Der Einkauf als kulturelle Funktion.
Maxime des Käufers.
Ihnen muß der Verkäufer
entgegenkommen; so wird
er zum Volkserzieher wer-
den, der mehr zu leisten
vermag als zehn Reichs-
tagsreden vermögen. Der
Verkäufer müßte sich eben
nicht damit begnügen:
die Leute wollen wieder
Louis XVI.; er müßte,
wenn eine solche Epi-
demie heraufzieht, die
geblendeten Stilfexe auf
den rechten Weg weisen.
Statt dessen ist er häufig
seelenvergnügt und sagt:
»mein Lager ist frisch
assortiert, jeder Ge-
schmack wird befriedigt«.
Das heiße ich hellen
Wahnsinn, alles herbeizu-
schaffen, was der Käufer
in seiner Einfalt begehrt.
Zugegeben, dem Ver-
käufer sind durch die
drohende Konkurrenz
Grenzen gezogen; aber,
ehrlich gesprochen, ist
er nicht oft allzu be-
reit, törichten Wünschen
des Publikums wider-
standslos zu gehorchen.
Er ist dieses Sinnes meist
zu dienstfertig; überhaupt,
er ist oft zu devot. Er
sollte selbstbewußter
auftreten, als gebil-
deter Fachmann, der
dem Publikum hilft und
es beratet. Er sollte
weniger seine Ware loben, als die Käufer
über den objektiven Wert und das Gute
der einzelnen Gegenstände aufklären. Dazu
muß er freilich selbst gründlich orientiert sein,
besser als es heute häufig der Fall ist. Das
aber wird ihm in jeder Beziehung Nutzen
bringen; das Publikum wird es merken und
ihm ein besonderes Vertrauen schenken. Dieser
gebildete Verkäufer wird weit besser als alle
Schriftstellerei dem Publikum klar machen
können, daß der Wert eines Stuhles nicht in
den Säulenfüßen und den Löwenköpfen der Arm-
lehnen liegt, sondern in der stabilen Tektonik
"nd der unbehinderten Nutzbarkeit, der Wert
es Geschirrs nicht in den Streublümchen,
professor richard
Ausführung:
riemerschmid—München. Wandschirm.
Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst —Dresden.
sondern in der Masse und der Form. Er wird
dem Publikum sagen dürfen, daß der seines
volksbildenden Einflusses eingedenke Fabrikant
erwartet, daß nicht nach pompöser und billiger
Ware, nur nach guter und vernünftiger ver-
langt wird. Er wird dem Publikum am
ehesten die leidige Schwäche für historische
Sentimentalität ausreden können; er wird ihm
beweisen können, daß Rokokomöbel dem
modernen Wesen nicht entsprechen. Durch
solche Pädagogik würde der Verkäufer seiner
Kulturpflicht genügen.
Die Liebhabereien haben der lebendigen
Notwendigkeit zu weichen. Auf die Gefahr
hin, als Dogmatiker zu gelten, sage ich: es
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Maxime des Käufers.
Ihnen muß der Verkäufer
entgegenkommen; so wird
er zum Volkserzieher wer-
den, der mehr zu leisten
vermag als zehn Reichs-
tagsreden vermögen. Der
Verkäufer müßte sich eben
nicht damit begnügen:
die Leute wollen wieder
Louis XVI.; er müßte,
wenn eine solche Epi-
demie heraufzieht, die
geblendeten Stilfexe auf
den rechten Weg weisen.
Statt dessen ist er häufig
seelenvergnügt und sagt:
»mein Lager ist frisch
assortiert, jeder Ge-
schmack wird befriedigt«.
Das heiße ich hellen
Wahnsinn, alles herbeizu-
schaffen, was der Käufer
in seiner Einfalt begehrt.
Zugegeben, dem Ver-
käufer sind durch die
drohende Konkurrenz
Grenzen gezogen; aber,
ehrlich gesprochen, ist
er nicht oft allzu be-
reit, törichten Wünschen
des Publikums wider-
standslos zu gehorchen.
Er ist dieses Sinnes meist
zu dienstfertig; überhaupt,
er ist oft zu devot. Er
sollte selbstbewußter
auftreten, als gebil-
deter Fachmann, der
dem Publikum hilft und
es beratet. Er sollte
weniger seine Ware loben, als die Käufer
über den objektiven Wert und das Gute
der einzelnen Gegenstände aufklären. Dazu
muß er freilich selbst gründlich orientiert sein,
besser als es heute häufig der Fall ist. Das
aber wird ihm in jeder Beziehung Nutzen
bringen; das Publikum wird es merken und
ihm ein besonderes Vertrauen schenken. Dieser
gebildete Verkäufer wird weit besser als alle
Schriftstellerei dem Publikum klar machen
können, daß der Wert eines Stuhles nicht in
den Säulenfüßen und den Löwenköpfen der Arm-
lehnen liegt, sondern in der stabilen Tektonik
"nd der unbehinderten Nutzbarkeit, der Wert
es Geschirrs nicht in den Streublümchen,
professor richard
Ausführung:
riemerschmid—München. Wandschirm.
Deutsche Werkstätten für Handwerkskunst —Dresden.
sondern in der Masse und der Form. Er wird
dem Publikum sagen dürfen, daß der seines
volksbildenden Einflusses eingedenke Fabrikant
erwartet, daß nicht nach pompöser und billiger
Ware, nur nach guter und vernünftiger ver-
langt wird. Er wird dem Publikum am
ehesten die leidige Schwäche für historische
Sentimentalität ausreden können; er wird ihm
beweisen können, daß Rokokomöbel dem
modernen Wesen nicht entsprechen. Durch
solche Pädagogik würde der Verkäufer seiner
Kulturpflicht genügen.
Die Liebhabereien haben der lebendigen
Notwendigkeit zu weichen. Auf die Gefahr
hin, als Dogmatiker zu gelten, sage ich: es
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