Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0335

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
327

ziehung den Charakter des Universellen. Erlauben Sie mir jedoch,
vor allem Anderen das bedeutendste Werk der Ausstellung zu be-
sprechen, G. Conrad er's „Der Tod des Kaisers Joseph Ik. von
Oesterreich". Dieses Gemälde hat bereits verschiedene Kritik erfahren
und ist besonders in Wien vom österreichischen Standpunkte aus
beurtheilt worden, d. h. man hat die Verehrung des volksthüm-
lichen Monarchen auf das Bild übertragen. Dies ist nicht der
richtige Standpunkt, auf dem die öffentliche Kritik fußen soll. Wer
immer ein Gemälde betrachtet, wird von demselben einen ersten
Eindruck erhalten; bei dem einen wird er schwach und unsicher, bei
dem anderen klar und* deutlich sein; in seinem Gefolge kann er
andere Eindrücke noch haben, die mit den dargestellten Personen
oder Handlungen in Berührung stehen, das Gemälde selbst jedoch
nicht betreffen. Um diese sekundären Eindrücke hat die Kunstkritik
sich nicht zu kümmern; für sie sind nur die ersten unmittelbaren
von Bedeutung; diese muß sie in ihren Quellen aufsuchen und zu
erklären wissen und daher sagt Börne sehr richtig, daß der Kunst-
kritiker nicht zu sagen habe, dieses Bild sei schön oder unschön,
sondern, warum es schön oder unschön sei. — Wir beginnen mit
der Komposition des lebensgroß gehaltenen Werkes. Sie soll streng
historisch gehalten sein; wir glauben es und wollen nur untersuchen,
ob dieselbe deni künstlerischen Unternehmen günstig ist. Gegen den
Hintergrund des Saales zu liegt unter einem Thronhimmel der
eben gestorbene Kaiser; auf der uns zugekehrten Seite des Bettes

kniet Gräfin Kinsky; am Kopfe des Todten sitzt Erzherzog Franz,

neben diesem stehen Generale, Aerzte rc.; auf der anderen Seite die
kaiserlichen Beichtväter; zu Füßen des Bettes staut sich eine Woge
des Volksmeeres auf den Korridoren der Hofburg. Wer auch nicht
das Bild gesehen, wird uns schon jetzt zugeben, daß darin allzuviel
Leben herrscht, daß nicht allein der Hauptgedanke mehr als nöthig
in den Hintergrund gedrängt wird, daß auch der Gegensatz zwischen
Leben und Tod sich nicht genug ausgedrückt findet; wir fühlen das
Bedürfniß, uns auf einen Augenblick der äußeren Eindrücke zu ent-
heben, in Sammlung den Moment des Todes zu erfassen: nirgends
aber finden wir im ganzen Bilde eine geeignete Stelle dafür. Dort

drängt sich das Volk, hier kniet die Gräfin, reihen sich um das

Haupt des Todten die rothen Hosen der Generale. Endlich glauben
wir einen Ruhepunkt gefunden zu haben, dort wo auf der anderen
Seite des Bettes das Zimmer im unsicheren Kerzenlicht sich verliert;
aber nein, hier glotzen uns zwei fette Mönchsbüsten au, die der
Grenze der Karrikatnr nicht ferne stehen. Eben auf diesen einzigen
Rnhepunkt in der ganzen Komposition und eben an's Lager des-
jenigen Kaisers, dessen versuchte Kirchenreformation als ein so
mächtiges Relief von der österreichischen Geschichte sich abhebt, zwei
damit in vollem Widerspruch stehende Personen zu setzen, heißt uns
der stimmungsvollen Sammlung völlig berauben; augenblicklich ge-
denken wir der Josephinischen Pläne betreffs der Kirche u. dgl. Es
herrscht im Bilde absolut zu viel Leben; wir vermissen die Oede
und Leere, welche ein Todtenzimmer uns bietet, das ehrfurchtge-
bietende Gcheimniß, das dort waltet. Historisch ist die Kompo-
sition freilich; aber das Historische hätte gemildert, die Dramatik
gehoben werden können. Um eine stimmungsvolle Wirkung hervor-
zubringen, hätten die grellen Farben aus der Nähe des Todten entfernt
werden sollen; die rothen Hosen der Generale hätten grauen weichen
und die Gräfin ihre gelbe mit einer dunklen Robe vertauschen können.
Um so effektvoller wäre das Farbenkunterbunt des herein strömenden
Volkes und so ein Gegensatz zwischen Leben und Tod geschaffen
worden. Ebenso wünschte man — um auf die Beleuchtung zu
kommen — eine stärkere Betonung des Kerzenlichtes im Kampfe mit
Lein Tageslichte. Der Tod, das Natürlichste nach der Geburt, bleibt

