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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0026

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sanglicher Leitung des danialigen Oberbauinspektors Ber-
ger, der auch den Plan zu den drei Thürmen entworfen
hat, durch den Banrath von Quast, ausgeführt. Dieser
durch seine Forschungen im Fache der mittelalterlichen
Baukunst dazu vorzugsweise befähigte Architekt entdeckte
während des Baues die ursprüngliche Ausschmückung des
mannigfach verunstalteten Innern, sowie einiger Theile
des Aeußeru der Kirche und ließ nun, diesen Spuren fol-
gend, den späteren Abputz der Wände, Pfeiler u. s. w.
bis auf den nackten Stein herunternehmen und so das ur-
sprüngliche schöne Ziegelmauerwerk wiederherstellcn. Einige
bedeutende Theile der oberen Partien, wie die Gewölbe,
Bogenlaibungen, Friese u. s. f. waren wahrscheinlich
von Anfang an gemalt, und wurden bei der Restau-
ration nach den vorhandenen ornamentalen Ueberbleibseln
der alten Malerei in der ursprünglichen Weise wieder
ausgcschmückt, wie wir denn bereits oben der Freskvbildcr
im Chor erwähnten, die sich jedoch mehr durch Zeichnung
als durch Farbe und Manier der alten Malerei annähern.
Im Jahre 1843, in welchem der Bauinspektor Stein
die Leitung des Baues übernahm, wurde auf Befehl des
Königs an Stelle der zerfallenen Mauer an der Straße,
welche die Ansicht des Kirchengebäudes verhinderte, nach
dem Entwurf des Oberhofbanraths Stüter eine Bo-
genhalle gebaut, welche den Blick auf die Kirche frci-
machte und gegen die Straße nur durch ein niedriges
eisernes Gitter abgeschlossen wurde. Jedoch ist man rück-
sichtlich des Materials, insbesondere des Fußbodens unter
den Arkaden, welcher ans Thonmosaikplatten konstruirt ist,
etwas sorglos verfahren, da schon jetzt der größte Thcil
desselben durch den Einfluß der Witterung zerstört ist.
Von der Bogenhalle gelangt man zu der nach dem Vor-
hofe führenden breiten Treppe, welche aus Granitplatten
besteht. Der im Stil der Atrien vor den altchristlichcn
Basiliken angelegte kleine Vorhof mündet auf das Portal
der Kirche, welches etwa 6 Fuß unter dem Straßenniveau
liegt, da die Kirche im Innern wie in: Aeußern bis zu
dieser ursprünglichen Tiefe ausgegraben werden mußte.
Die Kirche gewährt jetzt durch ihre Wiederherstellung, wie
durch ihre gefällige Umgebung — auf der einen Seite
schließt sich die oben erwähnte Feldsteinmauer, die unter
einer Weinlaube versteckt ist, sowie die darauf sich erheben-
den Gebäude des Klosters, worin jetzt der Direktor des
Gymnasiums und einige Lehrer wohnen, an, auf der andern
Seite läuft das zur Küstcrwohnung gehörige Gärtchen
hin — einen sehr heitern und wohlthuenden Eindruck.

Wir schließen an diese Beschreibung der Klosterkirche
einige Bemerkungen über die Klostcrgebäude an. Sie
erstreckten sich, wie schon erwähnt, von der Parochialkirche
bis fast zur Königsstraßenecke, so daß die Kirche etwa in
der Mitte lag. Der Thcil derselben jedoch, welcher zwi-
schen der Kirche und der jetzigen Parochialkirche gelegen
ist, scheint schon sehr früh, wahrscheinlich gleich nach dem
Aussterben des Klosters 1571, an Privatleute übergegangen
zu sein. Auf der andern Seite zunächst der Kirche befan-
den sich die Zellen der Mönche, weiterhin die schönen
gewölbten Säle, welche noch heute bestehen, nämlich
der Kapitclsaal, das Refektorium und der Kon-
vents aal. Der Letztere, welcher in dem an der Straße

