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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0246

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ganz verschieden sind. Was mich betrifft, so wäre ich —
wenn man will aus Geschmacksgründen, besonders aber
auch aus dem Bedürfniß, endlich einmal über die obligaten
Reiterstatuen hinauszukommen — für Mohr, dessen Skizze
ebenso originell und geistvoll in der Idee, wie großartig
und imposant durch Massenwirkung in der Ausführung
sein dürfte.

Gehen wir nun, nach der alphabetischen Aufeinander-
folge die einzelnen Skizzen durch, so ist über die von
Rein hold Begas kurz zu bemerken, daß sie bei aller
Bravour in der kompositionellen Gestaltung — trotz Mi-
chelangelo und Schlüter — nichts Statuarisches an sich hat.
Sie erinnert allerdings an die Berliner Kurfürstenstatue,
namentlich in den (hier paarweise) an den Ecken ange-
brachten „Provinzen," welche sich in gänzlich nnmotivirten
forcirten Bewegungen unter den Rosseshufen des daher-
trabenden Königs wie Sklaven zu winden scheinen. Den
König dachte sich der Künstler als „Triumphator" — wie
es im Katalog heißt — „getragen von seinem begeisterten
Volk, das durch Jdealgestalten (?) repräsentirt" ist. Diese
Jdealgcstalten sollen nun zugleich (? —was der ander-
weitige Inhalt derselben als „Jdealgestalten" sei, wird
nicht gesagt) eine „symbolische Darstellung der acht Pro-
vinzen des Reiches" sein. Diese „Provinzen" und zugleich
„Jdealgestalten" sind aber männliche, weil — sagt Herr-
Begas — „das männliche Element mehr dem Gedanken
(welches Gedankens?) als auch dem Begriff (?) der ge-
waltigen Last der Reiterstatue entspricht, welche zugleich
ganz materiell aus den Schultern der Träger zu ruhen
scheint". Welche Verworrenheit in den einfachsten Vor-
stellungen! Eine Reiterstatue, d. h. doch wohl die Beine
des Pferdes sollen auf den Schultern der Jdealgestalten zu
ruhen scheinen. Glücklicherweise nur scheinen! Aber
in der Kunst ist der Schein die eigentliche Wahrheit; also
ist diese ganze Idee ein Widerspruch in sich selbst. Nein,
der eigentliche Grund, daß der Künstler statt der natür-
lichen weiblichen Symbolgestalten männliche herbei zog,
ist einfach der, weil er durchaus den modernen Michelan-
gelo herausbeißen wollte, und ihm dies an weiblichen Fi-
guren weniger möglich war. Denn wie Menzel in der
Historienmalerei, so steift sich Begas ans das charakte-
ristisch (oder auch, wie hier, uncharakteristisch) Häßli ch e
in der Kunst. Die wahre Kunst aber besteht in der
Darstellung des charakteristisch Schönen, oder vielmehr
der schönen Charakteristik, was freilich etwas schwerer
ist; denn das Häßliche wird an sich, schon weil es von
der akademischen Langweiligkeit und der nüchternen Kor-
rektheit abweicht, prägnant sein und dadurch charakteri-
stisch erscheinen; das wahre Schöne aber weicht zwar
ebensoweit von dem allgenieinen (abstrakten) Schema der
sogenannten „Idealform" ab, geht aber nicht darunter herab,
sondern vielmehr darüber hinaus. ' Und das ist „die wahre
Höhe", welche Begas auf diesem Wege nie erreichen wird.
Seine zwecklosen Verrenkungen, sein unnützer, weil un-
motivirter Aufwand von Muskelanschwellung mögen als
Specialstudien ganz gut sein, hier haben sie gar keine Be-
deutung. Es scheint mit einem Worte, als ob der Künstler
diese Kompositionsweise nicht für das Denkmal, sondern
das Denkmal für diese Kompositionsweise projektirt habe.
— Auf die sonstigen Partien seines Modells einzugehen,
halte ich darum für unnöthig, weil cs in der Hauptsache
gänzlich verfehlt ist.

Gustav Bläser'S Modell zeigt den feinfühlenden
und denkenden Künstler in hohem Maaße, namentlich darin,
daß er alle kleinlichen Details, z. B. zur Ausschmückung
des Postaments, vermieden hat. Nur was die Architektur
des letztern betrifft, der „in einem dein gothischen sich an-
nähernden Stil" gehalten ist, so möchte derselbe gerade in
Köln zu manchen Bedenken Anlaß geben, weil man hier
ein sehr scharfes Gefühl für Gothik hat. Auch scheint cs
zu hoch, wie überhaupt die meisten Postamente. Der Kö-
nig selbst ist als aus dem Kriege mit Frankreich zurück-

kehrend gedacht und das Volk anredend. Diese Bewegung
ist gut getroffen, aber es fehlt der ganzen Haltung etwas
an königlicher Würde. Zur Wahl, ob der König bedeckten
oder unbedeckten Hauptes darzustellen sei, ist für das Haupt
noch eine besondere Darstellung im Modell aufgestellt. Die
Wahl und Vertheilung der Postament-Figuren und Reliefs
ist einfach und verständlich. Ich will sie hier nach dem
Wortsaut des Programms kurz angeben.

