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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0189

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173

Kunstgeschichte und Antiquitäten.

Einige Bemerkungen zu Waage n's „Kandbuch der deutschen und niederländischen Walerschulen".

Von 9t-

Die emsigen Bemühungen, welche in unserer Zeit von
den besten Kunstkennern der Sichtung der verschiedenen
Kunstschulen wie der Feststellung der den Meistern ersten
Ranges zugehörigen Werke gewidmet worden sind, ver-
pflichten Kunst und Wissenschaft zu großem Danke- Doch
verschmähen Sie es auch wohl nicht, durch Ihr geschätztes
Blatt die nachfolgenden Notizen zur öffentlichen Kenntniß
zu bringen, obgleich sie nur Meister geringeren Ranges
betreffen. Und wenn meine Mittheilnngen in Betreff der
Gründlichkeit noch nicht erschöpfend sein können, so geben
sie vielleicht doch Veranlassung, auch die Aufmerksamkeit
auf diese Meister zu richten. Waagen in seinem „Hand-
buch der deutschen und niederländischen Malerschulcn"
nimmt, bei Gelegenheit der Ausläufer der fränkischen
Schule, nachdem er deni M- Grunewald die gebührende
Stelle angewiesen, Veranlassung, dessen Bruder Hans
„wegen mangelnder, authentischer Nachweise seiner künst-
lerischen Thatigkeit" zu beseitigen, als habe er nicht ge-
lebt und gewirkt. Wie weit dieser Machtspruch, den
Nachrichten der älteren Kunstbücher gegenüber, sich Gel-
tung verschaffen wird, bleibt zwar der Zukunft anheim-
gegeben, aber es scheint doch wichtig, schon jetzt darauf
hinzuweisen, daß, mit dem ihm bis jetzt ans Holzschnitten
jener Zeit zugeschriebenen Monogramm vollkommen über-
einstimmend, ein so bezeichnetes Triptychon aus dem ersten
Jahrzehnt des sechzehnten Jahrhunderts sich früher in
der Dom- und Stiftskirche zu Halle a. S. befand, das
bekanntlich noch jetzt eins der vorzüglichsten Werke des
Meisters Matthäus enthält, und das bedauerlicherweise
seinen Platz über dem Altar einer süßlich sentimentalen
Schöpfung der Neuzeit hat überlasten müssen.

Jenes mit dem verketteten H. G. und der Jahreszahl
bezcichncte Bild zeigt auf der Haupttafel das „Martyrium
des h. Sebastian" in einer Landschaft von großer Schön-
heit, unter deren reichem Laubdach der Bäume der noch
ziemlich jugendliche Maler als Zuschauer steht. Die
Innenseiten der Flügel enthalten die H. H. „Christophorus"
und „Stephanus"; die Außenseiten die H. H. „Elisabeth"
und „Apollonia". Die Größe des Mittelbildes ist 4' hoch
und 2' 5" breit. Mit Uehergehung der großen Schön-
heit des Kunstwerks muß doch noch seines großen Farben-
reizeö und des meisterhaften Helldunkels gedacht werden,
das dem Meister Hans von Alters her den Beinamen
des deutschen Correggio erworben hat.

Der jetzige Besitzer ist der H. Justizrath Wilcke in
Halle, der außer andern werthvollen Bildern noch ein
zweites Triptychon aus demselben Fundorte besitzt, dessen
Schönheit und Bedeutsamkeit jenem von Hans Grune-
wald an kunstgeschichtlicher Wichtigkeit wenigstens gleich-
steht. Es stellt eine „Anbetung der heiligen drei Könige"
dar mit d. H. H. Georg, Mauritius, Agnes und Katha-
rina. Einer der Könige ist offenbar Portrait — vielleicht
auch des Malers — wonach sich durch Vergleiche wird
feststellen lassen, ob und wie weit A. Dürer's Hand da-
bei thätig gewesen?

Seite 314 werden die Nummern 965 und 966 der
dresdener Galerie in den Darstellungen der Figuren dem
G. Coques ab- und dem D. Mytens zu gesprochen.
Das diesem zugcsprochene Verdienst ist gewiß wohlbegrün-
det und soll auch nicht zu schmälern versucht werden. Aber
aus der Erbschaft der Prinzessin Henriette Katharina von
Oranien befindet sich tut Fräulcinstift zu Mosigkau bei
Dessau ein mit Mytens' Namen bezeichnetes Bild, „der
Raub der Europa," (35" lang, 42" hoch) das trotz seiner

Schönheit und großem Verdienste auch nicht die geringste
Annäherung an jene dresdener Bilder, die zu den wenig
beachteten Kostbarkeiten dieser Sammlung gehören, zeigt.
Mytens kann den auf ihn geübten italienischen Einfluß nie
verleugnen.

