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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0119

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Blätter getrieben wurden, deren Titel wir oben verzeichnet haben.
Unwillkürlich mußten wir bei der Betrachtung dieser anspruchs-
losen, aber meist von inniger Empfindung und liebevollem Ver-
ständniß zeugenden Kompositionen an eine andere Reihe von Blät-
tern denken, die dieselben Gegenstände behandeln und die mit
einem weit hinansschallenden Künstlernamen bezeichnet sind; Blät-
ter, welche eben jene trostlose Gefühlsflachheit, versteckt unter der
gleißenden Form konventioneller Bravour, in einer Weise zur
Schau tragen, daß jeder feiner fühlende Sinn sich mit Widerwillen
davon abwendet. Wir meinen die Illustrationen Kaulbach's,
welche jetzt ebenfalls, von Ad. Stahr mit ebenso gefühlsflachem
wie prälensiöscm Phrasengeklingel als Text begleitet, in Kupfer-
stichen erscheinen. Doch wir haben es hier glücklicherweise nicht
mit Kaulbach's Götheillustrationcn zu thun, obgleich die nieder-
trächtige Speichelleckerei, welche fast in der ganzen Presse für sei-
nen „Genius" eingerissen ift*), eine Züchtigung verdiente, die
ihr über kurz oder lang sicherlich zu Theil werden wird.

Die uns vorliegenden zwei Hejte der „Goethe-Galerie" von
Pecht und Ramberg enthalten zusammen zehn Blätter mit
den dazu gehörigen Texterklärungen: „Goethe in Rom", „Faust",
„Grctchen", „Mephistopheles", „Philine", „Graf Egmont", „Leo-
nore von Este", „Antonio", „Leonore Sanvitale" und „Mac-
chiavell". Unter denselben heben wir vorzüglich „Göthe" und
„Faust", sowie „Philine", ferner die beiden „Leonoren", „Anto-
nio" und „Macchiavell" als ganz vorzüglich charaklerifirt hervor.
Der „Faust", eine der schwierigsten Gestaltungen, welche es giebt,
pflegt gewöhnlich darin verfehlt zu werden, daß er zu jung und
zu „schön" mit einem Beigeschmack von Sentimentalität dargestellr
wird. Hievon ist in dem Pecht'schen Bilde „Faust" keine Spur;

*) Wir wollen beispielsweise nur zwei Stellen ans einer kürz-
lich in der Spencr'schcn Zeitung enthaltenen Besprechung seiner
„Göthe-Galcrie" anführen: „Tritt nun bei einem Künstler vol-
lends jenes klassische Schönheitsgefühl, jener Wohl-
laut der Linien, jener Rhythmus der Komposition, je-
ner Adel der Formen hinzu, darin sich die Vorzüge Kaul-
bach'scher Kunst zusammenfassen, so darf man nicht leicht das
Mißlingen einer solchen Aufgabe befürchten;" und weiter unten:
„Der Meister, der in den Arbeiten der jüngsten Jahre in be-
denklicher Weise einer einseitigen erkältenden Manier zusteuerte,
hat in diesen Kompositionen das richtige Fahrwasser der Natur (!)
wiebergesunben und »ns durch manchen Zug reiner Naivität,
schlichter Anmuth, rührender Schönheit erquickt." Nur die Figur
des „Liebetraut" scheint dem Res. eine Karrikatur. Aber in Kaul-
bachs „Grctchen", diesem widerwärtig koketten frechen Weibsbilde,
und in seiner „Lotte" (Stahr nennt sie in seiner geschraubten
Weise eine „stille Kerze, an der sich der Nachtfalter Weither ver-
brennt!" — Göthe muß sich im Grabe nmdrehen, wenn er so etwas
hört), eine jeder poetischen Empfindung baarc Trivialität, findet
er wahrscheinlich die „reine Naivetät" und „schlichte Anmuth",
von der er oben spricht.

cs ist der ernste, sein Leben an die Wahrheit setzende und doch
daran verzweifelnde Grübler. Hätte Pecht weiter nichts gezeich-
net wie diesen „Faust", so würden wir erkennen, daß er in das
Innerste des großen Dichterwerks eingedrungen ist. Um so mehr
überraschte uns sein „Grctchen". Diese ist nicht ganz das Göthe'-
sche; zwar jungfräulich und lieblich, aber um die Augen zu mo-
dern. Auch der „Mephistopheles" — freilich für die Gestaltung
eine fast unmögliche Aufgabe — scheint uns nicht ganz richtig getrof-
fen. Das Scharfe, Netzende, am meisten aber das Hönifch-Grim-
mige fehlt diesem etwas vulgären Gesicht, das nur durch das
blicklose Auge etwas fremdartig Dämonisches erhält. „Philine"
ist reizend, ebenso die „Leonoren", und alle drei sehr charakteristisch.
Eine meisterhafte Figur ist ferner „Antonio"; als ob er einem
alten Benclianer nachgezeichnet sei, so prägnant und nobel steht
er vor »ns. Dasselbe kann man von „Macchiavell" sagen, der
„schweigsame Denker von der furcht- und erbarmungslosesten
Schärfe des Verstandes" — wie Pecht in seiner Beschreibung
sagt. In Rücksicht auf diese letztere, welche — wie die genannten
zehn Blätter — sämmtlich von diesem talenlvollcn und gebildeten
Künstler herrühren, ist anzuerkennen, daß sie populäre Verständ-
lichkeit und eine anspruchslose Sprache mit dem sichtbaren Stre-
ben verbinden, in den Geist der Göthe'schen Dichtungen und
speciell in den Geist der betreffenden Charaktere, welche die Ga-
lerie bilden, einzndringen.

