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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0232

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urtheilen, hat es in der Mutter einen Bundesgenossen gefunden.
Dadurch wird aber das ältere Kind, ein Mädchen, in üble Laune,
in Furcht und Besorgniß versetzt. Die Zeichnung ist prächtig, Alles
bis in's kleinste Detail individualisirend, und man weiß nicht, ob
man zuerst im Gesicht des Tragkindes die ungebändigte Freude an
dienen, Niegesehenen, oder in der Mutter Mienen die Zärtlichkeit,
oder endlich in des kleinen Mädchens Antlitz den ängstlichen Miß-
muth lesen. Die Farbengebung ist ebenfalls eine sehr gelungene,
meisterhaft natürlich durchgeführte. — Das Gleiche in letzterer Hin-
sicht könnten wir von G. Decker gerade nicht sagen. Dieser

talentirte Künstler lebt der falschen Meinung, die technische Be-
handlung eines niederkomischen Gegenstandes — er beschäftigt sich
ausschließlich mit solchen aus den unteren Volksklassen — könne
ebenso vulgär, ja grob und flüchtig sein, und hat nach dieser

Maxime seine zwei Gemälde „Eine Scene am Brunnen" und

„Vor der Lottokollektur" koloristisch genommen „ordinär" ausge-
führt — des Gegenstandes wegen. Welch' ein Jrrthum! Wie

unangenehm und widerlich würde — um nach der dramatischen
Kunst hinüber zu greifen — das Publikum berührt werden, wenn
in einem Stücke z. B., worin ein betrunkener Bauernknecht vor-
kommt, der Regisseur einen wirklichen Bauernknecht in eben dem-
selben Zustande auftreten ließe, wie angenehm und anheiternd da-
gegen, wenn ein Künstler diese Rolle mit feinster durchsichtiger
Charakteristik giebt. Je gemeiner ein Thema, desto feiner, sorg-
samer und kunstvoller seine Ausführung, soll zwischen Kunst und
Profanem noch eine Schranke bleiben. — Mit peinlicher Tragik
malte C. Giacomelli eine „Erwartung". Eines Schiffers
Familie schaut, von der Thüre ihrer Hütte aus, die knapp am
Meere gelegen, auf den erzürnten Ocean, der das Leben des Er-
nährers in seiner Hand hat. Die Wuth des Sturmes konnte nicht
deutlicher angedeutet werden als dadurch, daß derselbe die am festen
Lande Stehenden selbst in die Wogen schlendern will. Der Farben-
ton ist richtig. — A. Achenbach's „Klostergang" kann in Licht
und Schattenvertheilung mustergiltig genannt werden; ein Zusammen-
fließen dieser beiden Schattirungen kann nicht harmonischer gedacht
werden, als hier der Fall ist. — H. Bürkel malte „Reisende Bären-
treiber"; ein bischen weniger Idealität in der Komposition hätte dem
Gemälde gewiß nicht geschadet, das sonst verständig und lebendig ge-
halten ist. Ein ebenso lebhaftes als geschickt gruppirtes Bild sahen
wir von F. Beinke „Spielende Kinder", ein anderes ebenfalls glück-
lich ausgeführtes „Rheinischer Schäfer" von C. Seidels. — Por-
traits sahen wir von George Mayer und Hardtmuth, von beiden
sorgfältigst behandelt — Otto Gebler's Thierstück „Der unwill-
kommene Gast" verdient unbedingtes Lob, der Zeichnung wie der
Komposition wegen. Durch die eben in den Stall eingetriebene
Schafsheerde, die nun ihr Vesperbrot erhält, drängt sich der be-
kannte langohrige Vierfüßler, um an den Tafelfreuden Theil zu
nehmen. Für diese Ehre bedanken sich nun die Schafe auf die un-
zweideutigste Weise und traktiren den Eindringling mit undelikaten
Stößen. Dieser Gegenstand wurde nun vom Künstler sehr geschickt
behandelt, und die Gruppirung vorzüglich dargestellt. —

A. De faux malte zweimal einen „Hühnerhof" mit kühner
aber gelungener Beleuchtung, die einem von sehr hohen Gebäuden
eingeschlossenen Hof nur durch eine Hausflur zukommt. Eine sehr
gute natürliche Auffassung zeigt A. Schrödl in dem „Eselgespann",
doch scheint dieser hochgeachtete Künstler das Bild zu flüchtig bear-
beitet zu haben. C. Seidels' „Weidende Kühe" sind in Zeich-
nung und Farbe vortheilhaft, auch weist die Landschaft in allen
ihren Schichten eine gründliche und edle Behandlung auf. Außer-
dem bethätigten sich auf diesem Platze O. Thoren, Veyrassat
und C. Paluzzi. — F. Peusinger hat eine Oelskizze „Fuchs auf

der Lauer" gemalt; wir bemerken auch in dieser flüchtigen Arbeit
das Talent des Künstlers. Ein Gemälde „Hunde" war von der
Hand M. Ranft's gemacht und läßt uns recht deutlich den Werth
des Verblichenen fühlen.

