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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 7.1862

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https://doi.org/10.11588/diglit.13516#0270

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rebter und liebevoller Weise dankte und als neues und
jüngstes Mitglied seinem Vereine ein begeistertes Hoch
ansbrachte. — Der Gattin des Gefeierten und den Da-
men galt der nächste Toast; auch den großen Künstler in
seine Geburtsstadt zurückzulocken, versuchte ein -Fcstgenosse
in gewandter Rede; der unendliche Applaus mußte dem
gefeierten Manne zeigen, mit welchem Sinne der Aner-
kennung, der gerechten Würdigung seines gewaltigen Schaf-
fens man ihn hier an der Stätte seiner Wiege wieder
begrüßen würde, wenn er zurückkehrte als Düsseldorfs
größter Sohn. — In solck' gehobener Feststimmung zog
der lange Zug aus dem Geisler'schen Lokale in den be-
nachbarten Iakobi'schen Garten, in den Malkasten. Hier
hatten junge und rüstige Mitglieder bei der Kürze der
Zeit Tag und Nacht geschaffen, gemalt, geklebt und pro-
birt; sie fanden ihre Genngthnung darin, den verehrten
Gast, den sie, bis zum letzten Augenblick beschäftigt,
nicht am Festmahl mit begrüßen konnten, hier in seinem
neuen Vcreinslokale in acht und rein künstlerischer Weise
zu empfangen. Manchem Leser Ihres Blattes wird die
Nacht des 6. August 1860 im Malkasten, dem letzten Tage
der damaligen Künstlerversammlung, unvergeßlich geblieben
sein. Eine solche zauberische Nacht war es: in derselben
Beleuchtung strahlte der herrliche Garten, durch tausend-
erlei Lämpchen, Lichter und Feuerwerk erhellt. Auf dem
Festplatze vor der Terrasse schaarte sich die Menge zum
zweiteumale um den verehrten Gast. Faust und Dante
treten auf und preisen das Verdienst des großen Künstlers,
ein jeder beansprucht ihn als den seinen; zwei Nationen
wetteifern ihn, als den ihrigen zu besitzen. Der Italiener
zeigt die „Madonna mit dem Kinde" des Meisters in einem
mächtigen Transparente. Da entrollt Faust das Bild des
gewaltigen „Siegfried/ das Symbol ächt germanischer Kraft,
das schönste Kind der deutschen Muse; besiegt legt der
Florentiner den Lorbeerkranz in die Hände des Germanen
nieder; und auf wessen Haupte sollte der Kranz würdiger
ruhen als auf dem Haupte des Peter v. Cornelius,
dem begeisterten und gewaltigen Bildner der Nibeluugen-
sage? Es war ein großer, schöner und gewiß bedeutungs-
voller Augenblick, als der ehrwürdige Meister, sichtbarlich
ergriffen, den Siegeskranz aus den Händen seines Volkes
empfing; feierliche Stille, feierlicher Ernst lag aus der Ver-
sammlung, bis die Klänge des Mendelssohnsichen „Som-
mcrnachtstraumes" uns i» eine andere Welt riefen. Vor
uns liegt die duftige Wiese, magisch erleuchtet durch die
Strahlen des Mondes, der vom wolkeureineu Aether hin-
ter den dunkeln Laubmassen auf die andächtige Festmenge
herablächelt; die Gestalten des Märchens erscheinen, Elfen
und Gnomen steigen aus der Erde hervor und »mgaukeln
die Sinne des festberauschteu Volkes. Ein Fackelzug der
abenteuerlichsten Gestalten geleitet den theuereu Gast bis
an die Pforten des Gartens, noch spät, ja auch noch früh
leuchtete der Festkreis den Genossen beim fröhlichen Becher-
klang. Unvergeßlich wird Düsseldorfs Künstler» dieser Tag
sein, unvergeßlich die würdige Erscheinung des Mannes,
der am folgenden Tage in ihrer Mitte, in dem Vereins-
lokale, erschien und freundlich und liebevoll für die Auf-
nahme nach alle» Seiten hin noch einmal dankte. Zahl-
reiche Segenswünsche begleiteten den Heimkehrenden, als
ihn die Schaar seiner Verehrer am nächstfolgenden Morgen
auf den« Bahnhof umgaben. Ein begeistertes Hurrah er-
scholl, als Peter von Cornelius von ihnen schied.

