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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0138

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Schmuckes: Arabesken und Blumengewinde im Trojani-
schen Saale. Cornelius hatte nur die Arabesken ent-
worfen und gab so dem jungen Künstler Gelegenheit, sich
auch im Entwürfe von Blumengewinden zu versuchen.
Derselbe entwickelte dabei eine Fülle des feinsten Ge-
schmackes, und man kann behaupten, daß vor ihm dieser
Kunstzweig nie mit solchem Geiste gepflegt worden war.
Derselben Periode gehören auch Ncureuther's Wandmale-
reien in den Arkaden des Hofgartens an; von ihm ent-
worfen und ausgeführt sind dortselbst die schönen Tro-
phäen zu beiden Seiten der Eingänge, welche inzwischen
leider durch die Einflüsse der Zeit und Temperatur sehr
gelitten haben.

Die Studien, deren Neureuther zu seinen Arbeiten
in der Glyptothek bedurfte, erweckten in ihm den Ge-
danken, Dichtungen mit Randzeichnungen zu umgeben.
Angezogen von dem plastischen Elemente in Goethe's Ge-
dichten und in seinem Vorhaben durch seines Meisters
Cornelius freundlichen Rath bestärkt, versuchte er sich
zuerst in Illustrationen zu Goethe's Romanzen und Bal-
laden und übersandte die Handzeichnungen dem Dichter,
der in einem Briefe vom 23. September 1828 Neu-
reuther über seine Arbeiten herzlich beglückwünschte und
ihn aufforderte, selbe in Steindruck zu vervielfältigen,
wobei er hervorhob, wie der Künstler „dem lyrisch epischen
Gedanken der Ballade einen glücklich bildlichen Ausdruck
zu finden gewußt, der wie eine Art von Melodie jedes
einzelne Gedicht aus die wundersamste Weise begleitet
und durch eine ideelle Wirklichkeit der Einbildungskraft
neue Richtungen eröffnet." Goethe verfolgte Neureu-
ther's Thätigkeit mit der größten Aufmerksamkeit, wie
unter Anderem sein im Jahre 1830 in den Wiener Jahr-
büchern erschienener Bericht beweist, den er dem befreun-
deten Künstler noch vor dem Drucke mittheilte. Es mag
am Platze sein, einige Stellen daraus hervorzuheben.
„Daß jenes hochgeschätzte, mit Randzeichnungen von
Albrecht Dürer herrlich geschmückte Gebetbuch, welches
aus der königlich-bayrischen Bibliothek zu München be-
wahrt wird, Len Herrn Neureuther zu diesen seinen
Umrißblättern fruchtbringend anregt, geht aus der ganzen
Anordnung der Ornamente hervor, aus den rankenden
Pflanzen und Schreibmeisterzügen, mit denen er die Schrift-
kolumnen begleitet, und womit er den leeren Raum, welchen
Figuren und Landschaften übrig lassen, geschickt ausfüllt;
inzwischen ist Herr Neureuther keineswegs ein unbe-
holfener flacher Nachahmer der vortrefflichen Dürerischen
Vorbilder, sondern hat den Geist derselben erfaßt, schöpft
aus eigner vollströmender Quelle und schließt sich mit
seinen Bildern an Goethe's Dichtungen auf eine erfreuliche
Weise an. Wahrlich, es möchten nur wenige Kunster-
zeugnisse unsrer Zeit hinsichtlich auf Zweckmäßigkeit und
Anmuth des mannigfaltigen Bilderreichthums einen glück-
lichen Wettstreit mit Liesen Randzeichnungcn jbestehen.
Auch die Ausführung derselben befriedigt, die Figuren
sind meistens gut, einige vorzüglich gut mit Geist und
passendem Ausdruck gezeichnet; die Landschaften reich und
gefällig, Pflanzen und Blumen meisterhaft."

