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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0162

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155

Wien. Die Ausstellung des Oesterreichischen Kunst-
vereins, welche durch ihre besondere Reichhaltigkeit au werthvollen
Knnstschätzeu die allgemeine Aufmerksamkeit der Kunstfreunde auf sich
gezogen und trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse auch im Monat
April mehrere Vereins- und Privat-Ankäufc als Erfolge aufzuweisen
hatte, wurde durch eine Anzahl neuer Kunstwerke bereichert, darunter
ein größeres Bild von Kurzbauer „Das neue Bilderbuch", ein
lebensgroßes Gemälde von Canon „Badende Frau", zwei Damen-
portrails von Aigner, „Sonnenuntergang" von Professor Hugo
Knorr rc. Die diesjährige Generalversammlung des Kunstvereins
wird Ende dieses Monats stattfinden. Zwischen dem Oesterreichischen
Kunstvereine und dem Steiermärkischen in Graz wurde in neuester
Zeit ein Uebereinkommen abgeschlossen, demzufolge der letztere an der

Gewinnst-Verloosnng des Oesterreichischen Kunstvereius durch fixe
Abnahme von 1000 Autheilscheinen desselben participirt und sich
dafür die Betheiliguug mit 1000 Exemplaren der Bereinsprämie
„Nero während der Christenverfolgung" ausbeduugcn hat. Bekannt-
lich bringt der Kunstverein Heuer eine Reproduction dieser neuesten
Meisterschöpfung Kaulbach's in großem Format als eine seiner
diesjährigen Prämien zur Ausgabe, ein Vereinsblatt, welches durch
das plötzliche Ableben des berühmten Meisters als dessen letztes
großes Werk eine bei Bestellung dieser Nachbildung ungeahnte,
wohl sehr unerwünschte Bedeutung erlangt hat.

*** — Am 3. Mai ist die Jahres-Ausstellung im Künst-
lerhause mit bedeutenden und hervorragenden Meisterwerken eröffnet
worden.

Kunstkritik.

Kunst mul Kunstimlustrie in iler MellrlussteUung.

Von tzarl Albert Iicgnet.

^ XXIII.

enn in Darstellungen solcher geschichtlicher Ereignisse
und Thatsachen, welche dem Mittelalter und der Neu-
zeit angehören, eine realistische Darstellung allerorten
stich zeigt, so kann auch der eingefleischteste Idealist
nicht wohl etivas dagegen haben. Da sahen wir denn
des berliner Professors Carl Becker „Kaiser Carl V.
bei Fugger" und kümmerten uns Angesichts der glücklich angeordneten
Gruppe, der lebendigen Charakteristik und vollendeten Technik wenig
darum, daß eine Scene wie die von der Sage überlieferte und vom
Künstler behandelte in Wirklichkeit wahrscheinlich gar nie stattgehabt.
Moritz von Beckerath in Düsseldorf war durch seine „Bestattung
Alarichs" nichts weniger als glücklich vertreten. Es fehlt der Kom-
position an Klarheit und Abrundung, und man ist häufig in der
Lage, nicht zu wissen, zu welchem Körper diese uud jene Glied-
maaßcn gehören. — Cretius in Berlin hatte seine „Gefangene
Cavaliere vor Cromwell" geschickt. Das Bild hat vor Allem den
großen Vorzug ohne alle Spur theatralischer Attitüde oder krank-
hafter Sentimentalität einen ächt dramatischen Charakter zu zeigen.
Der Gegensatz zwischen dem mit keinem Zuge seines edlen wenn auch
fahlen Gesichts die innere Aufregung verrathenden Cromwell und der
stolzen Haltung des gefangenen Cavaliers, der mit der Rechten den
theueren Sohn umfaßt, während der greise, auf den Stock gestützte
Vater die seine auf dessen linke Schulter legt, als wollt' er ihn zur
Fassung mahnen, wirkt durch die außerordentliche Ruhe wahrhaft er-
greifend.