LJ München, Anfang Juli. (Aus den Arkaden des
Hofgartens.) Es giebt kaum eine zweite Partie unserer Stadt,
die von Einheimischen und Fremden so vielfach besucht würde als
die Arkaden des königl. Hofgartens mit den berühmten italienischen
Fresken Rottmann's, mit den alten historischen Fresken und den
plastischen Darstellungen der Arbeiten des Herkules. Aber in

welch' trostlosem Zustande befinden sich diese vielbesuchten Arkaden?
Schwarze und braungraue Moderflecken an Decken und Pfeilern
und den ganzen Sockel entlang mit vielfach abgestoßenem Bewurf,
Taubenkoth ans den Gesimsen und Statuen und dazu noch ein
schlecht gesäuberter Fußboden. Die Eigenthümer der schönen Ver-
kaufslokale unter den Arkaden haben auf ihre Kosten eine brillante
Beleuchtung der Arkaden beschafft, aber sie dient »nr dazu, die
grellen Mißstände nun auch noch des Nachts sehen zu lassen. Die
Rottmann'schen Fresken sind restaurirt, und man war überfroh, den
störenden Kasten, in dem der Künstler arbeitete, endlich verschwinden
zu sehen. Aber nun ist er wieder da und beherbergt einen Dekora-
tionsmaler, der Monate braucht, um einen der simplen und nichts
weniger als geschmackvollen Rahmen um ein Bild niit bloßer Leim-
farbe zu nialen. Wenn das in diesem Tempo fortgeht, werden Jahre
vergehen, bis die Rottmann'schen Fresken wieder sichtbar werden.
Denn so lange die Rahmen nicht hergestellt sind, bleiben auch die
Bilder verdeckt. Der Anblick der zinnoberroth angepinselten Ver-
schlnßläden über den Bildern ist aber ebenso widerwärtig als der
der verwitterten Umrahmungen. An eine Restauration der Seiten-
wände und Deckengemälde scheint Niemand zu denken.

Auch die historischen Fresken im südlichen Theile der Arkaden
befinden sich in einem bcklagenswerthen Zustande. An vielen Stellen
blättert die Farbe ab, theilweise wohl, weil der Malgrund nicht mehr
feucht genug war, theilweise da, wo die Bilder zu stark mit Tempera-
farben übergangen worden. Aus den vielfachen Erhöhungen der Wand-
flächen liegen dichte Schichten Staub, der in die Poren eindringt und
den Wurzeln von Moos und Flechten Halt giebt, die sich über die
Bilder ausbreiten und den Bewurf sprengen. Und doch wäre mit
fleißigem Abständen und hie und da wiederkehrenden Abwaschen
leicht geholfen.

Die Hofgarten-Arkaden haben eine nicht ganz uninteressante
Geschichte. Früher waren ihre Außenwände mit Gemälden bedeckt,
welche die Thaten Otto's von Wittelsbach und in allegorischen Fi-
guren die zwölf Monate darstellten, jedoch schon 1779 ganz erloschen
waren. Am östlichen Ende der 2300 Fuß langen, 15 Fuß hohen
und 14 Fuß breiten, als eine bauliche Fortsetzung der kgl. Residenz
sich darstellenden bedeckten Gallerie befand sich früher ein prächtiger
jetzt der Hofgarten-Kaserne einverleibter Saal mit einer Anzahl
mythologischer Darstellungen an der Decke von Bocksberger. Um
denselben mehrere Scitenkabinete: die kurfürstlichen Gartenzimmer,
aus denen eine Treppe zu einem Teich hinabführte, der sich an der
Stelle des jetzigen Exerzierplatzes vor der Kaserne befand. Ueber
dem nördlichen Bogengänge, da wo sich jetzt die Kunstgewerbeschule
befindet, ließ Kurfürst Karl -Theodor ein Lokal von sechs Zimmern
und einem Saal für die Gemälde-Gallerie anlegen, die 1783 er-
öffnet wurde und bis nach Vollendung der Pinakothek 1835 da-
selbst verblieb. Arkaden und Hofgarten verloren jedoch unter König
Maximilian I. mit ihren bildnerischen und malerischen Zierden mehr
und mehr ihr Ansehen und erst König Ludwig I. war es Vorbehalten,
diesen Räumen eine erhöhte vaterländische und künstlerische Bedeutung
 
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