Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0254

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
238

Behandlung hier schon durch den Gegenstand bedingt und
gerechtfertigt ist; doch ist dieser Forderung von beiden Künst-
lern viel leicht etwas zu viel Rechnung getragen. Northen
hat eine „Scene aus dem russischen Feldzug" gemalt, ungemein
lebendig wie alle seine Bilder, und das Wilde, Schauerliche
der Situation mit erschütternder Wahrheit ausdrückend,
aber immerhin etwas zu roh in der Ausführung. Der-
selbe Vorwurf trifft .nod) weit mehr das Bild von Fi k-
kent sch er: „Blücher bei Ligny", das trotz einer guten
Lichtwirkung und gleichfalls lebendiger Auffassung doch gar
zu sehr den Eindruck einer Skizze inacht. — 'Das Bild
von Plathner „die Alte und ihre Zöglinge" zeigt eine
alte Frau, die mit behaglichem Interesse drei eifrig fressenden
Ferteln zuschaut, während aus einer Oesfnung des Stalls
dahinter die Mutter der lieben Thierchen ihren unförmlichen
Rüssel herausstreckt. Die Scene ist von einem drollig ge-
mächlichen Humor und gut gemalt. Bcrgslicu's „Genre-
bild" ist einfach und anspruchslos in Komposition und Ma-
lerei, aber tüchtig und gefällig in beiden,. Einen ganz
bedeutenden Fortschritt zeigt Siegert in seinem Bild
„An der Klosterpforte", der unseres Erinnerns noch kein
Bild von so schöner kräftiger Farbe ausgestellt hatte. Von
Ritz meinen wir dagegen schon bessere Bilder gesehen zu
haben. Seine „kleine Kavallerie" hat etwas Verwaschenes
und Körperloses in der Malerei, wenn auch Gegenstand
und Auffassung recht hübsch ist.

Zum Schlüsse sind drei gute Portraits anzuführen:
das „Bildnis; A. v. Humboldts" von Prof. I. Schräder
(in Besitz des Herrn Heimann in Köln) erregt besonders
allgemeines und großes Interesse, nicht nur wegen seines Ge-
genstandes, sondern weit es auch so sehr schön gemalt ist;
kräftig und voll Leben in Farbe und Zeichnung, erinnert
es dadurch und durch die Art der Behandlung an gute
alte niederländische Porträts. — Das „Portrait des ver-
storbenen Direktors v. Schadow" von Direktor Beude-
mann, obwohl den Meister nicht verläugnend, hat etwas
Weichliches und bleibt hinter andern seiner Porträts zurück.
Das dritte ist ein „Männliches Portrait" von Schick.

9 Köln, am 1. August. (Die Konkurrenz-Mo--
dellefürdasKönigsdeukmal. Forts.) Die mit Nr. 3
bezeichucte Skizze rührt von Karl Cauer aus Kreuznach
her und zeigt in der Anordnung eine verständige Klarheit
oder vielmehr eine klare Verständigkeit, einen Vorzug,
der aber vom Standpunkt der plastischen Gesammtwirkung
fast als ein Fehler erscheint. Es ist Alles darauf wohl
überlegt und zurecht gelegt, aber dem Ganzen sowohl
wie den Einzelheiten in ihrer Beziehung zu einander wie
zum Ganzen fehlt es an jener Einheit und Kraft der
kompositiouelleu Gestaltung, worin im Wesentlichen die
plastische Harmonie beruht. Dieses Modell gehört zu
denjenigen, welche für sich unverständlich wären, ohne die
Worterklärung des Verfassers. Ueberhaupt hätten die
meisten Aussteller — wegen der Skizzenhaftigkeit und
Unbedeutendheit der Modelle — besser gethan, sich mit
der Beschreibung ihrer Projekte zu begnügen, da in
dieser fast überall mehr enthalten ist, als in den Modellen
selbst. So muß ich denn auch Cauer's Beschreibung
seines Modells in Betracht ziehen, um der Idee des
Künstlers nicht Unrecht zu thun. Seine Idee ist folgende:

Der König, in der Generals-Uniform der damaligen
Zeit, ist aufgefaßt, wie er als Sieger und Befreier Deutsch-
lands zum ersten Male nach dem Rheine kommt und, die
ihrem neuen.Herrscher zujanchzendeu Rheinländer begrü-
ßend, sic seines Schutzes und seiner H^ild versichert. Auf
einem muthig voranschreitenden Pferde sitzend, ist die Fi-
gur des Königs nur mäßig bewegt, da derselbe, bei seiner
großen Charakterfertigkeit, außerordentlich ruhig und milde
war und auch stets in seinem Aeußern wahrhaft königlich
erschien. (Diese „Königlichkeit" fehlt nun freilich der Mo-
dellgestalt gänzlich.) Das Piedcstal der Reiterstatue er-
hebt sich auf dem Grauitsockel in zwei Abtheilungen,