* London, 6. August.*) (Die internationale
Kunstausstellung I.) Wenn es der Zweck und die Auf-
gabe einer internationalen Kunstausstellung ist, eine klare und
richtige Anschauung von dem gegenwärtigen Standpunkt und
der Art und Weise der Ausübung der Künste bei den ver- *)

*) Dieser Bericht unseres zweiten Londoner Korrespondenten
schließen sich im Allgemeinen an die früher veröffentlichten des
andern an. D. Red.

schiedenen Nationen zu geben, so folgt zunächst daraus, daß
sie in der Vertretung der Nationen durchaus eine gewisse
Gleichheit in Betreff der Ausdehnung der Gegenwart beobach-
ten, sodann daß sie dahin streben muß, alle Nationen in einer
hinlänglichen Anzahl solcher Werke auftreten zu lassen, welche
diesen gegenwärtigen Standpunkt der Künste charakterisiren.
Weuu das feststeht, so ist es klar, daß dieser Zweck erstens
deshalb hier nur unvollständig erreicht werden kann, weil
der Begriff der Gegenwart, wie Sie wissen, so beliebig
ausgedehnt ist und beschränkt worden ist, zweitens deshalb
weil nicht alle Nationen hinlänglich und angemessen ver-
treten sind. Ganz anders in der Industrieausstellung, wo
beide Forderungen erfüllt sind. Auf die Frage also, ob
wir aus der Art und Weise der Veriretung der verschie-
denen Nationen im Stande sind, uns einem vollständig
richtigen Begriff ihres künstlerischen Schaffens zu machen,
und auf de» Grund dieser Ausstellung die nationalen
llnterschiede in der Wahl der Motive und ihrer technischen
Behandlung kennen zu lernen, müsse» wir verzichten; nur
die Frage läßt sich beantworten, ob den hier ausgestellten
Kunstwerke» je nach den nationalen Verschiedenheiten ein
bestimmtes Gepräge aufgedrückt ist. Hier muß ich, um
von dem mir zunächst Liegenden zuerst zu reden, entschieden
erklären, daß die deutsche Nation sowohl in der Malerei
wie in der Skulptur verhältnißmäßig am unvollständigsten
und dürftigsten vertreten ist, daß es daher völlig unstatt-
haft sein würde, wenn man aus den hier vorhandenen
deutschen Kunstwerken einen Schluß auf den allgemeinen
Charakter und das Wesen der deutschen Kunst machen
wollte. Die Gründe, warum sic so mangelhaft vertreten
ist, sind nicht schwer anzugeben. Sie sind objektiver Natur:
sie liegen nämlich theils tu der Unmöglichkeit des Transports
von Werken der monumentalen Malerei und Skulptur, theils
aber auch, und vielleicht in noch höherem Grade, in der Gleich-
gültigkeit oder gar Abneigung der Künstler oder der Privat-
besitzer, ihre Werke hieher zu senden. Woher kommt cs sonst,
daß Overbeck und Kaulbach nur mittelbar, d. h. durch
Stiche, Cornelius nur durch den Cartou der „vier apoka-
lyptischen Reiter, L e s si n g nur durch die kleinere „Gefangeu-
nehmuug desPapstesPaschalis", Schwind und Schirmer
gar nicht vertreten sind? Wer sich des Inhalts der vorjäh-
rigen kölner Ailsstcllung oder gar der Münchener des
Jahres 1858 erirnnert, kann sich dcS Gedankens nicht er-
wehren , daß das Urtheil der die Ausstellung durchwan-
dernden Millionen von Beschauern über die deutsche Kunst
ein ganz anderes sein würde, wenn mau nur eine Aus-
wahl des Bedeutendsten von dem dort Ausgestellten hätte
senden können und wollen. Kein Wunder daher, daß das
Urtheil der nicht-deutschen und insbesondere der englischen
Kritik, so viel es mir bis jetzt kund geworden, wenig oder
gar nicht anders lautet, als es vor der Ausstellung lautete.
Man räumt uns im Genre und noch mehr in der Land-
schaft große Verdienste ein, wirft aber den Historienmalern
vor, daß sie wohl zu denken, aber nicht zu malen verstehen.
Man sicht auf's Klarste, daß in dem, was Deutschland
eingesaudt, nur der Zufall obgewaltet hat; von einer Ge-
meinsamkeit des Handelns und einem gewissen systematischen
Verfahren konnte ja bei Deuischlands unseligerZersplitterung
auch in dieser Beziehung nicht die Rede sein. Nur Oester-
reich, das, wie Sie aus dein Kataloge ersehen, außerhalb
Deutschlands eine Section für sich bildet, ist würdiger und
zwar wenigstens so vertreten, daß sich über seine Leistungen
int Genre und in der Landschaft ein ziemlich richtiges
Urtheil fällen läßt. Mithin kann unsere Antwort auf die
Frage nach dem sich hier bemerklich machenden deiitschen
Kunstcharakter nur dahin lauten, daß sich höchstens in diesen
beide» Fächern, dagegen gewiß nicht in der Historienmalerei
und ebenso wenig in der Skulptur ein gediegenes Streben
nach Angemessenheit der Motive, wie nach technisch wirk-
samer Ausführung derselben kund giebt. Glauben Sie
indessen ja nicht, daß diese Schwächen der Ausstellung,
die ich Ihnen nicht verhehlen durfte, den im Allgemeinen
 
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