So bietet denn diese Galerie nicht nur für die bildliche An-
schauung, sondern auch für das nähere Verständniß unsers großen
Dichters einen reichen Stoff dar, an dem jeder Gebildete Freude
und Genuß finden kann. Wir bemerken schließlich, daß die Stiche
von Stichling, Schultheiß, Jaquemet, Raab, Geyer,
Lämmel mit großer Sauberkeit und in zum Theil sehr schöner
Wirkung ausgesührt, und das ganze Werk von der Vcrlagshand-
lnng in einer dem Zweck würdigen, eleganten Weise ausgcstaltet ist.

M. Sr.

Untergang des Kieler Turner- und Studentencorps zu
Flensburg am 9. April 1848, nach dem Gemälde
von Georg Bleibtreu, lith. von Engelmann.
Druck von Hesse. (Verlag von Otto Scehagcn.
Berlin.)

Das obenverzeichnete bekannte Gemälde von höchst lebendiger
und wirkungsvoller Komposition, welches bekanntlich den ersten
Grundstein zu dem wohlverdienten Künstlerrufe Bleibireu's legte,
liegt hier in einer recht tüchtige» Reproduktion vor Namentlich
was die Treue und Gewissenhaftigkeit in der Wiedergabe der Details
anbelangt, läßt sic nichts zu wünschen übrig; wenn auch durch
ein wenig mehr Leichtigkeit und. zugleich Kraft in der Anwendung
der technischen Mittel die Gesammiwirlnng wohl pointenreicher
hätte werden können. Das Blatt ist von verhältnißmäßig be-
deutender Größe und eignet sich sowohl des Gegenstandes wie
der Anssührung halber sehr wohl zur Zimmcrzierdc. Di. Sr.

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Wisscnschastlichcr Knnstvcrcin in Berlin.

(Sitzung vom 18. März.

Aus den offiiziellen Protokollberichtcn theilen wir — mit
einigen ergänzenden Zusätzen — Folgendes über die Vorkomm-
nisse der Sitzung mit. Zunächst wurden von Herrn Feodor
I ag or, dem bekannten Freunde der Naturwissenschaften und Künste,
welcher nach einer Abwesenheit von fünf Jahren, die er aus
Reisen in weitentlegenen Ländern zubrachte, wohlbehalten heim-
gekehrt ist, eine Auswahl Zeichnungen aus seine» reichgefüllten
Mappen vorgelegt. Herr Ja g o r verließ Berlin im Juni 1857, ging
direkt nach Singapore, von da nach Siam, Malakka, den Phi-
lipPinen-Jnseln, verweilte längere Zeit in Manila und ans Java,
besuchte China zu zwei verschiedenen Malen, sodann Kalifornien,
Panama, Newyork und kehrt über England in die Heimath zurück.
Der würdige Senior des Vereins, Geh. Regierungsrath Prof.
Tölken, begrüßte den Heimgekehrte» in herzlichster Weise und
sprach gegen ihn den aufrichtigsten Dank für die reichen und
werthvolken Zusendungen ans, mit welcher er in einer bisher noch
nie dagcwesenen uneigennützigen Weise die königl. Sammlungen
beschenkte, wodurch er sich ein nie genug anzuerkennendes Ver-
dienst erworben habe. Von anderen ausgestellten und vor-
gelegten Knnstgegenständen sind zu erwähnen: 1) Ein von dem
Kupferstecher Pros. Hoffmann (nicht Hartmann, wie fälschlich
im officiellen Bericht steht) ausgesührter ganz vortrefflicher Kup-
ferstich nach einem, im hiesigen K. Museum befindlichen Gemälde

Raphaels: „Madonna mit dem Kinde ans dem Schooßc, welches
den Segen entheilt." Die Heiligen: Hieronymus und Francis-
kns zu beiden Seiten. Ein Kupferstich dieses unzweifelhaft ächten
Bildes war bisher noch nicht vorhanden. Im Berzcichniß der
der Gemäldegallcrie findet man cs unter No. 145 der Umbrüchen
Schule. 2) Eine Photographie nach einer in Gypö modellirten
Grablegung von Schubert in Rom; eine ausgezeichnet gelun-
gene Arbeit, bei welcher nur zu bedauern ist, daß dem Künstler
nicht die Ausführung in Marmor in Aussicht gestellt worden ist.
3) Die nach den berühmten Wand- und Deckengemälde Raphaels
in der Farncsina zu Rom gemachten Photographien. Daß diese
werthvollcn Blätter gegenwärtig in Sachse's Kunsthandlung aus-
gestellt sind, wird Künstlern und Kunstfreunden der Besuch an-
gelegentlichst empfohlen. — lieber die beiden Ringer von Molin,
welche gegenwärtig in Berlin seitens der Künstler Anfincrksamkcil aus
sich ziehen, erstattete Hr. Hofrath Förster einen ausführlichen Bericht,
dem wir nachstehendes entnehmen. In der Guß- und Ciselir-
Werkstatt des Herrn Geiß ist dies plastische Kunstwerk vollendet
worden und auf dem Hofe der Werkstatt, Behrcnstraße No. 31,
zur Ausstellung gebracht. Dasselbe ist für die Ausstellung in
London bestimmt. Es ist eine Gruppe zweier nackter Ringer,
von dem schwedischen Bildhauer Molin überlebensgroß modellier,
und ans einem Piedcstall mit vier Reliefs ausgestellt. Die Re-
liefs erläutern die Hauptgrnppe, deshalb wollen wir zuvörderst
diese in Betracht ziehen, l) Gerta und ihr Verlobter empfangen
bei sich einen älteren Freund und Kampfgenossen. Die Jnngsran
 
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