liegenden Gebäude sich befindet, ist von den älteren Klo-
stertheilen der neuste, wie die an der Wand nahe der
Decke eingemauerte Steinschrift besagt, welche lautet: Anno
salutis nostrac MCCCCCXVI juvaate deo jacta sunt
fundamenta domus istius optimis lapidibus, scquente anno
superaedificati sunt muri, tertio vero anno consummati
(Im Jahre unsers Heil 1516 ist mit Gottes Hülfe der
Grund dieses Hauses ans sehr guten Steinen gelegt, im
folgenden Jahre sind die Mauern darübergebaut, im drit-
ten aber vollendet). Der Kapitelsaal, welcher nebst
dem darunter befindlichen Refektorium in einem rechten
Winkel an die Hinterseitc des obenerwähnten Gebäudes
anstößt, besteht in einem hohen, freien Gewölbe, das auf
vier mit Inschriften bedeckten Säulen ruht. Jede der
Säulen hat zwei Inschriften, von denen die eine sich unter
dem Kapitäl, die andere am Stylobat befindet. Sic lau-
fen, jene in einer Entfernung von 6 Fuß 8 Zoll, diese in
einer Entfernung von 1 Fuß 2 Zoll von dem Boden, rings
um die Säule herum, in der Länge des Sänlenumkreises,
welcher 6 Fuß 8 Zoll beträgt. Die Säulen bestehen ans
gebrannten Mauersteinen, welche sich durch vorzügliche
Festigkeit anszeichnen, besonders diejenigen, welche die In-
schriften enthalten, welche nicht ausgeschrieben, sondern in
erhabenen Buchstaben mit dem Stein selbst gebrannt sind.
Die Inschriften enthalten theils Segenssprüche, theils Daten
über die Gründung des Gebäudes. Wir führen hier nur
die letzteren an. Die untere Inschrift des ersten Pfeilers
lautet: Anno Domini milesimo CCCCLXII columna ista
est incisa in die crueis (? daö letzte Wort ist schwer ZU
lesen), ans deutsch: „Im Jahre deS Herrn 1472 ist diese
Säule am Tage der Kreuzesabnahme mit der Inschrift
versehen worden". An der zweiten Säule aber liest man:
Anno Domini MCCCCLXXI fundata est domus ista in
fundamentis suis („Im Jahre des Herrn 1471 ist dieses
Hans gegründet worden in seinen Grundsteinen"). An
der dritten Säule unten: Anno Domini MCCCCLXXIIII
consummatum est hoc opns per magistrum Bernhardum
(„Im Jahre des Herrn 1474 ist dieses Werk vollendet wor-
den durch den Meister Bernhard"). Ueber diesen Meister
Bernhard, welcher ein gebildeter Architekt gewesen sein muß,
ist sonst nichts bekannt. Der Bau dieses Theils des Klo-
sters fällt also unter die Regierung des Kurfürsten Al-
brecht Achilles (1470—1486), bekannt wegen der im
Jahre 1473 erlassenen Erbverordnung, durch welche
bestimmt wurde, das von nun an die gesammten Marken
ungetheilt dem jedesmaligen Kurfürsten gehören sollten.
Der Kapitclsaal wurde also grade 200 Jahre nach Grün-
dung des Klosters erbaut, und nach abermals 100 Jahren,
nämlich am 4. Januar deö Jahres 1571, einen Tag nach
dem Tode des Kurfürsten Joachim II., starb der letzte
Mönch desselben, und die damals noch in baulichem Zu-
stande befindlichen Theile desselben überließ der in dem-
selben Jahre zur Regierung gekommene Kurfürst Johann
Georg dem berühmten Thurneisser zur Werkstätte und
Wohnung.

Dieser merkwürdige Mann, dessen Geschichte für die
Kcnntniß der damaligen Wissenschaft und des Zustandes
der Bnchdruckerkunst in der Mark von größter Wichtigkeit
ist, bewohnte daö Kloster 14 Jahr bis 1584 und trieb
 
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