Die Theilnahme des Dichterfürsten mußte gerade in
jenen Tagen Neureuther um so wohlthuender sein, als

die Julirevolution, welche im nämlichen Jahre die Welt
erschütterte, über sein Leben einen wenn auch nur vor-
übergehenden Schatten warf. Die Cotta'sche Kunsthand-
lung, in deren Verlag Ncureuther's Randzeichnungen
zu Goethe's Balladen und Romanzen erschienen waren,
schickte den Künstler kurz nach jenen Tagen nach Paris,
um die Lieder, welche der Julius-Revolution ihre Ent-
stehung verdankten, in ähnlicher Weise zu illustriren. Der
politische Umschlag, der nicht lange auf sich warten ließ,
äußerte sich auch in Beziehung auf diese äußerst lebendigen
und geistreichen Zeichnungen unsers Künstlers: Die Auf-
nahme, welche die „Louvenirs cku 29., 30. ot 31. Juillet“
an den maßgebenden Orten fanden, war eine sehr ungnä-
dige, die Vervielfältigung unterblieb, und die wenigen, durch
den Druck erzeugten Exemplare sind wahre Seltenheiten
geworden. Jndeß kehrte Neureuth er mit frischem Muthe
auf sein eigenstes Gebiet zurück und erweiterte den Kreis
der Larzustellenden Gedichte, indem er sick die Aufgabe
stellte, Dichtungen deutscher Klassiker mit Randzeichnungen
zu versehen. Goethe, vor dem er sein ganzes Herz aus-
geschüttet, sprach seine Freude darüber in mehreren Briefen
auf das Wärmste aus, indem er wiederholt betonte, daß
er sich durch diese Arbeiten wieder in sein eigenes Feld,
in die vaterländische Koncentration, Einheit und Einfalt
zurückgezogen habe. Wir kennen Goethe's Abneigung ge-
gen alles Aufregende und können daher um so lebendiger
fühlen, wie nachstehende Worte, die er am 4. Februar
1832 an Neureuther schrieb, so recht ans seinem Herzen
kamen: „Ihre Reise nach Paris hat mich betrübt. Ihr

Talent ist unmittelbar an der unschuldigen Natur, an der
harmlosen Poesie wirksam, und da wird es Ihnen immer
wohl sein und immer glücken; jetzt, da jenes wilde Wesen
noch gewisse unangenehme Folgen für Sie hat, ist es mir
trauriger."

So nahm er denn in einem Briefe vom 28. desselben
Monats Gelegenheit, sich umständlich und in der einge-
hendsten Weise über die ihm inzwischen zugekommenen er-
sten Hefte der erwähnten neuen Randzeichnungen auszu-
sprechen und den Künstler zu versichern, wie sehr er „auf
die Folge verlangend sei," denn „in allen diesen Blättern,
wie in den früheren, findet sich kein Zug, der nicht gefühlt
wäre, und selbst die Elemente, die Sic zu ihren Schöpfungen
genialisch zusammenrnfcn, verwandeln sich einer zwar phan-
tastischen, durchaus aber geistreichen Natur gemäß." Durch
diese Arbeiten manifcstirte sich der Künstler, dessen ureigeu-
thümliches, tiefromantisches Talent und vollströmende Phan-
tasie sich darin in einer bisher nie gesehenen Weise aus-
breitete, als der eigentliche Schöpfer einer ganz neuen,
überall mit lebhaftester Freude aufgenommenen Darstcl-
lungsweise. Dem gedachten Werke, dessen Vollendung
Goethe nicht mehr erlebte und das zwei und zwanzig Jahre
nach seinem Tode in neuer Auflage heransgegeben ward,
folgte schon 1834 eine Reihe von Randzeichnungen zu
bayerischen Gebirgsliedern, voll der liebenswürdigsten Nai-
vetät und Wahrheit, so daß sie Alles, was bis in die
jüngste Zeit in dieser Richtung erschien, weit überflügelte.

Mit dem Jahre 1835 begann ein neuer Abschnitt seines
Lebens. Er hatte längst gefühlt, daß die bisher geübte
Technik des Zeichnens mit der Feder auf Stein seinen
 
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