Dagegen wird Seite 287 an der Kunstreise des Anton
von Worms ein Einfluß A. Dürers behauptet, als
Einzelfall unter den Künstlern des Niederrheines. Ein
aus der Sammlung des H. Rost in Dessau zum Vergleich
vorliegendes Bild, daö mit dem Monogramm und der
Jahreszahl 1539 bezeichnet ist, widerspricht eigentlich jener
Behauptung. Es ist ein weibliches Portrait, in braunem
Gewand mit schwarzer Pellerine und Stulpaufschlägen
und mit weißer Binde. Auffassung und Ausdruck zeigen
einen Anschluß an die alte kölnische Schule. Zeich-
nung und Modcllirung im Kopf sind sehr gut verstanden;
dagegen in den Händen schwach. Beides ist in der Farbe
übertrieben blaß, ja von der des über der Brust sichtbaren
Hemdes kaum zu unterscheiden. Dazu kommt noch, daß
zu dem reichlich vorhandenen Schmuck, als Gürtel, Brust-
latz, Halsband, Ringen und Knöpfen, schon Blattgold ver-
verwendet ist. — Eine auf der Rückseite des Brettes in
Leimfarben gemalte Gerechtigkeit mit Waage und Schwert
ist mit großem Fleiß durchgeführt und zeigt mit einigen
Holzschnitten des Meisters vollkommene Uebereinstimmung
in der statnarischenHaltung und ideellen Auffassung. — Durch
die Mittheilung (W.'S) über Joas von Cleve, S. 309,
erhält ein anderes, stets sehr bewundertes Portrait der-
selben kleinen Sammlung, das früher für H o lb e in, nachher
für Anton de Moor gegolten, seine richtige Bestimmung.
Dies wundervoll erhaltene, lebensgroße Kniestück (Fraueu-
bild, Akt. 42) mit der Jahreszahl 1567, besitzt alle die dem
Joas von Cleve beigelegte» Vorzüge im hohen Grade,
so daß bei der sehr großen Seltenheit des Meisters des Herrn
Verfassers Kenntnißnahme dieses Bildes sehr wünschcns-
wäre. Dadurch würde auch Gelegenheit gegeben, eine
Landschaft von Hendrick van Clecx zur Ansicht und
Kenntnißnahme dieses Meisters als Malers vorznlegen, von
welchem dem H. Vers., nach seinem Geständniß, Seite 315,
noch kein Oclbild vorgekommen ist. Das Bildchen ist mit
deni Monogramm bezeichnet und durch seine für diese
frühe Zeit sehr entwickelte malerische Wirkung recht merk-
würdig.

Zur Vervollständigung der Meisternamen in der Kunst-
geschichte mögen noch zwei Bilder erwähnt sein, von denen
das eine auch obiger Sammlung angehört. „Eine Lager-
sccnc ans dem Marsch," 121" breit, 94" hoch; bez. M. H.
D n p l e s s i s. Sie ist auf Holz genialt und gehört dem Alter,
der Farbe und der ganzen Behandlung nach in die letzte
Hälfte des 17. Jahrhunderts. Man muß bei der Schönheit
und Sauberkeit des Bildes an einen Einfluß Ph. Wou-
vcrmann's denken, obgleich die Motive der brabantischen
Natur und die Farbenstimninng dem Cerquozzi verwand-
ter sind. Kein Künstler-Lexikon kennt einen solchen Namen
aus jener Zeit. Dasselbe gilt aber auch von Jmeerh out,
mit welchem Namen und der Jahreszahl 1662 eine Kanal-
Landschaft in der Sammlung des Amalienstiftes in Dessau
bezeichnet ist. Der Meister hält ziemlich genau zwischen
I. de Goyen und Sal. Ruysdacl die Mitte. Von
dem Ersteren hat er die sehr einfachen, mechanisch behan-
delten Vordergründe; vom Letzteren die feine, duftige Ferne
und Gesammt-Stimmnng, und manches Bild, welches, ohne
Nacknvcis, zwischen beiden Meistern schwankend, dein einen
oder dem andern angceignet worden ist, dürfte dcni Jmeer-
hout angehören.
 
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