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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0034

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18

Um ab ovo zu beginnen, müssen wir unser» Lesern zu-
nächst die Worte in's Gedächtniß zurückrufen, welcke wir
in Folge der Berliner Verhandlungen zu sagen uns damals
berufen fühlten. Wir stützten uns dabei auf den Bericht,
welches das damalige „Organ der deutschen Kunstvereine",
das seitdem zu seinen Vätern versammelte „deutsche Kunst-
blatt", brachte, welches sicherlich gut unterrichtet war, weil
sein Redakteur damals wie noch heute als Sekretär der
Verbindung fungirt und, wie man sagt, in derselben eine
einflußreiche Stellung cinnimmt.

Nach diesen Berichten schien cs uns, als ob unter allen
lantgewordencn Stimmen nur eine einzige die Frage
über den Zweck der Verbindung von einem die Wichtigkeit
des Gegenstandes richtig abwägenden Standpunkt aufge-
faßt habe. Alle übrigen Stimmen drehten sich zwar mit
bewundernswürdigem Selbstvertrauen um Nebendinge her-
um, ohne jedoch den eigentlichen Kern- und Schwerpunkt
der Frage zu berühren. Jene einzelne Stimme, die uns in
dem erwähnten Bericht wie die Stimme des Predigers in
der Wüste vorkam, war die des Grafen Baud iss in, als
Vertreters der Vereine Dresden und Prag. Er äußerte
sich solgendermaaßen:

„Meine Herren! Unser Verein nennt sich: Ver-
ein zur Beförderung deutscher historischer Kunst.
Lassen Sie uns diese Benennung nicht im engeren
Sinne des Worts, nur die Künstler umfassend, be-
greifen, lassen Sie uns das ganze deutsche Volk da-
rin aufnehmen, unser Wirken und Schaffen
möglichst weit ausdehnen, möglichst groß-
artig auffassen. —Von dem heute zu fassenden
Beschluß hängt das Fortbestehen und Gedeihen un-
seres Vereins ab*), die heutige Wahl entscheidet,
ob wir zu einem der gewöhnlichen Kunstver-
eine, einer mehr weniger reich ausgestat-
tcten Bilderlotterie hinabsinken, oder ob
wir zu einer Anstalt uns erheben, die einen
umfassenden und großartigen Zweck vor
Augen hat, die ein ehrenvolles Ziel er-
strebt."

Das waren würdige Worte — Worte, die aus einem
für die Kunst warm schlagenden Herzen kamen, Worte
eines Mannes, der, weit entfernt davon, in der halboffi-
ciellen Vertreterschaft der sogenannten Kunstintcressen einen
Kitzel der Eitelkeit zu befriedigen oder auf den heutzutage
ungemein wohlfeilen Titel eines Mäcens oder Kenners
zu spekuliren, aufrichtig und ernst auf den inner» Kern
der Sache losging, und, alle pedantischen Kleinigkeitskrä-
mereien verschmähend, die Idee in ihrer reinsten und
edelsten Form zu gestalten versuchte. — Für uns hatten
darum ausschließlich die Ansichten des Grafen Baudissin
Jnteresie, weil darin ein Gedankenstoss enthalten war,
welcher eine nähere Betrachtung vertrug, ohne in Nebel
zu verfließen. Daß wir demuugeachtet, obgleich mit dem
Grundgedanken des Grafen principiell völlig einverstanden,
doch die Mittel, welche er zur Ausführung vorschlug, für
nicht hinreichend erachteten, hebt die Wichtigkeit der aus-
gesprochenen Ansichten nicht auf.

*) Prophetische Worte, die heute in Erfüllung gehen.

Wir glaubten nämlich nicht — und sind auch noch heute
dieser Ansicht —,daß die Wirksamkeit solcher Vereine, selbst
wenn alle Mitglieder derselben einen gleick wahren Enthu-
siasmus für die Sache wie der Graf Baudissin mitbräch-
ten, die historische Kunst wirklich in ersprießlicher und um-
fassender Weise zu fördern im Stande sei. Daß dies der
Redner auch selbst gefühlt, schien übrigens ans seinen un-
mittelbar folgenden Worten hervorzugehcn, die einen selbst-
gemachten Einwurf enthielten, der ohne Widerlegung blieb.
Sie lauteten:

„Wir hier nur in geringer Zahl versammelten
Abgeordnete der verschiedenen Lokalvereine sind mehr
oder weniger abhängig von dem Lokalinter-
esse der Stadt, die uns delegirt, haben mehr oder
weniger beengende Instruktionen erhalten,
müssen das Interesse unsers eignen Vereins
vor Augen behalten, während es gilt, ein
umfassendes Unternehmen zu fördern."

Hierauf erwartete nian offenbar ein „Aber", nämlich
etwa: „Aber trotz dieser Beschränkung wollen wir doch ganz
von dem Lokalinteresie abstrahiren und nur den großen na-
tionalen Zweck im Auge behalten." Allein dieses „Aber"
blieb aus; natürlich, denn die Abwerfung jener Beschrän-
kung wäre gleich einer Niederlegung des Mandats gewesen.
Und dennoch zeigte der von dem Redner gestellte Antrag nach
Inhalt und Form eine Fasiung, die des Zweckes wahr-
haft würdig war; und wenn überhaupt irgend ein Mittel
zur Erreichung desselben führen konnte, so war dieses das
einzige mögliche. .Wir brauchen wohl kaum hinzuzufügen,
daß der Antrag von der Versammlung abgelehnt wurde.
— Er lautete:

„Dieses Jahr 1846 beschließen die hier versam-
melten Abgeordneten keine Bestellung: sie halten
ihre Geldmittel zusammen, trassircn nicht auf die
Einnahmen künftiger Jahre, schreiben dagegen
einen öffentlichen Konkurs aus, an dem
nicht nur d,ie Künstler, sondern alle Gebil-
dete inner halb Deutschlands Grenzen Th eil
nehmen können, und setzen eine namhafte Prä-
mie aus für den geeignetsten Vorschlag zu einem
Cyklus von Bildern, der deutschen Ge-
schichte entnommen, von den ältesten Zei-
ten an bis zu den Freiheitskriegen herab.
Im nächsten Jahre wird das von uns erwählte
Programm veröffentlicht, wir erwählen das zuerst
angefertigte Bild, oder überlassen dem zn wäh-
lenden Meister selbst die Wahl eines der vor-
geschlagencn Bilder uud lassen nach und nach,
je nachdem die Mittel unseres Vereins
es gestatten, die ganze Reihenfolge aus-
führen."

Statt auf diesen Vorschlag einzugehcn beschloß man
die Ausschreibung einer Konkurrenz, bei welcher die ein-
zelnen Künstler Oelskizzen einzusenden haben würden. Die
Wahl des Gegenstandes aus der Geschichte sollte dem
Künstler überlassen bleiben. Hiermit war dem ursprüng-
lichen Vorschläge, einen Cyklus von Bildern vorher, den
Motiven nach, zu entwerfen und dann einen bestimmten
Antrag zu geben, die Spitze abgebrochen. Wir sprachen
 
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