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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Schulze, Otto: Neue Stickereien von Margarete von Brauchitsch
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0045

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Maschinen-Stickereien von Margarete von Brauchitsch.

menschlichen Geistes zu feiern. Diese Auffassung-
hat viel Unheil, viel Ungeschmack, viel Elend
gezeitigt. Wir sehen aber auch, daß eine
Maschine zum Segen gereichen kann.

Margarete von Brauchitsch hat Schule ge-
macht und viele Nachahmer gefunden, aber keine,
die sie irgendwo überträfen, so wenig in Ori-
ginalität als im Geschmack. Die Maschinen-
stickerei, das disziplinierte Regelwerk eines
sinnvollen Mechanismus ist zum prägnanten Aus-
druck ihrer, trorj aller Gebundenheit, sprudelnden
Formensprache geworden! Von Jahr zu Jahr
ist sie immer mehr in diese Arbeit hineingewachsen,
den Übermut, das Frivole der proletarischen
Natur der Maschinenstickerei bändigend. Auch
diese Künstlerin hat im Laufe ihres jetyt wohl
zehnjährigen Ringens erfahren, was Beschränkung
und Abklärung bedeutet. Sie hat mit den Kon-
sequenzen der Moderne gerungen mit genialer
Kraft, sie ist Siegerin geblieben. Bestätigen das
nicht vollauf die hier wiedergegebenen Arbeiten,
die Stücke für den Gebrauch, für das Leben
sind ! Ursprünglich hat Margarete von Brauchitsch

nur den Faden als Bildendes Schmuckmaterial
gekannt und sehr häufig waren kleinliche Motive,
Ernten von fremden Äckern, auffallend erkennbar.
Heute sind ihr Kordel, Liße, Bändchen, Garn u. a.
mehr dienstbar, und ihre Arbeiten sind dadurch
zu dem geworden, dag man sie als Kunstwerke
textiler Technik bezeichnen kann. Man schaue
sich diese Kissen und Decken an, die nicht bloß
bewundert, sondern auch — was viel vernünftiger
ist — benurjt werden wollen. Das ist alles echt,
ehrlich, eindrucksvoll, bar aller süßen Farben-
und Stickereisentimentalität, die noch immer so
vielem Frauenschaffen anhaftet. Kann man sich
überhaupt etwas köstlicheres denken als diesen
Takt und Rhythmus in an sich so einfachen, sich so
ungesucht, so lebensfrisch gebenden urwüchsigen
Formen. Hieran können unsere Stickerinnen noch
viel lernen. Ja, wenn unsere Raumkunst auf dem
noch immer aufsteigenden Wege verbleibt, dann
wird alles textile Beiwerk in ihren Schöpfungen
kaum einen anderen Charakter zeigen dürfen als
den, den die hier abgebildeten Stickereien wieder-
spiegeln! — OTTO SCHULZE—ELBERFELD.
 
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