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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Jaumann, Anton: Campbell & Pullich - Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0141

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Campbell & Pul/ich.

CAMPBELL & L'ULLICH — BERLIN.

wieder durchsetzt und modifiziert von der
überaus starken Individualität des Künstlers.

Solche komplizierte Künstlernaturen sind
nur in unserer an Vergangenheit überlasteten
Zeit möglich. Wir können nicht mehr ge-
radeaus in die Gegenwart und in die Zukunft
sehen. Jeder zweite Blick schweift zu dem
Gewesenen zurück.

Aber jedes Volk, jede Rasse sieht die
Vergangenheit anders. Und hier erleben wir
das seltene Schauspiel, einen feinen englischen
Künstler bei der Auseinandersetzung mit alt-
deutscher Kultur beobachten zu können. Er
hat nicht die seichte Bewunderung des Tou-
risten, nicht die sachliche Interessiertheit des
Gelehrten. Campbell tritt ihr als Persönlich-
keit gegenüber, als ein Mensch, der das alte
deutsche Land und seine untergegangene
Kultur mit seiner Seele sucht.

Wie viel Deutsches schon in Campbeils
Arbeiten steckt, erkennen wir am besten,
wenn wir sie englischen Erzeugnissen gegen-
überstellen. Diese haben neben ihrem straffen
Aufbau, ihrer gesunden modernen Zweck-
mäßigkeit, ihren energischen oder selbst ele-
ganten Formen doch immer jene glatte, inner-

Entwurf zu einem Landhaus.

lieh kalte Freundlichkeit an sich, die uns
überhaupt am englischen Wesen nicht gefällt;
es fehlt — für unser Empfinden — die see-
lische Vertiefung, das von van de Velde in
Grund und Boden verdammte »Gemüt«.

Diese Beseelung, dieses gemütliche Element
hat nun Campbell in den Resten altdeutscher
Kultur »gesehen« und herausgefühlt. Das war
nur möglich, wenn sein eigenes Wesen dem
Deutschen — bis zu einem gewissen Grade
wenigstens — »wählverwandt« war. Darum
vermochte sich auch seine Künstlerseele die
deutschen Elemente so restlos zu assimilieren,
so vollständig in sich aufzunehmen, daß sie
mit kaum mehr sichtbarer Oktroierlinie in sie
einwuchsen. Von bloß oberflächlicher An-
empfindung kann da keine Rede sein. Durch
die Kraft der Individualität werden schein-
bare Gegensätze zur Einheit verschweißt. So
schuf sich Campbell seinen persönlichen Stil.
Er ist jetzt der unbewußte Ausdruck seines
Wesens geworden, wie die Sprache Spiegel
und Ausdruck eines Volkscharakters ist. Diese
bewältigte Vielfältigkeit, dieser Reichtum an
verarbeiteten Kulturen macht Campbeils Per-
sönlichkeit interessant. Sie reizt uns wie ge-

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