Wilh. Linden sch mit in München war durch drei werthvolle
historische Gemälde vertreten, durch seinen „Ulrich von Hutten im
Streit mit französischen Adeligen über Kaiser und Reich", seinen
„Tod des Prinzen Wilhelm von Oranien" und seine „Bilder-
stürmer. Episode aus der schottischen Reformation: John Kusx ver-
hindert, unterstützt vom Grafen von Muray und dessen Cavaliere,
die Zerstörung der schottischen Krönungsabtei 1559". Der Hutten
Lindenschmit's ist ein durch und durch deutsches Werk, deutsch nach
Gedanken und Solidität der Durchbildung, deutsch nach seiner
ernsten kräftigen Farbe. Der nächste von den Fremden, die auf
Kaiser und Reich geschmäht, ist unter seinem deutschen Hiebe jäh
zusammen gebrochen und seine Gefährten suchen in sich überstürzen-
der Flucht das Freie, indeß der wackere deutsche Ritter breitspurig
ans dem Kampfplatz steht, das Schwert in der Faust, bereit jeden

Anprall abzuschlagen, falls sich die Gegner etwa noch von ihrem
Schrecken erholten. Lindenschmit's Oranien steht an innerem Ernste
dem Hutten in keiner Weise nach, wenn auch der Stoff nicht eine so
mächtige Anziehungskraft besitzt. Dasselbe gilt von seinen Bilder-
stürmern. Es geht ein großer Zug durch die Komposition und das
Kolorit ist von seltener Kraft und Wärme.

Dagegen ist Fab er du Faur in München, ein Schüler
Piloty's, in seiner „Flucht des Winterkönigs aus Prag am Tage
der Schlacht am weißen Berge" vollständig in die theatralische
Art und Weise seines Lehrers verfallen. Die sich bäumenden
Schimmel an der Staatskarosse, die Reitknechte und Soldaten
gelten im Bilde viel mehr als der flüchtende König und die
Seinigen. Und was an's Komische streift: Niemand scheint von
der Nähe der Gefahr betroffen. Man glaubt zu sehen, wie irgend
ein ehrlicher Spießbürger mit Weib und Kind in die Sommerfrische
abreist und geschäftige Hände noch da eine Lieblingstasse dort einen
gewohnten Fußteppich herbei bringen. Was der arme König in seiner
Karosse mit all' dem Zeug anfangen soll, weiß der liebe Himmel;
es wird ihm und seiner Gemahlin kaum etwas übrig bleiben als
ihren Schooß damit zu belasten. Und so etwas nennt man in
München heutzutage Historien-Malerei!

Gustav Spangenberg, den man zum Unterschiede von Friedr.
Spangenberg den Luther-Spangenberg nennen konnte, wie Gustav
Koenig in München der Luther-König hieß, war durch zwei Luther-
bilder vertreten: Das erste zeigte den Reformator im Kreise seiner
Familie, bejahrt, wohlbeleibt, im langen schwarzen Talar die Laute
spielend und damit den Gesang seiner Frau begleitend; ein Bild
von wohlthuendem, alterthümlichem Charakter ohne alle Prätension
und Manier. Im zweiten Bilde sahen wir „Luther umgeben von
christlichen und jüdischen Gelehrten die Bibel übersetzend". Der
Künstler war enthaltsam genug, jeden Anschein von Deklamation
und theatralischer Bewegung, die auf die Menge Eindruck gemacht
hätte, zu vermeiden und den innerlichen Vorgang lediglich durch
lebhaften Ausdruck der Köpfe und ihres Mienenspieles zur An-
schauung zu bringen, so daß das Werk einen durchaus gediegenen
Eindruck macht, der noch durch eine weise Mäßigung in Bezug auf
die Wirkung der Farbe erhöht ward, obwohl es dieser an Kraft
keineswegs fehlte. — Camp Hausen hatte seine Reiterportraits Fried-
rich des Großen und des großen Kurfürsten ausgestellt. Es dürfte
schwer werden, eine bestinimte Action als diejenige zu bezeichnen,
 
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