Arbeiten so hoch schätzte,
daß er den jungen Künstler persönlich in seinem Atelier
aufsuchte. Ein drittes, ebenso treffliches, die bekannte Kneipe
„Mezza via“ in der Campagna, besitzt König Ludwig von
Bayern, der es später seiner neuen Pinakothek einverleibte.

Im Jahre 1832 kehrte Bürkel nach schwerem Ab-
schiede von Rom und seinen Freunden, unter denen auch
noch die Genremaler Mayer und Weller genannt wer-
den müssen, in seine zweite Heimath München zurück, um
alsbald wieder mit dem nachhaltigsten Fleiße und der
größten Ausdauer an die Arbeit zu gehen. War er schon
vor seinem Römerzuge ein Liebling des kunstsinnigen Pu-
blikums gewesen, so ward er cö in noch erhöhterem Grade
in Folge seiner italienischen VolkSscenen, welche durch
außerordentliche Lebendigkeit und insbesondere durch die
völlige Absichtslosigkeit der Darstellung den Beschauer wie
mit einem Schlage in die Wirklichkeit versetzten. In allen
seinen Werken ist der Typus des Oertlichkciten und In-
dividuellen ungemein wahr und kräftig wicdcrgegeben, und
 
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