dessen oberer kleinerer Theil auf der vorderen Seite das
Relief der Königin Louise enthält. Sie ist als Geist ge-
dacht, über den Sternen schwebend und Gott um Segen
und Erhaltung flehend für ihren Königlichen Geniahl, ihre
Kinder und für ihr treues Volk. — Auf der Rückseite
ist die „Erhebung des Volkes" in einer Scene angedeu-
tct. Im Hintergründe zieht die ausrückende Landwehr mit
fliegenden Fahnen in's Feld. Vorn nimmt ein Jüngling
Abschied von seinen Eltern und ein Kamerad, ihn erwar-
tend, hält sein Gewehr.

Die beiden Langseiten enthalten den „Rheinüber-
gang bei Caub" und die „Schlacht bei Belle-Allian ce."
Bei ersterem, in der Mitte des Reliefs, steht Blücher
und Nork am Ufer des Rheines, noch Befehle an die
Offiziere ertheilend, welche eben in einem Kahne über den
Rhein setzen. In dem zweiten Relief ist rechts die Begegnung
Blüchcr's und Well in gton's, die sich nach dem erfochte-
nen Siege auf dem Schlachtfelde die Hände reichen. Beide
sind umgeben von den Offizieren welche bei Belle-Alliance
kommandirten. Am unteren größeren Theile des Pie-
destals stehen an den abgestumpften Ecken desselben vier
Engel, durch welche der wahrhaft christliche und tief inner-
lich sittliche Geist des Fürsten und des Volkes bezeichnet
wird, durch welchen, verbunden mit der edelsten Aufopferung
und der größten Tapferkeit, allein es möglich war, einen so
mächtigen und sieggewohnten Feind zu überwinden. — Zur
Rechten des Beschauers, vorn, steht der „Engel des Frie-
dens," den Oelzweig in der einen Hand und in der an-
dern die zerbrochenen Ketten; links der „Engel des Ruh-
mes" niit Elchkränzen in beiden Händen. Auf der Rückseite
der „Engel des Krieges" mit dem Schwerte in der Rech-
ten und hocherhobenem Schilde in der Linken. Dann der
„Engel des Segens," welcher dem Frieden folgt und das
Füllhorn mit seinen Gaben ausschüttet. — Vorn ist die
Inschrift und auf de» beiden Langseiten sind die Prinzen
und die bedeutendsten Generale und Staatsmänner
in zwei Hanptreliefs gruppenweise zusammengestellt. Sie
sind im Hauptquartier versammelt gedacht. Unter dem
Rheinübergang in der Mitte stehen Scharnhorst und
Stein, die Schöpfer der Reorganisation des preußischen
Staates, berathend zusammen. Links davon Prinz Wil-
helm, Bruder des Königs; bei ihm ist der damalige
Kronprinz, unser hochseliger König, und des jetzigen Kö-
nigs Majestät als jugendliche Prinzen und am Ende
der Reliefs Bülow, der mit Prinz Wilhelm sehr befreun-
det war. Auf der anvern Seite stehen Schön, Viukc
und Arndt zusammen, welche auf Stein und Scharnhorst
-Hinweisen, hinter welchen auch noch Grollmauu und
Boyeu stehen. — Unter der Schlacht bei Belle-Alliance
steht Blücher in der Mitte auf sein Schwert gestützt und
auf die Gencral-Stabskarte zeigend, die Gneisenau neben
ihm aufgerollt hält. Rechts davon Jork auf sein Schwert
schagend, mit den Worten: Das laßt mich nur machen!
Links von Blücher erhält Kleist von Nollendors so
eben einen Befehl von demselben. Den Schluß bilden
Hardenberg und W. von Humboldt, die beiden
großen Staatsmänner, in einer Unterredung. Die Gene-
rale Tauenzieu und Thiele mann schließen sich der
Gruppe au. — Auf der Rückseite des Piedestales sind
die Männer, welche durch ihren großen persönlichen Muth
und Kühnheit, mit der glühenden Begeisterung für die
Freiheit verbunden, einen so bedeutenden Einfluß auf die
Erhebung Deutschlands hatten. An den beiden Seiten
sind Körner und Schill, und in der Mitte stürmt Lü-
tz ow mit ^geballter Faust hervor. An Körner schließt
sich noch Schcnkcndorf und der Herzog von Brann-
schweig-O els an.

Unten läuft um daö ganze Piedestal ein Fries,
welcher Darstellungen aus der Entwickelung Preußens in
den dem Kriege folgenden Friedensjahren, unter dem
Schutze und der Förderung des Königs enthält, mit be-
sonderer Bezugnahme auf die Rheinlande. Born in der
 
Annotationen