Die erste Langseite hat als Haupt-Moment der Dar-
stellung: „Die Volksbewaffnung," — Die Jugend
eilt herbei zu den Waffen und schwört zur Fahne; eiu
Vater sendet seinen Sohn zum Heer, dieser gehorcht be-
geistert dein Aufruf, die Mutter betet um Sieg und glück-
liche Rückkehr des Sohnes, dessen Braut sich schmerzbewegt
an die Mutter lehnt. Das Kostüm der Figuren soll auf
Schlesien deuten, ebenso der Hintergrund, welcher das
Rathhaus von Breslau zeigt, über welchem der Adler seine
Fittige ausbreitet und die Blitze des Befreiungskrieges ent-
sendet. — Die zweite Langseite zeigt: „Die Vereini-
gung der Rheinprovinz mit Preußen." — Bo-
russia, von ihren siegreichen Kriegern gefolgt, kehrt an den
Rhein zurück; das Rheinland, als eine weibliche Figur dar-
gestellt, eilt ihr entgegen und richtet ihren Wappenschild
zur Vereinigung mit Preußens Wappen; das rheinische
Volk jubelt freudig den siegreichen Helden entgegen. Bo-
russia empfängt die Rheinprovinz und reicht ihr die Hand
als einer Befreiten, Deutschland wiedergegebenen; die
Jugendlichkeit der letztgenannten Figur deutet auf neues,
jugendliches Erblühen, die Eiche auf Deutschland; der Hin-
tergrund soll die rheinländische Landschaft charakterisiren. —

Die vordere Kurzseite bringt die verdienstvollen
Männer, welche für die Befreiung des Vater-
landes gewirkt haben. — Die hintere Kurzseitc zeigt
die Männer, welche für Kunst und Wissenschaft
rühmlich gewirkt haben, Schadow, Jmmermann,
Schinkel als Hauptförderer des Dombaues, Beuth als
Vertreter der Industrie, und Mendelssohn.

Der erste vorspringende Sockel trägt Blücher und
Vork (in einer Gruppe), als die Ersten, welche mit der
Armee den Rhein überschritten. — Der Hintere vorsprin-
gende Sockel trägt Hardenberg und Stein, letzterer
zerreißt die Ketten der Fremdherrschaft. Zwischen beiden
Gruppen, in der Mitte der Kurzseite, Wellington mit
dem Feldherrnstab, neben ihm rechts Gneisen au, links
Bülow, hinter ihnen Schreckeustein und Körner; zur
Bezeichnung des Entscheidnngsschlachtfeldes, als Hinter-
grund das Monument von Waterloo und Lorbeerbäume.

Der dritte vorspringende Sockel trägt Arndt und
Schlegel. Diese schließe» sich somit zunächst au die
Darstellung der ersten Langseite au, als solche, welche zu-
meist auf die Begeisterung des Volkes gewirkt haben. —

Auf dem vierten vorspringeuden Sockel endlich die beiden
berühmtesten Künstler des Landes: Beethoven und Cor-
nelius. Als Hintergrund dieser Kurzseitc das berühmteste
Bauwerk, der Dom. — Es wären möglicherweise (s. Pro-
gramm) noch vier Figuren in den vier Eckgruppen anzubrin-
gen: etwa Fichte zwischen Hardenberg und Stein, Niebuhr
zwischen Arndt und Schlegel, Lessing zwischen Cornelius
und Beethoven, Längeren zwischen Blücher und Jork. —
An dem oberen Theile des Postaments: die Wappen der
Städte des Rheinlandes, welche Preußen cinverleibt wur-
den; zwischen diesen die Flüsse: an der vorderen Seite dcr
Rhein und die Mosel, an der Hinteren die Nahe und die
Sieg, alle verbunden durch eine Weinranke. — Soweit
das Programm.

Hier wäre nur gegen Einzelnes zu erinnern, daß Wel-
lington auf eiu deutsches Denkmal nicht hingehört, und
daß die Zusammenstellung von Schadow, Jmmer-
mann, Schinkel, Beuth und Mendelssohn als
Vertreter der Kunst und Wissenschaft — denn wer un-
ter ihnen soll hier z. B. Vertreter der Wissenschaft sein,
und als was steht Mendelssohn da, sofern später Beet-
 
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