nun einmal für den Menschen das am meisten Mystische; er bleibt
ihm dunkel, niag der Arzt denselben mit noch so mathematischer Ge-
wißheit bestimmen, oder der Philosoph ihn für ein gestörtes Gleich-
gewicht zwischen Ruhe und Bewegung erklären: und diese Mystik
will in der Malerei durch schwankendes Licht dargcstellt sein. Was
Zeichnung und Behandlung der einzelnen Figuren dieses Bildes be-
trifft — für dessen Ankauf für das Belvedere wir plädiren —, so
hat der Meister wirklich etwas Meisterhaftes damit geschaffen. Prinz
Franz ist eine prächtige Gestalt; der Ausdruck des Schmerzes und
der physischen Erschöpfung muß geradezu klassisch genannt werden.
Die Stellung der knienden Gräfin erscheint zu erkünstelt und ein-
studirt; wir können dafür den Faltenwurf ihrer Robe bewundern.
Der Gestalt des General Loudons wird große Porträtähnlichkeit
nachgerühmt. Bon den Figuren aus dem Volke fällt vorzüglich,

durch lebensvolle Zeichnung und wahrhaft glänzende Technik der
alte Bulgare auf, der, obwohl in knieender Stellung in seinem weit-
faltigen Szür, dennoch eine imposante Gestalt bietet. Sehr glück-
lich gezeichnet ist auch der Knabe, der halb den Worten seines

Vaters lauscht, halb erstaunt das Prachtgemach bewundert. In
deni Mädchen mit dem hohen blaubebänderten Hute glauben wir
eine „Hübschlerin" des damaligen Wiens zu erkennen, die uns durch
ihre anspruchslose Behandlung gewinnt. Treffliche Charakteristik
zeigt auch der alte Soldat, der vielleicht bei Koliu sich seine Me-
daille verdient und gewiß noch im letzten Türkenkriege unter Joseph II.
sein Leben in die Schanze geschlagen. Das Mädchen an seiner

Seite, wohl eine Tochter von ihm, hat vom Weinen geröthete
Wangen und einen Zug tiefer Trauer, der uns nicht ungerührt
läßt. Der todte Kaiser selbst ist mit großer Wahrheit gezeichnet;
der Zerfall der Glieder, der sobald nach dem Tode eintritt, wird
uns in ergreifender Weise dargestellt; wenn dies nicht wäre, würden
wir uns ohnedies eher in ein Sterbegemach als in ein Todten-
zimmer versetzt glauben.

Der realistische Boden, auf dem Conräder steht, verbürgt im
Allgemeinen eine realistische Behandlung, welche auf die Technik be-
sonderes Gewicht legt; diese ist au manchen Stellen bewunderungs-
würdig und von großem äußerlichem Effekt. — Das große Ge-
mälde Conräder's ist um so bedeutungsvoller, als es das Kunstbe-
streben unserer Zeit repräsentirt, streng historisch zu sein. Man
sucht sich seinen Vorwurf in den Quellenstudien der Geschichts-
forschung; diese sind bekanntlich sehr genau. Sie wissen, was Fried-
rich II. bei der Nachricht vom Tode Karls VI. gesagt, wie viel
Vaterunser des Tages der große Karolus gebetet. Diese Genauig-
keit niag der Historie natürlich sein, für die Kunst ist ein solches
sklavisches geistloses Anhängen au Kleinigkeiten weder passend noch Auf-
gabe. Wahrheit ist ihr schönster Schmuck, Poesie aber ihre Seele.

u. New-Zjork, 10. Oktober. Am Abend des 27. Septem-
ber starb in seiner Wohnung in NewHork im 43. Lebensjahre der
bekannte amerikanische Maler John A. Ho ns, dessen Name auch
in Europa nicht unrühmlich bekannt sein dürfte. Er wurde ur-
sprünglich für den geistlichen Stand herangebilüet, studirte dann die
Rechte und wandte sich endlich der Kunst zu, für welche er stets
große Vorliebe gehegt hatte. Sein erstes Gemälde, wodurch sein
Name allgemein bekannt wurde, war „Vanitas Vanitatum", wel-
ches in der New-Uorker National-Akademie ausgestellt war und ihn
in engere Verbindung mit diesem Institute brachte. In der Ma-
lerei auf Holz leistete Hons sehr Tüchtiges: auch lieferte er meister-
hafte Illustrationen für periodische Werke, so z. B. für „Appleton's
Journal" und für „The Aldine"; für die letztgenannte Zeitschrift
hatte er eine Reihe interessanter Bilder, Scenerien aus Pennsylva-
nien darstellend, zur Zeit seines Todes eben vollendet.
 
Annotationen